"Schwarze Kapelle" ist der inoffizielle Name, den Reinhard Heydrich Anfang Mai 1940 dem konservativen Widerstand gegeben hat. Im Juli 1940 gelang ihm ein entscheidender Schlag gegen diesen.
Vorgeschichte[]
Seit 1937 hatte Abwehr-Chef Wilhelm Canaris angefangen, massive Zweifel erst an den Methoden seiner "Kollegen" vom Sicherheitsdienst und später auch am "Führer" selbst zu hegen. Daher hielt er seine Hand über Mitglieder des Widerstands und erlaubte vielen konservativen und christlichen Regimegegnern, in der Abwehr unterzukommen.
Insbesondere Hans Oster, Leiter der Zentralabteilung der Abwehr, entwickelte sich zu einem radikalen Gegner des Nazi-Regimes, der bereit war, weiter zu gehen als fast alle anderen. Seit Oktober 1939 versuchte er über seinen Duzfreund, den niederländischen Major Gijsbertus "Bert" Jacobus Sas, den er seit 1932 kannte, die Niederlande und Belgien vor dem geplanten deutschen Angriffstermin zu warnen. Auch den Einmarsch in Dänemark und Norwegen sagte er wahrheitsgemäß voraus. Allerdings hörte niemand auf seine Warnungen - er wurde sogar unglaubwürdig, weil der "Führer" den Termin nicht weniger als 29-mal wegen Munitionsmangel, schlechtem Wetter oder anderen Gründen verschob. Schlimmer noch: Er und Sas, den er in den letzten Tagen vor dem Angriff täglich in dessen Wohnung getroffen hatte, wurden zusammen gesehen...
Erste Beweise[]
Dann fing das Forschungsamt von Hermann Göring ein Telegramm vom 2. Mai 1940 des belgischen Gesandten Adrien Nieuwenhuys im Vatikan ab und wusste nun Bescheid, dass es eine undichte Stelle gab. Ein zweites Telegramm lieferte ihnen die Information, dass jemand Anfang Mai in Rom geredet haben musste - in diesem Fall war es Dr. Josef "Ochsensepp" Müller gewesen, der im Auftrag von Oster und Dohnanyi versucht hatte, über den Papst mit den Alliierten zu verhandeln. Schon seit 1939 hatte Heydrich Abwehr-Aktivitäten im Vatikan beobachtet. Seit dem 9. Mai wusste auch Adolf Nazi Bescheid, dass sein Plan verraten worden war, was von den Nazis als Landesverrat gewertet wird, und beauftragte Anfang Juni (das Forschungsamt brauchte etwa einen Monat, um beim Auswerten der angefallenen Daten auf das entscheidende Telegramm zu stoßen) sowohl Canaris als auch Heydrich und Walter Schellenberg persönlich, die Quelle zu finden...
Die Abwehr-Führung wusste nun, dass sie in Schwierigkeiten war. Canaris warnte Oster und Dohnanyi mit den Worten: "Die braunen Vögel! Hast du die braunen Vögel gesehen?" (Anspielung auf die Berichte auf braunem Papier mit dem Reichsadler, die das Forschungsamt schrieb.) Oster war wie gelähmt, fühlte sich "tief in der Tinte". Nun zog Canaris alle Register: Als der "Führer" in allerhöchstem Zorn die schärfste Untersuchung forderte, um die undichte Stelle in Rom zu finden, konnte Canaris ihm versichern, er habe den idealen Mann für diese Arbeit, der über ausgezeichnete Verbindungen im Vatikan verfüge. Er schickte Müller wieder nach Rom, um den Fall zu untersuchen - also seinen eigenen! Der "Ochsensepp" sprach sich mit seinen Vertrauensleuten ab und bekam eine "Legende" - angeblich hatte irgendein Ribbentrop-Bekannter (und Agent von Galeazzo Ciano) geplaudert. Sein Kollege Karl Süß von der Zollfahndung III F in München deckte Müller und sagte, er wäre gar nicht zu der fraglichen Zeit in Rom gewesen.
Rohleder[]
Um aber gegenüber der Nazi-Führung nicht untätig zu wirken, beauftragte Canaris den Oberstleutnant Joachim Rohleder, Leiter der Abwehr-Gruppe III F (Abwehr im Ausland), mit dem Fall. Dies mit der Hoffnung, dass Rohleder zu fantasielos wäre, um den Fall zu lösen und die vertrackte Situation zu verstehen - und so gehorsam, dass man ihm das Schweigen befehlen konnte.
Aber Rohleder erwies sich als intelligenter und gebildeter als gedacht. Von dem V-Mann Gabriel Ascher erfuhr er über den "Ochsensepp" und legte über ihn die Akte "Palmenzweig" (wie er sie nannte) an. Und der SS-Führer Helmut Knochen hatte Schellenberg einmal gemeldet, dass Müller Zugang zu den höchsten Stellen im Vatikan hat. Auch über Sas erfuhr Rohleder.
Schließlich zeigte Rohleder Oster die Akte "Palmenzweig". Oster behauptete, er wäre nur das Opfer einer Intrige. Zu seinem Glück hielt ihn Rohleder nur für dilettantisch. Zusammen gingen sie zu Canaris, der nun über die Angelegenheit entscheiden musste: Er befahl Oster (Anfang Juli), den Kontakt zu Müller abzubrechen, alle gefährlichen Papiere in seinem Panzerschrank und dem von Dohnanyi zu vernichten - und Rohleder, zu schweigen.
Die Prucks[]
Gleichzeitig drohte Gefahr aus einer anderen Richtung: Im Juni, als man im Hauptquartier der Abwehr bereits über den Fall redete, kam der Abwehr I-Agent Erich Ferdinand Pruck aus Norwegen zurück und hörte das Gerede seiner Kollegen. Während er selbst deswegen nichts unternahm, erzählte er seiner Frau Kaete, was er erfahren hatte. Als überzeugte Nationalsozialistin schrieb sie dann einen Brief, in dem sie neben einem Sturmbannführer Hofmann im SS-Führungshauptamt in erster Linie Oster, Dohnanyi und Müller beschuldigte. Zu deren Glück schickte sie diesen Brief an - Canaris.
Selbst für den gewitzten Admiral wurde es schwierig, diese Gefahr abzuwehren, auch wenn es anfänglich noch glückte. Er schrieb einen Brief an Himmler, in dem er natürlich nichts über die Abwehr-Vorwürfe sagte. Kaete Pruck ließ er wegen angeblicher Schizophrenie anzeigen (in UZL wurde sie in die Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Tapiau [östlich Königsberg, 1200 Betten, 1902 gegründet] eingewiesen), und ihren Mann noch im Juni aus dem Dienst entlassen.
Aber damit war der Fall noch nicht abgeschlossen. Der zuständige Gestapo-Mann N. N. (anstelle seines Kollegen Hugo Franz Hoffmann - der diesen Fall in UZL übernommen hatte und im Gegensatz zu N. N. kein Nazi war, aber in dieser ZL nach dem Sieg über Frankreich mit zuviel Alkohol gefeiert hatte und daher nicht zum Dienst kommen konnte), Sachbearbeiter für Sonderfälle vom Amt IV (Gegnerbekämpfung) E (Abwehr) 1 (Hoch- und Landesverrat), fand schnell heraus, dass Kaete Pruck nicht verrückt war. In UZL beschränkte sich Hoffmann in seinem Brief an die Vorgesetzten auf einen Hinweis, dass bei Canaris auch nicht alles in Ordnung sei. N. N. dagegen wollte die Ereignisse nicht unter den Tisch fallen lassen.
Die Folgen[]
Misstrauisch geworden, alarmierte N. N. seinen Vorgesetzten Kurt Lindow, und dieser wiederum Schellenberg. Schließlich erhielten SD und Gestapo die Erlaubnis, sich die Abwehr näher anzusehen. Die Untersuchung führte schnell zu Rohleder. Nachdem ihm auf Befehl des "Führers" erlaubt worden war, sein Schweigen aufzuheben, enthüllte er das Ergebnis seiner Ermittlungen.
Diese Aufdeckungen brachen der "Schwarzen Kapelle" Mitte Juli das Rückgrat. Oster, Dohnanyi, und "Ochsensepp" mussten sofort ihre Ämter aufgeben und wurden unter Hausarrest gestellt. In wenigen Wochen wurden sie mehrmals verhört. Ihre Zukunft sah finster aus. Vor allem aber hatten sie viele Verbindungen zu anderen Widerstandskämpfern...
Nur sein Ansehen und die früheren Erfolge der Abwehr retteten Canaris davor, das Schicksal seiner Mitarbeiter zu teilen. Dafür musste sich der sensible Admiral von Adolf Nazi anbrüllen lassen, wie er nur so inkompetent sein konnte. Zwar konnte er den Verdacht entkräften, er würde Landesverrat gutheißen, trotzdem erlitt er einen Nervenzusammenbruch.
Heydrich, der die Abwehr gerne selbst leiten würde, zwang den gebrochenen Canaris dazu, ihm verschiedene Bereiche und Kompetenzen abzutreten. Dem SD wurde nun sogar die Gegenspionage erlaubt. (In UZL hatte Canaris dies bis zu ihrer Prager Übereinkunft im Frühjahr 1942 hinauszögern können.)
Darüber hinaus konnte Heydrich beim "Führer" auch durchsetzen, dass Canaris auf seinen Auslandsreisen - offiziell, um ihn zu "schützen" - einen Bewacher vom SD zur Seite gestellt bekam, und bei Gesprächen mit wichtigen Leuten ein Dolmetscher anwesend war - damit Canaris nicht seine Fremdsprachenkenntnisse nutzen konnte, um etwas zu verbergen.
Dies sollte sich bei seiner Spanien-Reise in der zweiten Juli-Hälfte (auf der er sich "el tio Guillermo" ["Onkel Wilhelm"] nannte) auswirken: Canaris wagte es nicht mehr, Diktator Franco Hinweise zu geben, wie er sich einem Kriegseintritt am besten entziehen könnte - oder zu zeigen, dass er trotz der hohen Siege der Wehrmacht erwartete, dass die Nazis am Ende doch verlieren müssten. Franco merkte zwar, dass etwas nicht stimmte, konnte daran aber auch nichts ändern. Weder erfuhr er, dass auch Pétain lieber nicht mit den Nazis kooperieren würde, noch konnte ihm Canaris vorschlagen, für eine geplante Erstürmung von Gibraltar Geschütze zu fordern, von denen er wusste, dass die Wehrmacht sie gar nicht hatte. Ebenso konnte er etwas später Pétain nicht mitteilen, wie zögerlich Franco wirklich war.
Schwerwiegender aber war die Folge, dass die Nazis nun die Sicherheit der Enigma nach oben setzten. Mit dem neuen Schwierigkeitsgrad M4 waren selbst die genialen Codeknacker vom Bletchley Park unter Alan Turing überfordert. Im März 1941 konnten die Italiener daher die verlustreiche Seeschlacht bei Kap Matapan aus UZL vermeiden. Vor allem aber gingen die Versenkungszahlen der Uboote steil nach oben... Mitte 1941 musste aus diesem Grund die britische Inselkolonie Malta kapitulieren, da schlicht und einfach keine Konvois mit Öl mehr durchgekommen waren.
Zukunft[]
Während Canaris in UZL noch bis 1944 durchhielt, kam es hier aufgrund der geschilderten Ereignisse schon deutlich früher zu seinem Ende.