Adolf H. Zwei Leben (frz. La Part de l’autre) ist ein Alternativgeschichts-Roman von Éric-Emmanuel Schmitt (bekannt durch Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran) aus dem Jahr 2001. Das Buch ist dem Hitler-Attentäter Georg Elser gewidmet.
Im Buch werden die Geschichte des realen und eines alternativen Adolf Hitler parallel erzählt. Im Realteil stechen zwei Details heraus: 1937 trifft der "Führer" einen Astrologen, der ihm vorhersagt, 1947 zu sterben - darauf wird seine Gehetztheit zurückgeführt. Der Autor meint auch, bei der Blomberg-Fritsch-Affäre habe Hitler nur geschauspielert und tatsächlich längst Bescheid über den Hintergrund von Frau Blomberg gewusst.
Der Schwerpunkt des Buchs liegt auf den Gebieten Kunst und Psychologie - beides dem Thema angemessen. Schon zuvor, in seinem Theaterstück Der Besucher (Le Visiteur), beschäftigte sich Schmitt mit dem Nationalsozialismus und ließ Freud als Figur auftreten.
Das Buch wurde in viele Sprachen übersetzt - außer ins Deutsche auch auf koreanisch, griechisch, italienisch, niederländisch, norwegisch, polnisch, portugiesisch, russisch, schwedisch und vietnamesisch. Die englische Übersetzung (The Alternative Hypothesis) musste allerdings bis 2023 warten und ist schwer zu bekommen.
Hintergrund:[]
Hitler, in dieser Handlung stets „Adolf H.“ genannt, wird am 8. Oktober 1908 an der Wiener Kunstakademie aufgenommen. Dort schließt er langanhaltende und enge Freundschaften, so mit Bernstein (der schwul ist) und Neumann. Beim Zeichenunterricht mit weiblichen Aktmodellen fällt er jedoch in Ohnmacht. Verzweifelt konsultiert er seinen Hausarzt Eduard Bloch, der ihn zu einem gewissen Sigmund Freud schickt. Dieser diagnostiziert bei Adolf H. einen Ödipuskonflikt, der darauf zurückzuführen sei, dass H.s Mutter immer wieder von dessen Vater verprügelt wurde. Nach dem Tod des Vaters und sodann auch der Mutter stellten sich bei H. doppelte Schuldgefühle ein. Nach einigen Sitzungen gelingt es Freud, seinen Patienten erfolgreich zu therapieren. Durch diverse Liebschaften im Wiener Nachtleben (z.B. mit einem Modell, das er "Stella" nennt [nach dem Hotel, in dem sie sich treffen]) überwindet Adolf H. seine sexuellen Verklemmungen vollends. Das Überwinden der Schuldgefühle und sexuellen Hemmung, das fordernde, aber erfüllende Studium und der enge Austausch mit den Kollegen führen zu einer anderen Entwicklung von Adolf H. Langsam kann er mit seiner Kunst auch genügend Geld verdienen, um davon leben zu können.
Mit Kriegsausbruch 1914 wird Adolf H. einberufen und zusammen mit seinen Künstler-Kameraden Bernstein und Neumann als Teil der österreichischen Armee an die französische Front, in die Champagne, geschickt. Im Verlaufe des Krieges entwickelt H. sich zum Pazifisten.
Nach Kriegsende emigriert er nach Paris, um dort sein Leben als Künstler wieder aufzunehmen. Er schließt sich der Gruppe um André Breton an, wendet sich dem Surrealismus zu und wird ein angesehener Maler dieser Kunstrichtung. Besonders sein Gemälde "Der keusche Diktator" von einem Diktator, den er sich noch schlimmer als Mussolini vorstellt (auf dem Bild hat jener die Gestalt eines großen Babys und marschiert über kleine menschliche Figuren hinweg, die er dabei zertrampelt), erregt Aufsehen. Außerdem geht er mit einer Französin - ein kurzgewachsenes Mädchen, das sich nur "Elf-Uhr-dreißig" nennt, weil sie immer pünktlich um diese Zeit aufsteht - eine leidenschaftliche Beziehung ein. Zusammen mit ihr geht er z.B. auf einen Shakespeare-Ball, wobei sie als Othello und Desdemona verkleidet sind. Aufgrund des Todes seiner Geliebten durch Tuberkulose gibt Adolf H. seine aktive Künstlerlaufbahn auf. Er zieht nach Berlin und wird dort Kunstprofessor. Sein Student Heinrich wirft ihm vor, sein Talent zu vergeuden.
In Berlin trifft Adolf H. auch eine Bekannte aus Paris, die erfolgreiche Parfümeurin Sarah Rubinstein, wieder. Diese ermutigt ihn dazu, sich wieder der Malerei zu widmen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine leidenschaftliche Beziehung, die in eine Ehe mündet. Aus dieser Verbindung gehen Zwillinge hervor, Rembrandt und Sophie genannt.
Durch die Nichtexistenz Hitlers als Politiker ergreifen in Deutschland Anfang der Dreißigerjahre nicht die Nationalsozialisten die Macht, sondern eine konservative, vom Militär unterstützte Regierung mit Ludwig Beck als Reichskanzler. Das zwar nicht totalitäre, aber autoritäre Regime erfreut sich beim deutschen Volk nur mäßiger Zustimmung. Österreich und die Tschechoslowakei werden nicht von Deutschland annektiert, sondern dessen wichtigste Wirtschaftspartner. Allerdings greift Deutschland 1939 Polen an (wobei auch Heinrich als Soldat mitkämpft) und besiegt es in einem kurzen Krieg. Da Großbritannien und Frankreich neutral bleiben, weitet sich der Konflikt nicht aus und der Zweite Weltkrieg findet niemals statt. Polen muss die im Versailler Vertrag gewonnenen Gebiete wieder an Deutschland abtreten. Da die meisten Deutschen die Ehre ihres Landes damit wiederhergestellt sehen, verlieren die extremistischen politischen Gruppen an Einfluss. Infolgedessen entwickelt sich das Land allmählich wieder zur Demokratie und einem Staat, in dem Antisemitismus, zu dessen bekanntesten Vertretern Joseph Goebbels gehört, eine „peinliche Randerscheinung“ darstellt. Deutschland entwickelt sich zum wirtschaftlich stärksten Land der Welt und Berlin wird zur multikulturellen Weltmetropole mit acht Millionen Einwohnern.
Während der 1940er und 1950er Jahre wird Adolf H. zu einem Künstler von Weltruhm. Sein Sohn Rembrandt wird ein berühmter Physiker, der am deutschen Raumfahrtprogramm mitarbeitet und auch eine Physikerin heiratet, seine Tochter Sophie heiratet einen Amerikaner und steigt in den USA ins Filmgeschäft ein. Nach dem Tod seiner Frau und dem Sinken seines Sterns in den 1960er Jahren wandert Adolf H. nach Kalifornien aus. Er verbringt seinen Lebensabend, indem er sich der Lithografie widmet und einen Großteil seiner Zeit seinen drei Enkeln schenkt. Wie er einmal sagt, hat er sich "Für das Gewöhnliche entschieden". Im Jahr 1970 stirbt Adolf H. im Kreis seiner Familie.
Im Rahmen des deutschen Weltraumprogramms schicken die Deutschen den ersten Satelliten ins All und führen 1970 mit der Rakete "Siegfried" die erste Mondlandung durch. Ein Kurt Makart ist der erste Mensch auf dem Mond, den er am 21. Juni d.J. betritt - zufällig der Todestag von Adolf H. in dieser AZL. Die Gründung Israels findet ohne den Holocaust niemals statt. Trotz vieler Befürworter des Zionismus stoppen die Briten auf Druck der arabischen Bevölkerung die Einwanderung von Juden nach Palästina. Bei den dortigen Kämpfen zwischen Juden und Arabern stirbt auch der Schwiegervater von Adolf H., mit dem er zuvor viel über das Thema Zionismus debattiert hat.
In der Sowjetunion wird das kommunistische Regime Anfang der Sechziger Jahre durch einen Volksaufstand gestürzt.
Die USA erreichen ohne den Zweiten Weltkrieg nicht den Status einer Supermacht und gelten als eher altmodisches Land.
Nachwort[]
Éric-Emmanuel Schmitt erwähnt, warum der 21. Juni 1970 so signifikant für diesen Roman ist: An diesem Tag sah er zusammen mit seinen Eltern einen Film über den Zweiten Weltkrieg, der ihn sehr erschütterte. Beim Schreiben musste er der Versuchung widerstehen, andere wichtige Figuren der Geschichte wie Churchill, Einstein, oder Leni Riefenstahl in dem Buch auftreten zu lassen.
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Quelle (teilweise): Wikipedia-Artikel