Alternativgeschichte-Wiki
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Dies ist die Einführungsseite zu der Alternativgeschichte "Ein unsportlicher Weltretter" von Sandrokottos. Hier werden die allgemeinen Voraussetzungen und Wahrscheinlichkeiten des Szenarios dargestellt. Konkretere Inhalte finden sich in den weiteren Artikeln dieser Zeitlinie.

In dieser Zeitlinie gelingt ein britischer Anschlag auf den "Führer und Reichskanzler" Adolf Hitler an dessen 50. Geburtstag, kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs. Die Planungen zu diesem Attentat haben auch in UZL stattgefunden, eine Ausführung lehnten die damaligen Verantwortlichen jedoch als "unsportlich" ("unsportsmanlike") ab. In dieser Zeitlinie entscheidet der britische Militärattaché in der Botschaft in Berlin, Colonel Frank Noel Mason-MacFarlane, sich über den ausdrücklichen Befehl seiner Vorgesetzten, das Attentat zu unterlassen, hinwegzusetzen, da er in Hitler eine zu große Gefahr für den Frieden sieht. Entsprechend wird Hitler am 20. April 1939 auf der Ehrentribüne bei der Abnahme einer Militärparade der Wehrmacht erschossen.

Von diesem Zeitpunkt an nimmt die Geschichte Deutschlands, Europas und der gesamten Welt einen anderen Verlauf. Es kommt nach dem Anschlag, der von vielen Beobachtern als ein mögliches "zweites Sarajevo" bewertet wird, zu massiven diplomatischen Spannungen zwischen Großbritannien und dem Großdeutschen Reich, während Hitlers designierter Nachfolger, Hermann Göring, versucht, das entstandene Machtvakuum schnellstmöglich zu füllen, sich innerhalb der NS-Führungsriege durchzusetzen, gegenüber dem Ausland Deutschlands Macht und Verteidigungsbereitschaft zu signalisieren und zugleich einen von ihm als katastrophal empfundenen erneuten Waffengang gegen die Westalliierten zu vermeiden.

Zur Methodik[]

Die Alternativgeschichte "Ein unsportlicher Weltretter" fühlt sich dem Ansatz der kontrafaktischen Geschichtsschreibung nach wissenschaftlichen Maßstäben verpflichtet. Das bedeutet, dass alle Inhalte der Geschichte - soweit es geschichtswissenschaftlich möglich ist - versuchen, den Handlungsrahmen Ende 1939 zu rekonstruieren und davon ausgehend Prognosen in die "Zukunft" abzusichern. Es wird daher im Fließtext unterschieden zwischen erzählenden Anteilen und kommentierenden Anteilen, die kursiv geschrieben sind.

Zunächst ist dafür die Frage zu klären, was kontrafaktische Geschichtsschreibung eigentlich ist, was sie leisten kann und was nicht, wo sie ihre Grenzen an der tatsächlich geschehenen Geschichte findet und wie sie sich frei von Fiktion halten lässt. Zunächst zum Begriff: Die kontrafaktische Geschichte ist heute zumindest in Teilen der Geschichtswissenschaft als probates Hilfsmittel für ein besseres Verständnis der tatsächlichen historischen Abläufe und Zusammenhänge anerkannt. Sie unterscheidet sich darin von der Alternativgeschichte als literarischem Genre, das einen alternativen Geschichtsverlauf zu Unterhaltungszwecken schafft. Kontrafaktische Geschichte soll nicht unterhalten, sie soll auf Basis nutzbarer Quellen und gesicherter Fakten wissenschaftlich verwertbare Daten liefern. Dies können Daten z.B. über die weltpolitische Gemengelage sein, es können aber auch soziologische Daten zur Verarbeitung eines bestimmten Ereignisses in der Erinnerungskultur sein, zu wirtschaftsgeschichtlichen Fragen oder biographischen Details. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielschichtig, ebenso wie es die Szenarien sind, die zur Datenerhebung durchdekliniert werden können.

Doch um verwertbar zu sein, müssen die geschaffenen Szenarien einigen Grundregeln folgen und sich von allzu wilder Spekulation freihalten. Sie müssen frei bleiben von materieller Fiktion, dürfen also keine Personen, Völker, Orte, Denkgebäude, oder sonstige maßgebliche Faktoren ex nihilo erschaffen. Sie bedienen sich stattdessen ausschließlich der materiell und ideell vorhandenen Größen der jeweiligen Zeit. Sie müssen sich des Weiteren in die Gedanken- und Lebenswelt der historischen Persönlichkeiten im höchstmöglichen Maße hineinversetzen, sie müssen sich durch große Fachkenntnis zu allen Facetten einer bestimmten Zeitperiode auszeichnen und sollten nach Möglichkeit nur an Punkten ansetzen, an denen Alternativen zur damaligen Zeit auch tatsächlich in Erwägung gezogen und realistisch diskutiert wurden oder zumindest als Möglichkeit im Rahmen der vorgenannten Grenzen in Betracht kämen. Dies grenzt die Zahl der Möglichkeiten schon einmal bedeutend ein, bringt den Historiker aber auch dem Wissenshorizont der Zeit, in die er sich hineinbegibt, deutlich näher. Der Zweck dieser Regularien ist nämlich vor allem, die gottgleiche Allwissenheit des Nachgeborenen einzuklammern und gewissermaßen eine mentale Zeitreise zu unternehmen, ganz im untersuchten Szenario aufzugehen und die Geschichte vom Punkt X, dem Zeitpunkt der Abweichung an, als offen zu betrachten. Nichts von alledem, was nach diesem Punkt passierte, ist schon passiert. Niemand kann davon wissen. Auch die Protagonisten des Szenarios können über ein solches Wissen keinesfalls verfügen. Sie haben nur das 'hier und jetzt' unserer Vergangenheit und die Optionen, die sich ihnen vor diesem Wissenshorizont eröffnen.

Am engsten hat – diesem Grundsatz verpflichtet – bislang der Brite Niall Ferguson den Rahmen gezogen, in dem sich kontrafaktische Überlegungen abzuspielen hätten. In seinem 1997 erschienenen Band "Virtual History – Alternatives and Counterfactuals" lässt er eisern nur das als Möglichkeit zu, was in der Geschichte tatsächlich als ernsthafte Alternative zum Geschehenen bedacht worden ist. Ein solch orthodoxer Ansatz zwingt zu einer Beschränkung der eigenen Fantasie, die sich immer neue Szenarien auszudenken vermag, wie an welchen Weichen der Geschichte zu stellen wäre. Im hier zu besprechenden Fall ist also zu prüfen, ob und an welchen Stellen eine Abweichung der geforderten Art, ein Wegfall Hitlers aus dem Geschehen (am wahrscheinlichsten durch ein erfolgreiches Attentat, von denen 42 überliefert sind) tatsächlich möglich gewesen wäre. Dennoch soll der vorliegende Versuch sich nicht darauf beschränken. Im Anschluss an Alexander Demandt, der im deutschen Sprachraum den Diskurs maßgeblich geprägt hat, wird eine Vielzahl variabler Faktoren zur Fortschreibung des Szenarios herangezogen werden (müssen), um zu verwertbaren Erkenntnissen zu gelangen. Freilich erfolgt hierbei in gewissem Maße eine Beweislastumkehr, da Demandt seine Kategorien je gerade zur Entwicklung kontrafaktischer Szenarien aufgestellt hat, während sie hier im Wesentlichen als Analyseinstrumentarium tatsächlich durch das auslösende Moment entstandener Abweichungen im weiteren Geschichtsverlauf zur Anwendung kommen.

Vor dem Hintergrund der in der kontrafaktischen Geschichtsschreibung wirkenden Faktoren und Mechanismen lassen sich – bis zu einem gewissen Grad – plausible Szenarien entwickeln, wie es nach dem Zeitpunkt X weitergegangen wäre, wenn Y sich verwirklicht hätte. Selbstverständlich müssen auch hier bestimmte Faktoren berücksichtigt werden. Nicht jede Folge eines bestimmten Ereignisses lässt sich mit demselben Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersagen. Sich abzeichnende größere Trends lassen sich z.B. deutlich plausibler über längere Zeiträume hinweg fortschreiben als partikulare Ereignisfolgen wie z.B. konkrete Wahlausgänge oder die Zusammensetzung einer Regierung. Dazu ist die Unschärfe in solchen Bereichen, in denen wiederum Persönlichkeiten und in erhöhtem Maße auch der Zufall eine Rolle spielen, schlicht zu groß. Wohl aber lässt sich mit einem entsprechend gesicherten Persönlichkeitsprofil für einen gewissen Zeitraum plausibel darstellen, wie die aus der Geschichte bekannten Charaktere auf veränderte Umstände reagieren und wie sie sich in ihnen einrichten würden.

Entscheidend ist in allen Details die Frage: Wie reagieren die aus der Historie bekannten Charaktere auf neue Situationen? Ein Großteil der Geschichte des 20. Jahrhunderts wird - ausgehend von allgemeinen Trends und Entwicklungen - ähnlich verlaufen, wie in UZL. Wie in Deutschland in diesem Setting damit umgegangen wird, das ist die zentrale Frage. Und natürlich auch, welche Folgen sich aus einer durch die Verhinderung des Zweiten Weltkrieges deutlich längere Herrschaft der Nationalsozialisten für Deutschland und dessen Gesellschaft ergeben würden; denn schließlich ist das Trauma der NS-Zeit samt Holocaust und verlorenem Zweitem Weltkrieg das prägende Element der deutschen Nachkriegsgeschichte. Dadurch ist es auch nötig, die Alternativgeschichte schon in den 1960er Jahren enden zu lassen, da sonst nicht nur mit Charakteren gearbeitet werden müsste, deren Leben nach 1939 anders verlaufen ist, sondern auch vermehrt mit solchen, deren Existenz sich überhaupt nicht voraussetzen lässt.

Vorgeschichte[]

Seit seiner Ernennung am 30. Januar 1933 hatte der aus Österreich stammende Reichskanzler Adolf Hitler energisch daran gearbeitet, das durch die Niederlage im Weltkrieg geschwächte, entwaffnete und großer Gebiete beraubte Deutsche Reich wieder in den Kreis der europäischen Großmächte zu führen und die Bestimmungen des verhassten und in der Bevölkerung als ungerecht empfundenen Versailler Vertrages zu revidieren.

In einem ersten Schritt hatte Hitler 1935 die Wehrpflicht wieder eingeführt. 1935 fiel das Saarland an das Deutsche Reich zurück, 1936 erfolgte die Besetzung des entmilitarisierten Rheinlandes. 1938 erfolgte im März die lang ersehnte Wiedervereinigung Deutschösterreichs mit dem Deutschen Reich.

Chamberlain

Der britische Premierminister Chamberlain bei seiner Rückkehr von der Münchner Konferenz

Bis dahin hatten die Westmächte, allen voran Großbritannien unter seinem Premierminister Arthur Neville Chamberlain, auf eine Politik der Beschwichtigung (Appeasement) gesetzt in der Hoffnung, durch weitreichende Zugeständnisse Hitler besänftigen und von seinen immer deutlicher zutage tretenden Kriegsplänen abbringen zu können. In den vergangenen Jahren hatten sie eine ganze Reihe offener Brüche des Versailler Vertrages unkommentiert gelassen. Auch mehrere Gelegenheiten, Hitler durch ein gezieltes Attentat zu beseitigen, verstrichen ungenutzt.

Im September 1938 schließlich drohte die Appeasement-Politik zu scheitern, als Hitler die Tschechoslowakei aufforderte, die mehrheitlich von Deutschen bewohnten Randgebiete an das Deutsche Reich abzutreten. Hitler hatte bereits Vorbereitungen für eine Invasion befohlen, als auf Vermittlung des italienischen Diktators Benito Mussolini eine internationale Konferenz in München zustande kam, die schließlich die deutsche Position in allen Punkten bestätigte und so die unmittelbare Kriegsgefahr bannte. Hauptarchitekt dieses Vertragswerkes war der britische Premierminister Neville Chamberlain, der nach Abschluss der Konferenz in London erklärte, mit seinen Zugeständnissen an Hitler den "Frieden für unsere Zeit" gesichert zu haben. In Großbritannien selbst fiel das Echo gemischt aus. Nicht nur die Parlamentsopposition um den Labour-Vorsitzenden Clement Attlee, auch viele Konservative rückten nun von Chamberlain ab. Winston Churchill war bereits seit Langem der erbittertste Gegner des Appeasements. Nun folgten auch mehrere Kabinettsmitglieder wie der Lord der Admiralität, der daraufhin seinen Rücktritt erklärte, und sogar sein Außenminister Lord Halifax, der bislang der entschiedenste Befürworter der britischen Politik gegenüber dem Dritten Reich gewesen war. Nicht zuletzt trugen die Ereignisse der Reichspogromnacht vom 9. November dazu bei, die allgemeine Stimmungslage gegen die Beschwichtigungspolitik des Premiers zu wenden.

Die durch das Münchner Abkommen massiv geschwächte Tschechoslowakei wurde in den Folgemonaten von mehreren Seiten her in die Zange genommen. Bereits im Oktober 1938 hatte Polen das sogenannte Olsagebiet besetzt. Am 2. November besetzte Ungarn die mehrheitlich magyarischen Gebiete im Süden der Slowakei. Die Slowakei selbst erklärte ihre Autonomie innerhalb des Tschecho-Slowakischen Gesamtstaates.

Am 9. März 1939 rückten tschechische Truppen in die Slowakei ein und setzten die Landesregierung unter Jozef Tiso ab. Dieser flog am 13. März nach Berlin, wo Hitler ihn drängte, die Unabhängigkeit der Slowakei zu erklären. Dies geschah am folgenden Tag durch den Landtag in Pressburg.

Nur einen Tag später reiste der tschechische Staatspräsident Emil Hácha ebenfalls nach Berlin, wo ihm ohne Umschweife deutlich gemacht wurde, dass Hitler beabsichtige, das tschechische Gebiet zu besetzen und zu annektieren und dass man Hachá persönlich für jeden der Wehrmacht entgegengebrachten Widerstand verantwortlich machen werde. Dieser wies daraufhin die tschechischen Stellen an, dem deutschen Einmarsch, der am darauffolgenden Tag stattfand, keinen Widerstand entgegenzusetzen.

Einmarsch Prag

Parade der Wehrmacht im besetzten Prag, 16. März 1939

Am 15. März um sechs Uhr rückten die deutschen Truppen über die Grenze vor und erreichten gegen neun Uhr bei Schneetreiben die Hauptstadt Prag. Die deutsche Armee entwaffnete das tschechische Heer. Mit der Wehrmacht rückte die Geheime Staatspolizei (Gestapo) ein und begann mit der Verfolgung deutscher Emigranten und tschechischer Kommunisten. Während dieser Aktion, die als „Aktion Gitter“ bekannt wurde, wurden einige Tausend Personen verhaftet. Hitler verließ um acht Uhr Berlin, traf am Abend in Prag ein und verbrachte die Nacht auf dem Hradschin. Am 16. März verkündete er, die Tschecho-Slowakei habe aufgehört zu bestehen. Die "böhmisch-mährischen Länder" seien wieder in ihre "alte historische Umgebung" eingefügt worden. Ein gleichzeitig veröffentlichter Erlass proklamierte das nun unter deutscher Gebietshoheit stehende und einem Reichsprotektor unterstellte Protektorat Böhmen und Mähren.

Als in der Folge nun auch der britischen Öffentlichkeit die Wertlosigkeit der Friedensbeteuerungen Hitlers bewusst geworden war, musste Chamberlain scheinbar das Scheitern seines Ansatzes erkannt haben und legte sich nun nach außen hin auf eine unnachgiebige Linie fest, eine "Containment"-Politik, die eine weitere Ausbreitung des Einflusses faschistischer Regimes, allen voran Deutschland und Italien, effektiv verhindern sollte. Für die osteuropäischen Staaten gab Großbritannien Garantieerklärungen ab, die eine militärische Unterstützung bei einem deutschen Einmarsch beinhalteten. Insbesondere Polen hielt man angesichts vermehrter Spannungen seit einigen Monaten, für akut gefährdet.

Das Attentat auf Adolf Hitler[]

Stewart Menzies

Stewart Menzies, 1939 stellvertretender Direktor des britischen Geheimdienstes MI6

In dieser angespannten Lage tauchte ein Telegramm des britischen Militärattachés in Berlin, Noel Mason-MacFarlane, im Außenministerium aus der Versenkung wieder auf. Diesem war nämlich bereits ein Jahr zuvor aufgefallen, dass die Ehrentribüne für die Parade zu Hitlers Geburtstag in jedem Jahr genau gegenüber seinem Apartment in der Berliner Straße aufgebaut wurde. Die Wohnung befand sich im 1. Stock, vom Badezimmerfenster aus war die Haupttribüne mit dem Ehrenplatz barrierefrei einsehbar. Ein ausgebildeter Scharfschütze, so schrieb er, sei ohne Weiteres in der Lage, auf die Distanz von etwa 90 Metern zwischen seiner Wohnung und der Tribüne sein Ziel mit einem einzelnen gezielten Schuss auszuschalten, eine Entdeckung sei durch den Lärm der Marschmusik und der schweren Gerätschaften der Armee unwahrscheinlich. 1938 war dieser Vorschlag MacFarlanes, Hitler an seinem Geburtstag zu erschießen, schon einmal an Außenminister Halifax gescheitert, der ihn schlussendlich als "unsportlich" abgelehnt und in einer Schublade abgelegt hatte. Im folgenden Jahr jedoch wurde endlich ernsthaftes Interesse an den Planungen des Diplomaten gezeigt, nachdem das Telegramm nach langen Irrwegen im Außenministerium den Schreibtisch von Stewart Menzies erreicht hatte. Menzies, der seit 1929 stellvertretender Direktor des MI6 (oder des Secret Intelligence Service, wie er offiziell hieß) war, zeigte sich interessiert an Mason-MacFarlanes Planungen und bestellte ihn nach der Annektion der Rest-Tschechei am 15. März sogleich zu einer Unterredung nach London.

Planung des Attentats[]

Mason-MacFarlane

Der Hitler-Attentäter Noel Mason-MacFarlane als britischer Militärattaché in Berlin, 1938

Am 18. März wurde der britische Militärattaché Noel Mason-MacFarlane am Broadway N°54 vorstellig und unterbreitete Menzies seine sehr detailreichen Planungen nicht nur für die Ausschaltung Adolf Hitlers, sondern zeitgleich auch des gesamten restlichen NS-Regimes. In seiner Zeit als militärischer Berater der britischen Botschaft hatte er eng mit der militärischen Führung des Reiches zusammengearbeitet und viele Kontakte geknüpft, vor allem zum Abwehroffizier Hans Oster. Dieser war bereits im September 1938 maßgeblich an einem Umsturzplan beteiligt gewesen, der in der Sudentenkrise den drohenden Krieg abwenden sollte. Mason-MacFarlanes Plan sah vor, den Tod des Führers mit einem zeitgleich beginnenden Militärputsch zu koordinieren. Während die Menge durch den Anschlag in Aufruhr war, sollte das Militär als Ordnungsmacht auftreten und die auf der Führertribüne versammelte NS-Führungsriege in Schutzhaft nehmen. Anschließend sollten Ministerien und Rundfunkanstalten besetzt und per Reichsexekution der Ausnahmezustand verhängt werden. So sollte auch verhindert werden, dass die Gestapo den Attentäter noch am Tatort aufgreifen könnte und so eine britische Beteiligung offengelegt würde, die Konsequenzen nicht nur für das deutsch-britische Verhältnis, sondern auch ganz konkret für die Botschaftsmitarbeiter in Berlin bedeutet hätte.

Menzies zeigte sich "vorsichtig interessiert" an diesem Plan, obgleich er zu Bedenken gab, dass solch "unorthodoxe Methoden" nicht dem Ehrenkodex entsprächen, der die Arbeit des Geheimdienstes in der Vergangenheit geleitet habe. Angesichts der veränderten Umstände müsse man aber für alle Optionen aufgeschlossen sein.

Am 19. März beriet sich Menzies schließlich in Whitehall mit Außenminister Lord Halifax, der sich von den Dimensionen des Plans gleichermaßen erstaunt wie schockiert zeigte. Er wies das Ansinnen des britischen Offiziers ohne Umschweife ab. Menzies gegenüber äußerte er: "We have not reached that stage … when we have to use assassination as a substitute for diplomacy." Damit war das Thema für das Außenministerium und den MI6 erledigt. Mason-MacFarlane musste nun entscheiden, ob er sich dem Befehl seiner Vorgesetzten beugen und den Attentatsplan verwerfen oder auf eigene Faust und ohne Unterstützung seiner Regierung weitermachen sollte.

Alexander Demandt folgend wollen wir im weiteren Verlauf davon ausgehen, dass der britische Offizier seine Pläne eines Attentats auf Adolf Hitler weiterverfolgte. Bekannt ist, dass er in zahlreichen intensiven Gesprächen mit engen Vertrauten in Berlin, allen voran dem Deutschland-Korrespondenten der London Times Ewen Butter, mit dem er bereits im Sommer 1938 seinen Plan diskutiert hatte, über sein Dilemma sprach. Als ausgebildeter Scharfschütze verfügte er grundsätzlich selbst über die Fertigkeiten und die Erfahrung, die nötig waren, um den Plan auszuführen. Die wesentliche Hürde für die Ausführung seines Plans war die Beschaffung des erforderlichen Materials. Moderne Scharfschützengewehre wie das Lee-Enfield No. 4 standen der britischen Armee zweifellos zur Verfügung. Priorität musste also haben, Waffe und Munition für den Anschlag unbemerkt ins Land zu schmuggeln. Dabei hätte ihm sein Diplomatenstatus zweifellos einen großen Vorteil geboten, auch wenn Reinhard Heydrich bereits seit Monaten seine Ablösung gefordert und diese auch gegenüber der britischen Botschaft erfolgreich durchgesetzt hatte, nachdem Mason-MacFarlane zwischen Januar und März in Abwesenheit des Botschafters Neville Henderson eigenmächtige und unabgestimmte Lagebeurteilungen an das Außenministerium weitergeleitet hatte. Bereits zuvor hatte Henderson immer wieder über Respektlosigkeiten seines Mitarbeiters geklagt. Nun war das Maß voll und Noel Mason-MacFarlane sollte das Deutsche Reich bis zum 3. Mai 1939 verlassen.

Eine Waffe im Diplomatengepäck zu schmuggeln hätte auch im nationalsozialistischen Deutschland wohl grundsätzlich funktioniert. Die Transporte ließen sich durch Heimatbesuche und Unterredungen mit seinen Vorgesetzten effektiv tarnen. Auch über den tödlichen Schuss selbst hatte er sich viele Gedanken gemacht. So wollte er den Schuss nicht direkt vom Fenster aus abgeben, um nicht entdeckt zu werden, sondern wollte sich im Wohnungsflur hinter dem Badezimmer postieren, sodass auch der Schuss selbst durch die Entfernung gedämpft werden könnte. Im Vorjahr hatte er bereits Gelegenheit, Schusswinkel und äußere Bedingungen abzuschätzen und sich bestmöglich vorzubereiten.

Die entscheidende Frage für unser Szenario ist: Hätte dieser Attentatsplan gelingen können? Noel Mason-MacFarlane war davon absolut überzeugt und hielt ihn tatsächlich für verhältnismäßig einfach für einen geübten Schützen. Eine Entfernung von gerade einmal 90 Metern zum Ziel macht dies wahrscheinlich. Zudem stand Hitler während der Paraden meist exponiert und erhöht, weit entfernt von allen, die dem Schützen die Sicht hätten nehmen können. Ohnehin wäre es niemandem der Anwesenden eingefallen, sich auch nur im Vorbeigehen zwischen den Führer und das Geschehen zu drängen. Die Bedingungen waren also denkbar günstig. Der Tag war sonnig, klar und windarm. Auch dies hätte dem Schützen genutzt. In einem Gesamturteil lässt sich also sagen, dass ein Erfolg für einen geübten Schützen wie Noel Mason-MacFarlane die Wahrscheinlichkeiten auf seiner Seite gehabt hätte.

Der Führergeburtstag[]

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Hitler bei der Abnahme einer Parade der SS in der Wilhelmstraße

Die Feierlichkeiten zum Geburtstag des Führers, den Joseph Goebbels noch am 18. April zum nationalen Feiertag ausgerufen hatte, begannen bereits am Nachmittag des Vortags. In einem Autokorso aus weißen Limousinen begutachtete Hitler die erst kürzlich fertiggestellte neue Ost-West-Achse der Hauptstadt. Der von Hitler zu einer Festrede genötigte Architekt Albert Speer kürzte diesen Punkt dadurch ab, dass er verkündete, das Werk werde für sich selbst sprechen und bedürfe keiner Worte. Derweil wurde ganz Berlin festlich geschmückt und aus allen Teilen des Reiches Geschenke für den Führer in die Neue Reichskanzlei gebracht. In der Abenddämmerung folgte ein Fackelzug der Landsmannschaften in traditionellen Trachten. Um Mitternacht präsentierten die Mitglieder der Reichsregierung und der Parteiorganisationen dem Führer schließlich seine Geburtstagsgeschenke. Darunter befanden sich Gemälde, Statuen, Zierwaffen, Meißener Porzellan, Münzen und vieles mehr, das meiste davon Kitsch. Albert Speer schenkte Hitler ein Modell des geplanten Triumphbogens, der in der Reichshauptstadt entstehen sollte. Anschließend feierte Hitler mit seinen engsten Vertrauten in seinen Geburtstag hinein und ging - wie so oft - erst gegen vier Uhr zu Bett.

Fuehrergeburtstag

Foto der Militärparade zum Führergeburtstag 1939, aufgenommen nur vier Minuten vor dem Attentat

Am nächsten Morgen um 8:00 Uhr eröffnete der Musikzug der SS-Leibstandarte Adolf Hitler mit einem Geburtstagsständchen vor den Toren der Reichskanzlei die offiziellen Feierlichkeiten. Im Anschluss folgte ab 8:30 Uhr bis etwa 9:30 Uhr der Empfang der Staatsgäste; des slowakischen Ministerpräsidenten Josef Tiso, des Reichsprotektors Konstantin von Neurath sowie des böhmischen Staatspräsidenten Emil Hácha. Ein Konzert des Matrosenchors leitete über zum Festumzug, bei dem sich Hitler in seinem Wagen nebst der übrigen NS-Granden durch die herbeigeströmte Menge zur Ehrentribüne für die Militärparade mit über 40.000 beteiligten Wehrmachtsangehörigen fahren und bejubeln ließ. Unterwegs machte er in der Wilhelmstraße im Regierungsviertel Station und begutachtete stehend von seinem Wagen aus eine Parade der SS. All dies wurde mit der Videokamera begleitet, propagandistisch aufbereitet und sollte anschließend als Dokumentarfilm veröffentlicht werden.

Nehmen wir nun also an, dass der Schütze in der Lage gewesen ist, die Waffe und die Munition in seine Dienstwohnung zu schmuggeln, sich in den Tagen vor dem 20. April minutiös vorzubereiten und alle Faktoren für ein Gelingen des Anschlags berücksichtigt zu haben. Wann hätte er zugeschlagen? Aus seinen Unterredungen mit Stewart Menzies wissen wir, dass MacFarlane beabsichtigte, Hitler bei der Abnahme der Parade der Wehrmacht zu erschießen, zu der der Führer stehend und exponiert ein ideales Ziel abgab. Die Panzer und Geschütze, die zu diesem Anlass aufgefahren wurden, hätten wohl jedes Geräusch übertönt. Dass der Schuss deutlich zu hören gewesen wäre, dürfen wir also getrost ausschließen. Auch dass der Schütze gesehen worden wäre, ist eher unwahrscheinlich, da er sich genau zur Verhinderung einer solchen Entdeckung im Flur platzierte.

Eines wäre allerdings sehr sicher aufgefallen: Sein Fehlen auf der Tribüne. Als Militärattaché war er selbstverständlich in jedem Jahr als Ehrengast zur Parade zum Führergeburtstag eingeladen und hatte als Diplomat eine politische Verpflichtung, diesem Ereignis beizuwohnen, unabhängig von persönlichen Befindlichkeiten. Gerade angesichts der ohnehin bereits laufenden Kampagne gegen Noel Mason-MacFarlane kann es als sicher gelten, dass die Abwesenheit des Hitler-Kritikers den anwesenden Gestapo- und SD-Beamten aufgefallen wäre. Selbst wenn also, wie wir annehmen, der tödliche Schuss tatsächlich abgegeben worden und der Führer zu Boden gesunken wäre, hätten die Sicherheitsorgane zweifellos unmittelbar die richtigen Schlüsse gezogen.

Der tödliche Schuss[]

Lee-Enfield

Die Waffe, die Hitler tötete: Eine Lee-Enfield No. 4 (hier im Kampfeinsatz zu sehen)

Am 20. April 1939 um genau 11:00 Uhr begann schließlich, wie jedes Jahr, der Festumzug zum Geburtstag des Führers und Reichskanzlers. Hitler sollte zu diesem Anlass über vier Stunden lang Paraden aller Waffengattungen der Wehrmacht abnehmen. Die Ost-West-Achse vor der Technischen Universität Berlin, wo die Tribüne stand, war von mehreren hunderttausend Schaulustigen gesäumt. Im Badezimmer seiner Mietwohnung in der Berliner Straße, direkt gegenüber dem Hauptgebäude der Technischen Universität Berlin, hätte sich Mason-MacFarlane bereits lange zuvor in Stellung gebracht und den Standplatz Hitlers auf der Tribüne genau anvisiert. Was folgte, hätte sich etwa folgendermaßen abspielen können:

Als sich Hitler um 11:22 Uhr zum Gruß von seinem Platz erhebt, trifft ihn ein einzelner, gut gezielter Schuss. SS und Wehrmacht reagierten sofort, können aber eine allgemeine Panik nicht verhindern. Durch den entstandenen Tumult sterben einige Zuschauer, viele weitere werden verletzt. Das Militär sperrt umgehend alle Zugangswege ab. Derweil wird Hitler, begleitet von einem Aufgebot der "SS-Leibstandarte Adolf Hitler", in die Berliner Charité gebracht.

Notoperation und Tod Hitlers[]

Hitler Schuss Hinterkopf

Rekonstruktion der Ein- und Austrittswunden sowie der Schädelverletzung Adolf Hitlers

In der Charité nimmt ein Team um den renommierten Chirurgen Ferdinand Sauerbruch den Führer und Reichskanzler in Empfang. Die Schädeldecke ist durch den Kopfschuss aufgeplatzt. Bereits am Ort des Geschehens hat der Patient Gehirnmasse und Blut verloren. Hitler wird umgehend tracheotomiert. Eine Herzdruckmassage bleibt wirkungslos und führt nur dazu, dass große Mengen Blut und auch Hirnmasse aus der klaffenden Kopfwunde verloren gehen. Eine genauere Untersuchung der Wunde findet nicht mehr statt. Um 12:13 Uhr unterzeichnet Sauerbruch Hitlers Totenschein. Auf persönliche Anweisung von Propagandaminister Joseph Goebbels wird die Charité vollkommen abgeriegelt, das medizinische Personal festgehalten und eine absolute Nachrichtensperre verhängt. So soll verhindert werden, dass Details über den Gesundheitszustand des Staatsoberhaupts die Öffentlichkeit ungefiltert erreichen.

Trauer und Wut[]

Goebbels Radioansprache

Joseph Goebbels verkündet den Tod des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler

Um genau 15:00 Uhr verkündet dann Propagandaminister Joseph Goebbels in einer Ansprache, die im Radio reichsweit übertragen wird, offiziell den Tod des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler. In seiner Rede verurteilt er das Attentat aufs Schärfste und droht Großbritannien mit "einem entschiedenen Signal der Stärke und Willenskraft des Deutschen Volkes". Hitler stilisiert er zum Märtyrer, der bis zuletzt allein das Wohl und die Ehre des Großdeutschen Reiches, das er vollendete, im Sinn gehabt und sein Leben und sein Sterben mit aller Konsequenz in den Dienst des Friedens gestellt habe. Er beschwört die maßgeblichen Erfolge der vergangenen sechs Jahre und die Verteidigungsbereitschaft und den Kampfeswillen der Reichsregierung gegenüber allen Versuchen, Deutschland zu destabilisieren. Dem Attentäter, den er bereits namentlich benennen kann, und seinen angenommenen Hintermännern in der britischen Regierung und darüber hinaus droht er mit "blutiger Vergeltung" und beschwört eine „unauslöschliche Blutschuld“, die das gesamte britische Volk an diesem Tag auf sich geladen habe. Auch Otto Strasser, ein alter innerparteilicher Rivale Hitlers und letzter ernsthafter Protagonist des ehemaligen ‚linken Flügels‘ der NSDAP, wird von Goebbels mit dem Anschlag in Verbindung gebracht. In wortgewaltiger Sprache beschwört Goebbels die heroischen Taten vergangener Tage, die das deutsche Volk auch für diese neue Prüfung gerüstet hätten.

NS-Demo

Spontaner Gedenkmarsch für den Führer, 20. April 1939 (vorne im Bild Propagandaminister Joseph Goebbels)

Die Nachricht vom Tod des Führers löst bald auch in anderen Städten Trauer und Entsetzen aus. Vor den Rundfunkempfängern bilden sich große Menschentrauben, die nicht selten in spontane Schrei- und Weinkrämpfe ausbrechen. An zahlreichen Orten finden noch am Abend spontan organisierte Trauermärsche und -gottesdienste statt. Daneben mischen sich in die Trauer zuweilen auch antibritische und antisemitische Parolen, die vom Propagandaministerium dankbar aufgenommen und zusätzlich befeuert werden. Die Rede und das Attentat als solches stärken die Bindung des Volkes an die NS-Herrschaft. Auch solche, die sich bislang vom Nationalsozialismus ferngehalten hatten, solidarisieren sich nun massenhaft mit der Reichsregierung angesichts des offensichtlichen Angriffs von außen auf die Grundfesten des Reiches. Es überwiegt, wie viele Beobachter vermerken, das Gefühl, „gemeinsam in einem Boot zu sitzen“.

Dennoch bleiben an diesem Tag die allermeisten Deutschen schockiert, rat- und orientierungslos zurück. Ein Deutschland ohne Hitler – für viele ist dies schon jetzt kaum noch vorstellbar. Der Schock dieses Moments sitzt so tief, das Ereignis wird als so einschneidend wahrgenommen, dass sich noch Jahrzehnte später Menschen gegenseitig die Frage stellen: „Wo warst du damals, als Hitler erschossen wurde?“ Nicht zuletzt, weil eine klare Perspektive auf das Morgen fehlt, weil keine offizielle Nachfolgeregelung bekannt ist, liegen viele Deutsche in der Nacht stundenlang wach. Andere diskutieren bis in die frühen Morgenstunden in den Eckkneipen, wer aus dem engsten Führungskreis wohl die besten Chancen hat, sich als Hitlers Nachfolger durchzusetzen, und was das für die Zukunft Deutschlands jeweils bedeuten würde.

Hitler 5

Fotografie des getöteten Führers und Reichskanzlers

Für die unmittelbaren Reaktionen auf ein Attentat auf ein amtierendes Staatsoberhaupt gibt es in der Geschichte zahlreiche Vergleichsbeispiele. Gemessen an der Popularität des Ermordeten dürfte US-Präsident John F. Kennedy wohl der naheliegendste Vergleich sein. Der Tod des geliebten Idols führt bisweilen zu absurden Reaktionen. Im Fall Kennedys gab es nicht wenige, die als Folge des Attentats texanerfeindliche Parolen verbreiteten, nachdem er in Dallas, einer texanischen Großstadt, erschossen worden war. Spontane, antibritische Ausschreitungen nach Ergreifung des Attentäters sind daher mit hoher Wahrscheinlichkeit vorauszusetzen, selbst ohne direktes Zutun der NS-Propaganda. Wie schon der Angriff auf Pearl Harbor und später die Anschläge vom 11. September 2001 hat sich auch das Attentat auf Kennedy so stark in das kollektive Gedächtnis der Amerikaner eingebrannt, dass man sich gegenseitig noch lange Zeit danach die „Wo warst du, als…?“-Frage stellte. Ein gleichgelagerter Effekt ist auch in diesem Fall zu erwarten.

Der wesentliche Unterschied zwischen Kennedy und Hitler wäre aber gewesen, dass im Fall des US-Präsidenten allen klar war, dass es mit Lyndon B. Johnson, dem amtierenden Vizepräsidenten, einen klar definierten Nachfolger gab. Bei Hitler hätte der Fall anders gelegen.

Der Führer ist tot - es lebe der Führer![]

Hitler Goering

Adolf Hitler hatte Hermann Göring bereits im Dezember 1934 per Geheimerlass zu seinem Nachfolger als Führer und Reichskanzler ernannt

Wo feste Ämter zu vergeben sind, führt das Ausscheiden des Inhabers unweigerlich zu der Notwendigkeit, seine Position neu zu besetzen. Sei dies auch eine Binsenweisheit, so muss ihr doch gerade in Fällen höchster Staatsämter eine besondere Aufmerksamkeit zukommen. Schließlich handelt es sich bei dem Verstorbenen dieses Szenarios nicht um den Beamten einer lokalen KFZ-Zulassungsstelle, sondern um den Führer und Reichskanzler, der die deutsche Verfassung völlig auf seine Person und Position zugeschnitten hatte. Daher ist zunächst zu fragen, ob – und wenn ja, welche – konkreten Regelungen zur Nachfolge Hitlers existierten.

Fündig werden wir bereits im Dezember 1934, nur wenige Monate nachdem mit dem Tode des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers in der Person Adolf Hitlers vereinigt worden waren. Im Gesetz über den Nachfolger des Führers und Reichskanzlers vom 13. Dezember dekretierte Hitler, dass er „bis zur Schaffung einer neuen Verfassung seinen Nachfolger selbst bestimmen“ konnte. In einem ersten Geheimerlass, zurückdatiert auf den 7. Dezember, ernannte er Hermann Göring zu seinem Nachfolger in beiden Ämtern. Die drei Exemplare dieses Erlasses lagerten bei Hitler persönlich, bei Kanzleichef Hans Heinrich Lammers und bei Reichswehrminister Werner von Blomberg. Göring selbst wurde, wie er in Nürnberg aussagte, damals nur mündlich informiert. 1936 wurden die Mitglieder der Reichsregierung über die Nachfolgeregelung in Kenntnis gesetzt und diese am 23. April 1938 noch einmal per Erlass bestätigt.

Es muss also davon ausgegangen werden, dass allen maßgeblichen Protagonisten des NS-Staates der letzte Wille des ermordeten Diktators bekannt gewesen sein musste. Auch wenn der Verbleib von zwei der drei Abschriften des Nachfolgegesetzes im Dunkeln liegt, da Reichswehrminister Werner von Blomberg 1938 entlassen und das Kriegsministerium aufgelöst worden war und nicht bekannt ist, wo Hitler seine Abschrift aufbewahrte, ist durch den Chef der Reichskanzlei Lammers eine Verfügbarkeit dieses Schlüsseldokuments an Hitlers Todestag vorauszusetzen, sodass also Hermann Göring in der Lage gewesen wäre, seinen Führungsanspruch unmissverständlich geltend zu machen.

In späterer Zeit ist verschiedentlich, so z.B. von Moritz und Neubauer, die Legitimität der Nachfolgeregelung Hitlers oder auch nur die Möglichkeit einer Vereinigung der Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers über dessen Tod hinaus bezweifelt worden. So sehr diese Argumentation auf dem Boden bundesrepublikanischer Rechtsstaatlichkeit verfängt, so unbedeutend wäre sie, wie demgegenüber Dirk Nolte betont, wohl für die allermeisten Zeitgenossen, nicht zuletzt den größten Teil der NS-Juristen- und -Richterschaft gewesen. Wenn sich schon gegen das Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr, mit dem nachträglich die Mordaktionen gegen SA und konservative Kritiker legitimiert werden sollten, kein ernsthafter Widerstand regte, wäre ein solcher gegen die Nachfolge Hitlers umso weniger zu erwarten gewesen. Das Placet des Führers hätte an diesem Tag ohnehin niemand ernsthaft zu übergehen gewagt, erst recht nicht angesichts der vorauszusetzenden Betroffenheit der meisten Beteiligten, die ihren Glauben und ihr persönliches Schicksal an die Person Hitlers gebunden hatten.

Interessant bei dieser Nachfolgeregelung ist auch, was sie über Hitlers Vorstellungen davon aussagt, welche Qualitäten notwendig sein würden, um das von ihm aufgebaute System weiterzuführen. Hierbei ist ein Blick in den Rest des Nachfolgegesetzes aufschlussreich, das auch eine Regelung für eine vorübergehende Amtsunfähigkeit Hitlers vorhielt. Dort wurde Hitlers Vertretung auf drei Personen verteilt: Rudolf Heß sollte die Führung der Partei übernehmen, Reichswehrminister Werner von Blomberg die militärische Führung und Hermann Göring die staatlich-politische. Dass Hitler niemanden aus der klassischen Verwaltung, sondern stattdessen Göring mit seiner Vertretung in den Staatsämtern betraute, zeigt deutlich, dass Hitler in ihm weder den Parteigranden noch den preußischen Ministerpräsidenten oder den Oberbefehlshaber der Luftwaffe sah, sondern einen Staatsmann, der die wesentliche Eigenschaft mitbrachte, um das bestehende System austarieren zu können: Er konnte verschiedene Interessen in Ausgleich bringen oder gegeneinander ausspielen, ohne sich je einseitig festzulegen und damit angreifbar zu machen. Ähnlich hatte auch schon Hitlers Herrschaftsstil funktioniert, der nicht nur auf blinden Gehorsam, sondern zu einem wesentlichen Teil auch auf der Fähigkeit beruhte, seine Untergebenen in ständigen Streitereien zu binden, sodass niemand eine Machtstellung erringen würde, die ihm selbst eines Tages gefährlich werden könnte. Doch während Hitler sich aus allen Niederungen der Politik und des Tagesgeschäfts heraushielt, war Görings Stärke demgegenüber, dass er in jedes maßgebliche Gebiet seine Fühler ausgestreckt und Einfluss gewonnen hatte, sodass also seine Hausmacht nicht auf einen einzelnen Bereich beschränkt war, sondern in Militär, Politik, Verwaltung und Wirtschaft gleichermaßen ausgriff.

Die Verfassungswirklichkeit des Dritten Reiches bei Görings Amtsantritt[]

Hermann Göring übernahm das Großdeutsche Reich zu Beginn des Jahres 1939 als gefestigte Diktatur. Das vereinigte Amt des Führers und Reichskanzlers war in allen seit 1934 entstandenen Gesetzen fest verankert und somit fest in das Gefüge des Staates integriert. Von diesem ging ein Großteil der tatsächlichen Staatsgewalt aus. Der Führer und Reichskanzler konnte allein über die Ernennung und Entlassung der Reichsminister, der Generalität, der höchsten Reichsbeamten, der Reichsstatthalter und der Mitglieder der Landesregierungen bestimmen, Bündnisse und völkerrechtliche Verträge abschließen und ausländische Gesandte beglaubigen und empfangen. Innerhalb der Reichsregierung besaß er die Kompetenz, „die Richtlinien der Politik“ zu bestimmten und konnte dadurch die Tätigkeit der einzelnen Minister dirigieren. Durch das Mittel sogenannter „Führererlasse“ konnte er Notverordnungen mit Gesetzeskraft erlassen. Dabei handelte es sich um eine Kombination zweier dem Reichspräsidenten übertragener Vollmachten, und zwar einerseits der Befugnis, „durch Erlass die Organisation der Reichsregierung und die der obersten Reichsbehörden zu verändern“ und andererseits der auf Art. 48 der Weimarer Reichsverfassung zurückgehenden Kompetenz, „die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen“. Diese Kompetenz hatte sich spätestens in der Zeit der Präsidialkabinette Anfang der 30er Jahre zu einem Instrument der ‚Ersatz-Gesetzgebung‘ weiterentwickelt, das nahezu unbegrenzt eingesetzt werden konnte, um die verfassungsgemäße Gesetzgebung durch den Reichstag zu übergehen. Dieses Mittel war zwar unter Hitler nicht mehr notwendig, da durch das Ermächtigungsgesetz die Reichsregierung mit einem eigenen Gesetzgebungsrecht ausgestattet worden war, aber grundsätzlich nicht aufgehoben. Über all diese formalen Vollmachten hinaus konnte er per Erlass seinen Stellvertreter und seinen Nachfolger bestimmen. Im Prinzip war das Reich somit – vorbehaltlich des Auftrags zur Schaffung einer neuen Verfassung, die aber trotz gegenteiliger Versicherung Hitlers in den vorangegangenen Jahren weder mittel- noch langfristig in Sicht war – eine Art ‚Erbdiktatur‘.

Der Reichstag, dessen Präsident Hermann Göring seit 1932 war, hatte seit der Machtergreifung nur noch einen Bruchteil der Reichsgesetze beschlossen. Seine Funktion als Volksvertretung war weitgehend obsolet. Die Wahlen hatten lediglich affirmativen Charakter. Wichtig wurde das Parlament vor allem als Bühne, auf der der Führer alle Volksgenossen und die Weltöffentlichkeit mit wichtigen Botschaften erreichen und sich für seine Arbeit feiern lassen konnte. Allerdings hatte Hitler dafür gesorgt, dass das Ermächtigungsgesetz, das die Grundlage für die Regierungstätigkeit der vorangegangenen sechs Jahre gebildet hatte, gemäß seinem ausdrücklichen Text mit dem Ende der Regierung Hitler automatisch außer Kraft getreten wäre. Dadurch wäre die Reichsregierung wieder auf das reguläre Gesetzgebungsverfahren durch den Reichstag zurückgeworfen gewesen.

Die horizontale Machtverteilung auf Reichsebene war schon 1939 völlig unübersichtlich. Neben den offiziellen Ministerien, von denen über die Jahre immer neue eingerichtet worden waren, existierten eine ungeheure Menge an Sonderbeauftragten, Kommissionen, Gremien und Institutionen, die mit den Ministerien und untereinander um Einfluss konkurrierten und deren Zuständigkeiten sich unübersehbar, aber absichtlich überschnitten. Neu eingerichtet worden waren das Propagandaministerium (1933), das Luftfahrtministerium (1933), das Erziehungsministerium (1934) und das Kirchenministerium (1935). Zusätzlich wurden einige Kompetenzen aus Reichsministerien ausgelagert und in eigenständigen Obersten Reichsbehörden angesiedelt. Ein Reichsbeauftragter für Rohstoff- und Devisenfragen übernahm vom Wirtschaftsministerium die Koordination des Außenhandels, ein Reichsforst- und Reichsjägermeister erleichterte das Landwirtschaftsministerium um die Zuständigkeit für Naturschutz, Jagd, Landschaftsplanung und Forstwirtschaft, und eine Reichsstelle für Raumordnung entriss dem Landwirtschaftsministerium die Flächennutzungsplanung. Durch den neugeschaffenen Posten eines Chefs der Deutschen Polizei verlor der Innenminister die unmittelbare Kontrolle über die Sicherheitskräfte des Reiches. Neben den Ministerien existierten auf Ebene der Partei die sogenannten Reichsleiter, die ebenfalls nach dem Ressortprinzip Parallelstrukturen zu den staatlichen Stellen unterhielten und z.B. eine eigenständige Außen- und Kolonialpolitik in Konkurrenz zum Auswärtigen Amt betrieben, eigene Parteischulen und die Hitlerjugend ohne Kontrolle durch das Erziehungsministerium und vor allem mit SA, SS und SD Sicherheitsorgane bar jeder staatlichen Kontrolle. Auch die Massenorganisationen und ständischen Berufsvertretungen wie der Reichsnährstand, die Deutsche Arbeitsfront, die Anstalt Kraft durch Freude, die Akademie für Deutsches Recht, der Rechtswahrerbund, die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt, das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes, das Hilfswerk Mutter und Kind, der Reichsbund für Leibesübungen und viele andere mehr wurden allein von der Partei und ohne jegliche staatliche Aufsicht verwaltet.

Auf der vertikalen Ebene war im Zuge der nur unvollständigen Reichsreform mit der Gleichschaltung der Länder eine ebenso verworrene Situation entstanden. Die Weimarer Republik hatte noch aus völkerrechtsfähigen Gliedstaaten bestanden, die über den Reichsrat an der Reichsgesetzgebung beteiligt wurden. Mit dem Gesetz über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 und dem Reichsstatthaltergesetz vom 30. Januar 1935 wurde die Selbstständigkeit der Länder beseitigt. Sie verloren ihre Hoheitsrechte und ihren Staatscharakter, ihre Volksvertretungen wurden abgeschafft und die Landesregierungen vom Führer und Reichskanzler ernannten Reichsstatthaltern unterstellt, die dafür zuständig waren, „für die Beachtung der vom Führer und Reichskanzler aufgestellten Richtlinien der Politik“ zu sorgen und diese gegenüber den Landesregierungen durchzusetzen, die der Führer und Reichskanzler wiederum auf Vorschlag des Reichsstatthalters ernannte. Die Reichsstatthalter waren in einigen Fällen für mehrere Länder ernannt worden, im Fall Preußens behielt sich der Führer und Reichskanzler selbst diese Stellung vor, konnte sie aber auf den Ministerpräsidenten übertragen. Daneben hatten in Preußen die Oberpräsidenten der Provinzen den Reichsstatthaltern vergleichbare Kompetenzen.

Die Landesgesetzgebung existierte weiter, Landesgesetze bedurften aber zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Reichsregierung. Mit der Zeit waren vor allem in Preußen die Fachministerien aufgelöst und mit den Reichsministerien zusammengelegt worden. Einige Landesminister konnten allerdings bis zuletzt durch ihren Einfluss oder andere hemmende Faktoren ihre Ressorts gegen die Verreichlichung verteidigen. So existierte in Preußen noch ein eigenständiges Finanzministerium, in anderen Ländern, vor allem Bayern, hielten sich die Ressorts nahezu völlig unbeeinflusst von der Entwicklung auf Reichsebene und setzten ihre Arbeit de facto in gleicher Weise fort wie vor dem Neuaufbaugesetz. Das führte angesichts der allgemeinen Rechts- und Gesetzgebungshoheit des Reiches immer wieder zu Spannungen, wenn Reichs- und Landesregierungen nebeneinanderher arbeiteten. Außerdem ergaben sich teils absurde Konstruktionen in der Befehlskette. So war der Reichsstatthalter Fritz Sauckel in Thüringen zugleich Vorgesetzter und Untergebener des Ministerpräsidenten Marschler, dem er zeitgleich als Innenminister diente.

In Konkurrenz und verschiedentlich in Personalunion mit den Landesorganen existierten die Parteigaue. Die Gauleiter waren zum Teil gleichzeitig Reichsstatthalter oder Landeschefs, zum Teil Oberpräsidenten der preußischen Provinzen. Ihnen unterstanden die örtlichen Parteigliederungen und ihnen oblag gemäß der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 die Bestimmung der Repräsentanten der unteren Verwaltungsebenen. Eine Vielzahl von NS-Organisationen, die beinahe jeden Lebensbereich umfassten und alle Ressourcen der Gesellschaft dem Regime verfügbar machen sollten, arbeiteten völlig unabhängig von der Reichsverwaltung.

So hatte Hitler erfolgreich dafür gesorgt, dass niemand innerhalb der NS-Führungsriege jemals für ihn selbst zu einer Gefahr werden könnte. Denn so ineffektiv die Konkurrenz all dieser Instanzen für die Verwaltung des Reiches war, so effektiv war sie, um sicherzustellen, dass nur ein Mann alle Einzelteile dieses Puzzles verband: Adolf Hitler.

Hermann Göring: Der neue starke Mann[]

Triumvirat Goebbels Goering Hess

Staatsmann mit stolz geschwellter Brust: Hermann Göring, daneben Joseph Goebbels und Rudolf Heß

Vom Mann an der Spitze hängt vieles ab. Seine ideologischen Positionen, seine Persönlichkeit, seine Fähigkeit, seine Mitarbeiter zu führen, die laufenden Geschäfte zu organisieren und die vorhandenen Ressourcen sinnvoll zu nutzen, die Kräfte innerhalb des politischen Systems im Gleichgewicht zu halten und die eigene Position zu sichern, entscheiden letztlich nicht nur über sein eigenes Schicksal, sondern auch über die Stabilität und den Fortbestand des politischen Systems als solchem, ganz besonders dann, wenn es sich um ein Regime handelt, das nicht von der breiten Masse der Bevölkerung getragen ist, die die Führungsspitze austauschbar macht, sondern von einer relativ dünnen Führungsschicht, sei dies das Militär, eine Staatspartei oder eine Dynastie. Verschiedene Formen von Alleinherrschaften und Diktaturen lassen sich nur in solchen Fällen weiterführen, in denen den Interessen der Schlüsselfiguren in Verwaltung, Militär, Sicherheitsorganen und Wirtschaft mit einem solchen Arrangement mehr gedient ist als mit einer grundlegenden Veränderung. Daher benötigt ein solches System eine Führerpersönlichkeit, die in der Lage ist, all diese Interessen in einen Ausgleich zu bringen. Hitler hatte dies vermocht, indem er sich von den Niederungen des Tagesgeschäfts weitgehend ferngehalten und Konflikte ausschließlich im Einzelfall geklärt, aber sich niemals einseitig festgelegt oder eine Schlüsselfigur gegenüber den anderen übervorteilt hatte. Göring vermochte es ebenfalls, eine dauerhafte Festlegung in den internen Streitigkeiten des Dritten Reiches zu verhindern und war daher am ehesten ähnlich wie Hitler in einer Position, auf die widerstreitenden gesellschaftlichen Machtfaktoren des „Dritten Reiches" eine integrierende und ausgleichende Wirkung ausüben. Göring war dabei aber deutlich involvierter, da er anders als Hitler in verschiedenen Bereichen selbst aktiv war und er daher Anteile eines Militärs, eines Politikers, eines Diplomaten, eines Verwalters und eines Wirtschaftsführers in seiner Person vereinigte.

Görings Grundüberzeugungen[]

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Soldat, Preuße, Militarist: Hermann Görings Denken war in wilhelminischen Traditionen verwurzelt

Göring war dabei für unterschiedlichste Kreise anschlussfähig, da er anders als Hitler auch ideologisch andere Grundvoraussetzungen mitbrachte. Seine ideologischen Überzeugungen blieben trotz seiner engen Verzahnung mit dem Nationalsozialismus immer eigenständig. Sein Denken war von preußischen, militaristischen und soldatischen Prinzipien geprägt, die sich aus seiner Biografie ergeben. Wichtige Begriffe waren für ihn vor allem die soldatische Kameradschaft und die militärische Disziplin, die für ihn nicht nur im Feld, sondern auch in all seinen persönlichen und dienstlichen Beziehungen leitend waren. Auch in seiner Personalpolitik in seinen zahlreichen Ämtern machte Göring persönliche Treue zur wesentlichen Voraussetzung für die Auswahl seiner engsten Mitarbeiter. Ideologische Erwägungen spielten dabei hingegen keine Rolle. Stattdessen vertraute Göring auf Erfahrung und Sachkenntnis, die ihm in der Regel die unpolitisch gebliebenen Teile der Beamtenschaft und parteiferne Experten eher garantieren konnten als die Parteikader. Abgesehen von dieser preußisch-militaristischen Grundüberzeugung offenbarte Göring allerdings wenig von seinen ideologischen Positionen. Selbst engste Mitarbeiter waren nicht in der Lage, hinter seinen Aktivitäten ein Programm zu entdecken oder besondere Leitsätze. Einzig sein strikter Antikommunismus kann wohl als Leitlinie seiner politischen Entscheidungen der ersten Jahre gelten. Der Rassenideologie Hitlers konnte er hingegen, obgleich er die Nürnberger Rassegesetze und andere diskriminierende Maßnahmen mitgetragen hatte, nach eigener Aussage nichts abgewinnen. Besonders die „biologisch-geographische Rechtfertigung“ der Politik Hitlers betrachtete er mit Skepsis. Dies zeigte sich auch in seinem Verhältnis zum Judentum. Eine besondere Abneigung gegen Juden trieb ihn nicht. Zwar unterstützte er ihre Entrechtung und Vertreibung, dies aber vornehmlich deshalb, weil sich damit dringend benötigte Gelder für die Aufrüstung aufbringen ließen, für die er im Rahmen des Vierjahresplans verantwortlich war. Das soll keinesfalls heißen, dass er mit ihnen in irgendeiner Form Mitleid gehabt hätte. Die deutschen Juden waren ihm weitgehend egal. Er legte die Rassegesetze aber selbst sehr großzügig aus. Für seinen Staatssekretär Erhard Milch z.B., der als Halbjude galt, besorgte er eine gefälschte Geburtsurkunde und kommentierte dies anschließend mit dem Satz „Wer Jude ist, bestimme ich!“ Auf der anderen Seite kündigte er aber nach der Reichskristallnacht – sehr zur Freude von Joseph Goebbels – auch „eine große Abrechnung an den Juden“ für den Fall eines größeren außenpolitischen Konfliktes an. So zeigte sich Göring im Denken und Handeln außerordentlich flexibel und vermochte sich schnell auf veränderte Umstände einzustellen.

Görings Auftreten[]

Mussolini-Goering

Besonders in Italien stieß Görings ungezwungenes Auftreten auf Gegenliebe

Görings persönliches Auftreten bildete einen scharfen Kontrast zu demjenigen seines Vorgängers. Hitler war einerseits außerordentlich charismatisch, konnte durch seine feurigen Reden die Massen begeistern und wichtige Förderer für sich einnehmen. Viele seiner Weggefährten wie Propagandaminister Goebbels berichteten, dass seine bloße Präsenz sie in einer Weise inspirieren konnte, die fähig war, alle Zweifel im Nu zu zerstreuen und sie in ihrem unbedingten Glauben an den Führer und dessen Ziele zu festigen. Andererseits war er aber auch außerordentlich volatil und cholerisch. Berüchtigt waren seine scheinbar endlosen Schimpftiraden, durch die er selbst engste Weggefährten so gewaltig zu strafen wusste, dass sie ins völlige Nichts sanken und kaum noch zu atmen wagten. Wer Hitler persönlich kannte, den erfüllte eine Kombination aus fanatischer Ergebenheit und panischer Angst. Göring hingegen legte großen Wert auf ein kultiviertes Auftreten, dem er auch durch seine umfangreiche private Kunstsammlung Ausdruck zu verleihen suchte. Er galt als redegewandt, intelligent und scharfsinnig, ihm fehlten jedoch das demagogische Geschick und das Charisma Hitlers. Außerdem trat Göring deutlich offenherziger auf, was ihm die Knüpfung neuer Kontakte erleichterte. Nach einer seiner ersten Italienreisen notierte der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl, Ulrich von Hassell, Göring sei es dank seinem „frischen und der italienischen Mentalität sehr zusagenden ungezwungenen Auftreten" gelungen, „einen starken persönlichen Erfolg zu verzeichnen". Diese Ader sorgte auch dafür, dass er in der Bevölkerung als einer der nahbarsten Vertreter der obersten NS-Führung galt. Trotz seiner Eitelkeit, seiner Sammelleidenschaft für Ämter, Uniformen und Orden und seines Hangs zu Prunk und Pomp, der im Volk eher wohlwollendes Schmunzeln als Ablehnung hervorrief, gelang es ihm, sich volksnah zu inszenieren. Hartnäckig hielten sich Gerüchte über seinen Sinn für Selbstironie, indem er angeblich jeden über sich kursierenden Witz eifrig sammelte. Bei all diesen positiven Eigenschaften, die Göring von unterschiedlichsten Seiten attestiert wurden, sollte jedoch keinesfalls vergessen werden, dass es sich bei Göring immer noch um einen kaltblütigen, mitleidslosen und brutalen Machtmenschen handelte, dem jedes Mittel recht war, um seine politischen Ziele zu erreichen. Skrupel oder gar moralische Bedenken waren ihm fremd.

Henderson Goering

In der Außenpolitik gab er sich eisern: Hermann Göring im Gespräch mit dem britischen Botschafter Nevile Henderson

Ein anderer Zug der Persönlichkeit Görings war vor allem im außenpolitischen Bereich von nicht unerheblicher Relevanz. Denn anders als Hitler, der gegenüber dem Ausland abwartend und verschlagen agierte, niemals seine Pläne gänzlich offenlegte und seine Verhandlungspartner auch bisweilen durch Lügen und Vertuschung bewusst in die Irre führte, spielte Göring gern mit offenen Karten. Es lag ihm nicht, langsam und in kleinen Schritten seinen Zielen näherzukommen. Aus Rücksicht auf Befindlichkeiten seiner Gesprächspartner seine Forderungen zurückzuhalten, war nicht sein Stil. Stattdessen mutete Göring sowohl Italienern als auch Briten von Anfang an die Anerkennung deutscher Revisionsforderungen und damit einer neuen deutschen Großmachtrolle zu und suchte auf dieser Basis eine Annäherung. Dies zeigte sich z.B. bei den Rüstungsgesprächen in London 1933, bei denen Göring eisern auf Zugeständnissen bei der deutschen Luftrüstung beharrte. Zu Beginn seiner außenpolitischen Aktivitäten war ein solches Arrangement noch nicht zu erreichen, allerdings hatten sich seit 1933 die geopolitischen Rahmenbedingungen gewandelt. Dennoch war Görings außenpolitisches Ansehen vor allem in Großbritannien stark angeschlagen. Seit dem Reichstagsbrand traute die englische Presse ihm nicht mehr über den Weg. Er galt dort als Fanatiker, der zur Erreichung seiner Ziele nicht einmal davor zurückschreckte, sein eigenes Parlamentsgebäude in Brand zu stecken. Weitere Nahrung erhielt diese negative Grundstimmung 1934 durch die ‚Nacht der langen Messer‘ und 1938 durch die Reichskristallnacht, die maßgeblich von ihm orchestriert worden war. Auf der anderen Seite nahm das Ausland aber auch seine ideologischen Auseinandersetzungen v.a. mit Goebbels, Heß, Himmler und Rosenberg interessiert zur Kenntnis, die den Eindruck erweckten, dass Göring sich mit der Partei entzweien könnte und eher dem Wilhelminismus zuneige als dem Hitlerismus.

Görings Intrigantentum[]

Fritsch-Blomberg

Görings Intrigen brachten viele mächtige Männer zu Fall, u.a. Werner von Fritsch und Werner von Blomberg

Obgleich Göring die Verschlagenheit Hitlers fehlte, hatte er doch ein Talent für das Inszenieren von Intrigen und Affären. Er wusste die Schwächen seiner Gegner auszukundschaften und für den Erhalt und Ausbau seiner eigenen Macht zu nutzen. Wie bereits erwähnt war er 1934 an führender Stelle an der Beseitigung der Führung der SA beteiligt, die er einst selbst aufgebaut hatte, um ihren Aufstieg zur revolutionären Volksarmee zu verhindern. 1938 beseitigte er in der Hoffnung, selbst Oberbefehlshaber der Wehrmacht zu werden, zunächst den Kriegsminister Werner von Blomberg, der eine 35 Jahre jüngere Frau geheiratet hatte, die bei der Berliner Polizei als Prostituierte bekannt war. Anschließend nahm er sich Blombergs bereits von Hitler designierten Nachfolger, den Oberbefehlshaber des Heeres Werner von Fritsch, vor, den er unter dem Vorwurf einer homosexuellen Beziehung diskreditierte. Ende 1938 hätte er beinahe auch Propagandaminister Goebbels aus der Regierung hinausgedrängt, nachdem Göring dessen Affäre mit der tschechischen Schauspielerin Lída Baarová Hitler gegenüber aufgedeckt hatte. Nach all den Intrigen, die seit der Machtergreifung von Göring ausgegangen waren, musste jedem im engeren Führungszirkel klar sein, mit welchen Machtmitteln sich der Luftwaffen- und Preußenchef versorgt hatte und wie er diese einzusetzen gedachte. Für jeden Konkurrenten ließ sich eine Staatsaffäre konstruieren. Für jeden von ihnen würde Göring sich eigens diese Mühe machen, sollte es nötig werden.

Göring zwischen Partei und Militär[]

Besondere Fähigkeiten zeigten sich bei Göring, wann immer es darum ging, die eigene Position zu stärken oder zu verteidigen. Gezielt ergriff er jede sich bietende Gelegenheit, die verschiedenen Kräfte innerhalb der NS-Polykratie gegeneinander auszuspielen und seine Machtbasis zu vrbreitern. Dies führte jedoch auch dazu, dass er von keinem der wesentlichen Machtfaktoren als einer der ihren wahrgenommen oder akzeptiert wurde. Dies führte zu einer bemerkenswerten Sonderstellung Görings zwischen den innenpolitischen Fronten von Partei, Staat, Militär und Wirtschaft. Die alten NSDAP-Kader betrachteten seinen Aufstieg mit großem Misstrauen. Für sie war er kein echter Nationalsozialist, sondern ein opportunistischer, ausgedienter Offizier, der die Partei vornehmlich als Sprungbrett nutzen wolle, um gegenüber der Generalität an Macht und Einfluss zu gewinnen. Im Herzen sei er aber vor allem sich selbst und seinem persönlichen Ruhm verpflichtet, nicht den Idealen Hitlers und der Partei, die er geformt hatte. In diesen Tenor stimmten auch viele der inzwischen vollkommen dem Nationalsozialismus dienstbar gemachten Reichsministerien ein, die immer wieder davor warnten, Göring verfolge eine eigene Agenda mit abweichlerischer Zielsetzung, die Partei und Staat schaden könnten.

Göring und Raeder

Görings Verhältnis zur übrigen Militärführung (hier im Gespräch mit Generaladmiral Erich Raeder) war unterkühlt

Auf der anderen Seite stand ihm aber auch die Wehrmachtsführung reserviert gegenüber. Für die Generalität war er nicht der Weltkriegsflieger und der hochdekorierte Kriegsheld, sondern der ausrangierte Hauptmann, dessen Ziel es sei, die Führungsspitze des Militärs zu beseitigen, um die Wehrmacht Hitlers Willen und dessen politischen und ideologischen Vorgaben zu unterwerfen. Der Emporkömmling, der 1933 vom Hauptmann a.D. direkt zum General befördert und zum Chef der Luftwaffe, eines neuen dritten Truppenteils, ernannt worden war, wurde nicht als gleichwertig anerkannt. Bis 1936 verweigerten ihm die Generäle kollektiv die militärische Anrede und sprachen ihn stattdessen als ‚Herr Ministerpräsident‘ an. Seit Göring 1936 zum Beauftragten für den Vierjahresplan ernannt worden war, befand er sich zudem sowohl mit der Wehrmachtsführung als auch mit den Wirtschaftsführern im ständigen Streit über die Zielsetzungen der Autarkie- und Rüstungspolitik, die er vorgab. So war Göring mit allen wesentlichen Schaltstellen des Reiches eng verwoben, konnte dabei aber keinem ‚Lager‘ zugeordnet werden. So fehlten ihm zwar einerseits die natürlichen Verbündeten, andererseits ermöglichte ihm dies aber auch, sich ein Höchstmaß an Flexibilität und Unabhängigkeit zu bewahren und alle Teile des Systems je nach Bedarf in Nähe und Abstand halten zu können. Auch hatte er dadurch eine wichtige Brücken- und Klammerfunktion gegenüber den rivalisierenden Lagern, die er zu seinem persönlichen und politischen Vorteil zu nutzen wusste.

Görings Staatsauffassung[]

Ebenso wie die Partei Distanz zu Göring hielt, stand Göring seinerseits der Partei kritisch gegenüber. Görings Vorstellungen vom nationalsozialistischen Staat unterschieden sich wesentlich von denjenigen Hitlers und der NSDAP. Obgleich vereint in ihrer Ablehnung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, trennte beide doch ein ideologischer Grundkonflikt: Während für Hitler und den Großteil der Parteielite klar war, dass die nationale Revolution in irgendeiner Form zum Aufgehen des Staates in der Partei führen solle, hing Göring der Vorstellung eines ‚Staatsabsolutismus‘ an, der sich alle übrigen Strukturen unterzuordnen hatten. Hitler hatte 1934 auf dem Reichsparteitag verkündet, dass nicht der Staat der Partei, sondern die Partei dem Staat zu befehlen habe. Göring seinerseits erklärte 1933 bei der Eröffnung des Preußischen Staatsrates, nach der Machtergreifung und der „Vernichtung der Parteien“ habe die NSDAP als Massenorganisation ihren Daseinszweck erfüllt. Stattdessen solle sie zu einem kleinen Orden mit dem Ziel der Auslese des zukünftigen Führungspersonals zurückgebildet werden. Nicht die Partei, sondern der Staat als „militantes Wesen“, als Hobbes’scher Leviathan, war für ihn Ziel und Inbegriff allen politischen Strebens. Im Staat, der großen Reichsgemeinschaft, sollte das Individuum aufgeben. Dabei sollte der Staat jedoch nicht aus einer ideologischen Prägung heraus handeln, sondern gewissermaßen entsprechend einem ihm innewohnenden ‚Wesen‘, das unabhängig war von äußeren politischen Erwägungen. Immer wieder betonte er, dass der Staat nach „preußischen Traditionen" zu festigen und zu reorganisieren sei. Die Partei verstand er als ausführendes Organ, während Hitler den Staat mehr als ausführendes Organ der Partei betrachtete. Eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit hatten Hitler und Göring in staatsorganisationsrechtlichen Fragen dennoch: Beide blähten in ihrem Bestreben, die Macht einzelner Untergebener zu begrenzen, den Staatsapparat durch die Einsetzung einer Reihe von Sonderbeauftragten, Sonderbehörden und Bevollmächtigten auf, die neben den ordentlichen Staatsorganen und häufig auch in Konkurrenz zu ihnen bestanden. Dennoch setzte Göring im Ganzen klar auf die Staatsmacht als Herrschaftsorgan und bediente sich staatlicher Kompetenzen und Einrichtungen für den Ausbau seiner Machtstellung, während andere NS-Granden aus ihrer Stellung innerhalb der Partei heraus versuchten, Einfluss auf staatliche Stellen zu nehmen.

Dies führte dazu, dass Göring in allen seinen Ämtern den ideologisch motivierten Angriffen der Partei auf staatliche Strukturen entschieden entgegentrat. Görings Kritik richtete sich dabei häufig nicht allein gegen die „Münchner Partei-Spießer“, sondern bisweilen auch gegen Hitler selbst. Die Freihaltung der staatlichen Strukturen, der Verwaltung und der Beamtenschaft von ideologischer Vereinnahmung entsprach ganz seiner Staatsauffassung. In seinen Ämtern stärkte er bewusst die klassische Beamtenschaft gegenüber dem Parteibuchbeamtentum, das in anderen Ministerien längst Usus war. Der wehrhafte Staat bedurfte loyaler Mitarbeiter, die nur diesem verpflichtet waren und nicht einer bestimmten politischen Leitlinie. Auch sein konsequentes Festhalten am Land Preußen und sein Widerstand gegen die Reichsreform, wie sie Innenminister Wilhelm Frick verfocht, müssen vor diesem Hintergrund betrachtet werden. Besonders vehement bekämpfte Göring Ausschreitungen der Ordnungstruppen der Partei, SA und SS. Seine Flieger wies er an, sich in Auseinandersetzungen mit der SA zu wehren und sich nicht zusammenschlagen zu lassen. Als Himmlers SS 1934 die Aufsicht über die Konzentrationslager übernommen hatte, strengte Göring mehrere Verfahren gegen Lagerkommandanten und KZ-Wächter wegen Misshandlungen von Gefangenen an. Diese waren freilich nicht aus einer Sorge um die Unversehrtheit der Lagerinsassen geboren, sondern aus Sorge um den Machtausbau der SS im Nachgang der Ausschaltung der SA-Spitze. Verschiedentlich sprang er Justiz und Wehrmacht bei, wo es darum ging, den Einfluss von SA und SS zu begrenzen oder zurückzudrängen. Immer wieder forderte Göring Heß und Hitler schriftlich auf, nicht nur SA und SS, sondern alle Gliederungen und angeschlossenen Organisationen der Partei mitsamt ihrem Parteiapparat in einer systematischen Säuberungsaktion stalinistischer Art „von Elementen, an denen das Volk mit Recht Anstoß nimmt", zu befreien. Auch in der Kirchenfrage setzte er deutlich andere Akzente. In Preußen betrachtete er sich als Ministerpräsident als rechtmäßiges Oberhaupt der Evangelischen Landeskirche und suchte die Nähe zu den Kirchenführern, deren Stellung radikalere Parteivertreter zu beseitigen versuchten. Himmler ging dabei so weit, das Christentum als Ganzes als „geistige Versklavung der germanischen Lebensart“ zu betrachten. Der „orientalische Mysterienkult“ sollte langfristig durch ein germanisches Neuheidentum verdrängt werden.

Görings Schwachstellen[]

Hermann Göring war sicherlich eine schillernde Persönlichkeit, aber auch nicht ohne Fehler. Insbesondere zwei Eigenschaften machten ihn für Konkurrenten angreifbar.

Da war zum einen seine Drogensucht. Während des Hitlerputsches 1923 wurde Göring verwundet und konnte verletzt über die Grenze nach Österreich flüchten, wo er Morphium gegen seine Schmerzen bekam. Diese Behandlung machte ihn unverschuldet ein Leben lang zum Süchtigen. Mit den Jahren kamen zusätzliche Opiate hinzu, allen voran Paracodin. In den folgenden Jahren unternahm er verschiedene Entziehungskuren, maßgeblich unterstützt von seiner ersten Frau Carin. Dennoch wurde er immer wieder rückfällig. Die Abhängigkeit folgte dabei einem klar erkennbaren Schema: Wann immer Göring unter großen Stress geriet, stieg sein Konsum, um sich von der Last der Verantwortung zu betäuben.

In UZL waren besonders die Luftschlacht um England, der Bombenkrieg gegen deutsche Städte und die gescheiterte Luftbrücke nach Stalingrad Stationen, an denen sich sein Zustand spürbar verschlimmerte. In jedem dieser Fälle war die Suchtsteigerung Ergebnis eines gravierenden persönlichen Misserfolgs, der sein Ansehen in den Augen Hitlers schmälerte.

In der AZL dürften wohl vor allem der wirtschaftliche Zusammenbruch, ein Putschversuch vonseiten der SS und/oder der Partei, ein Konflikt mit dem Militär oder ein Volksaufstand eine ähnliche Wirkung entfalten, sodass also mit einer im zeitlichen Ablauf vergleichbaren Abwärtsspirale zu rechnen wäre. Das Ergebnis wäre eine beträchtliche Leistungsminderung gewesen, die Göring stunden-, wenn nicht tagelang unansprechbar hätte werden lassen. Schnelles Handeln wäre für ihn daher phasenweise nicht möglich gewesen. Diesen Umstand hätte ein Konkurrent selbstverständlich ausnutzen können. Auch innerhalb der Führungsriege des Regimes wäre die Drogensucht des Reichsmarschalls wohl aufmerksam registriert worden. Es wäre für ihn mit den Jahren immer schwerer geworden, einen Ausgleich zwischen den auseinanderdriftenden Vorstellungen dessen herzustellen, wie der Nationalsozialismus zu funktionieren habe. Das Ergebnis wäre eine Zersplitterung von Partei und Reichsregierung entlang ideologischer Differenzen gewesen. Auf die Dauer hätte sich daraus eine Fraktionsbildung entspinnen können, also die Entwicklung einer organisierten Opposition innerhalb des Parlaments und von Flügelkämpfen innerhalb der Partei, wie es sie seit den frühen 1930er Jahren nicht mehr gegeben hatte, für die aber zweifelsfrei das Potential bestand.

Der zweite wesentliche Makel Görings hätte ebenfalls großes Potential gehabt, Görings Ansehen und Machtstellung Schaden zuzufügen: Sein Hang zum Großmäuligen. Göring hatte ein unrühmliches Talent dafür, Zusagen zu machen, von denen allen Beteiligten klar sein musste, dass die völlig illusorisch waren und niemals würden eingehalten werden können. Dieser Zug der Persönlichkeit des Reichsmarschalls hatte seiner bisherigen Karriere nicht geschadet, da Situationen, in denen er zur Geltung kommen konnte, nicht mit ausreichender Häufigkeit eintraten, allerdings hätte die Zukunft hierfür einiges bereit gehalten.

In UZL wurde die Liste der uneingelösten Versprechungen Görings während des Zweiten Weltkrieges immer länger. Einmal betraf es die Aufrüstung der Luftwaffe. Während Görings Mitarbeiter im Ministerium ihm eine realistische Prognose für den Vierjahresplan präsentierten, versprach er Hitler gegenüber, nachdem der sich über die unzureichenden Bemühungen des Luftfahrtministeriums beklagt hatte, ein Rüstungsprogramm, das beinahe das dreifache der ursprünglichen Planung enthielt und von allen Beteiligten als völlig größenwahnsinnig betrachtet wurde. Entsprechend wurden die Rüstungsziele der Luftwaffe nicht einmal im Ansatz erreicht.

Auch als Oberbefehlshaber der Luftwaffe im Krieg machte Göring immer wieder Zusagen, die er nicht einhalten konnte. So versprach er Hitler 1940, dass die Royal Air Force innerhalb von vier Tagen völlig ausgelöscht werden könne. Dieser vorauseilende Gehorsam Hitler gegenüber, der selbst Hitlers Pläne zu unambitioniert wirken ließ, rächte sich bitter. Nach vier Monaten musste die Luftwaffe die Angriffe auf England einstellen. Noch 1939 hatte Göring, wie es der Volksmund kolportierte, angeblich erklärt, er wolle Meier heißen, wenn jemals ein britisches Flugzeug eine deutsche Stadt erreichen würde. Nur wenige Monate später flog die Royal Air Force ihren ersten Bomber-Angriff gegen die Reichshauptstadt, dem in den kommenden Jahren noch hunderte folgen sollten. Und auch vor Stalingrad musste Göring schlussendlich einsehen, dass die von ihm vollmundig versprochene Luftbrücke zur Versorgung der eingeschlossenen 6. Armee nicht zu realisieren war.

Auch außenpolitisch zeigte sich dieser Zug in seinen Geheimverhandlungen mit den Briten. Nach Beginn des Polenfeldzuges bot er über seinen Mittelsmann Birger Dahlerus an, Hitler zu entmachten und in die Position eines rein repräsentativen Staatsoberhauptes abzudrängen. Damit überschätzte Göring seine Möglichkeiten beträchtlich, so er denn jemals ernsthaft daran gedacht hat, diese Zusage tatsächlich einzulösen. Ein Hitler ohne reale Macht, das wäre völlig unvorstellbar gewesen. Niemals und unter gar keinen Umständen hätte der "Führer" sich damit abgefunden.

Wenngleich diese übereifrigen und letztlich fatalen Zusagen wohl zu einem guten Teil seinem Verhältnis zu Hitler zuzurechnen sind, den er beeindrucken wollte, so ist doch fraglich, ob Göring selbst wider besseres Wissen oder aus Überzeugung handelte. An dieser Frage müsste sich entscheiden, inwieweit und an welchen Stellen seine Überheblichkeit Göring das Regieren erschwert und Vertrauen verspielt hätte. Des Weiteren wäre entscheidend, wem gegenüber er solche Zusagen hätte machen sollen. Rechenschaft wäre er als Diktator jedenfalls niemandem mehr schuldig gewesen. Gegenüber ausländischen Verhandlungspartnern sind sie, wie oben erwähnt, belegt. Sonst kommen aber wenige Stellen in Betracht, die er hätte derart für sich gewinnen müssen. Am wahrscheinlichsten wären sie wohl noch innerhalb des Kabinetts. Dazu hätten allerdings in diesem Kreis die übrigen Minister so massiven Druck aufbauen müssen, dass es schon an Putsch grenzen würde. Ob sich die Führungsspitze des Reiches dazu hätte hinreißen lassen, ist zweifelhaft.

Ein unfeiner Zug Görings betrifft seinen Umgang mit Krisen. Denn im gleichen Maße, in dem er an seinen eigenen Versprechungen scheiterte, scheiterte er auch an grundlegender Selbstkritik. An seinem Versagen war niemals Göring selbst schuld. Insbesondere gegenüber Hitler wusste der Reichsmarschall immer einen Sündenbock vorzuschieben, wenn er um seinen Einfluss auf den Führer fürchten musste. So schob er die schleppende Luftrüstung seinem engen Vertrauten, dem Generalluftzeugmeister Ernst Udet in die Schuhe, der an dem dadurch aufgebauten Druck zerbrach und sich 1941 das Leben nahm. Seine letzten Worte waren: "Eiserner, du hast mich verraten!". Den Generalstabschef der Luftwaffe, Hans Jeschonnek, trieb er nach der verlorenen Luftschlacht um Endland so ebenfalls in den Suizidf. Auch nach der gescheiterten Versorgung der 6. Armee in Stalingrad versuchte Göring, die Verantwortung auf seinen Stellvertreter Erhard Milch abzuwälzen. Dieser Zug Görings hätte sicherlich auch in dieser Zeitlinie innerhalb der Reichsregierung und in seinem engsten Mitarbeiterstab für einige Probleme gesorgt. Gerade die Finanz- und Versorgungskrise der frühen 1940er Jahre hätte wohl einige Untergebene den Kopf gekostet, um seine Fehlplanung als Chef der Vierjahresplanbehörde zu verschleiern. Auch bei eventuellen militärischen Unternehmungen in späterer Zeit hätte Göring Misserfolge gezielt Untergebenen anzulasten versucht. Trotz dieser latenten Illoyalität seinen Untergebenen gegenüber verfügte Göring über die Jahre weiterhin über beträchtliche personelle Ressourcen und stellte sich in anderen Fällen immer wieder auch schützend vor seine Leute.

Görings Mitarbeiter[]

Paul Körner

Paul Körner (1893-1957), leitender Staatssekretär in der Preußischen Staatskanzlei sowie in der Vierjahresplanbehörde

Görings außergewöhnliche Machtstellung innerhalb des Dritten Reiches ist angesichts dieser Gemengelage nicht erklärbar ohne ein hohes Maß an Organisationstalent und strategischem Denken. Die zahlreichen Posten, Ämter und Aufgaben ließen sich nur bewältigen, indem er sich fähige, loyale und selbstständig denkende Mitarbeiter suchte, die in der Lage waren, die Geschäfte in eigener Verantwortung und ohne seine permanente Präsenz und Anleitung zu führen. Dieser eher lockere Führungsstil erlaubte es Göring einerseits, nicht den Überblick zu verlieren, andererseits erweckte er aber bei seinen Untergebenen auch den Eindruck, dass er sich für die tatsächliche Arbeit nicht interessierte und insbesondere das Luftfahrtministerium mehr aus Prestigegründen denn aus wirklichem Interesse an der Luftfahrt als solcher betrieb. Die einzelnen Dienststellen besuchte er eher sporadisch.

Karl Bodenschatz

Karl Bodenschatz (1890-1979), persönlicher Adjutant Görings und Leiter des Ministerbüros im Luftfahrtministerium

Den Überblick und die Koordination seiner zahlreichen Aktivitäten erlaubte ihm das ‚Stabsamt‘, das als zentraler Dreh- und Angelpunkt des Göring’schen Machtapparates in der Preußischen Staatskanzlei angesiedelt war. Von hier gingen die wesentlichen Impulse für die Arbeit der verschiedenen Institutionen und Behörden aus, denen der Feldmarschall vorstand. Sein engster Führungskreis rekrutierte sich, anders als derjenige Hitlers und entgegen den Vorstellungen der Partei, in aller Regel nicht aus den Parteikadern, sondern entweder aus persönlichen Vertrauten – bei denen es sich fast ausschließlich um ehemalige Weltkriegskameraden handelte – oder aus parteifernen Fachleuten, Juristen, Wirtschaftsführern, Verwaltungsbeamten und Verbandsvertretern. Seine Beamtenpolitik, die anders als auf Reichsebene und in anderen Ländern Preußen effektiv gegen eine Unterwanderung durch Parteibuchbeamte abschirmte, brachte ihm großen Respekt nicht nur seiner engeren Mitarbeiter ein, sondern auch solcher innerhalb der Beamtenschaft, die persönlich Distanz zum Nationalsozialismus wahrten. In vielen Fällen rekrutierte Göring auch Mitglieder der ehemaligen Rechtsparteien DNVP und DVP, sogar Versuche zur Anwerbung ehemaliger SPD-Mitglieder sind belegt. Dies galt für die Verwaltung Preußens ebenso wie für das Luftfahrtministerium oder die Vierjahresplanbehörde. Der harte Kern der etwa 25 "Göringianer", die die wesentlichen Schaltstellen im Machtapparat besetzten, änderte sich über die vielen Jahre nur unwesentlich. Wo dies notwendig war, wurden die vorhandenen Kräfte neu verteilt, um eine größtmögliche Bandbreite an Arbeitsfeldern zuverlässig abzudecken. So konnte der Reichsmarschall sich größtmögliche Unabhängigkeit von den Parteistrukturen und deren Protagonisten bewahren und sich einen Kreis von persönlichen Gefolgsleuten aufzubauen. So entstand ein persönlicher Machtapparat, der nicht durch die gemeinsame nationalsozialistische Ideologie, die Stellung in der Partei oder den Eid gegenüber dem Führer, sondern allein durch die persönliche Loyalität gegenüber der Person Hermann Görings zusammengehalten wurde.

Erich Gritzbach

Erich Gritzbach (1896-1968), Leiter des Stabsamtes des Preußischen Ministerpräsidenten

Besonders zu erwähnen sind hierbei das Flieger-Ass Ernst Udet, nach Manfred von Richthofen der Pilot mit den meisten Abschüssen, sowie seine Duzfreunde Paul Körner, mit dem er gemeinsam nach dem Weltkrieg Fallschirme verkauft hatte, und Karl Bodenschatz, Adjutant im von Göring geführten berühmten Richthofen-Geschwader. Udet wurde Chef der Luftrüstung im Luftfahrtministerium. Körner war 1939 Staatssekretär sowohl im preußischen Staatsministerium als auch in der Vierjahresplanbehörde und damit maßgebliches ausführendes Organ Görings. Karl Bodenschatz war persönlicher Adjutant Görings. Unter den parteifernen Fachleuten sticht Erich Gritzbach, ehemals persönlicher Referent des preußischen Reichskommissars und Vizekanzlers Franz von Papen hervor, der Leiter seines Stabsamtes wurde. Zudem war er ein enger Vertrauter des preußischen Finanzministers Johannes Popitz, der sich mit den Jahren vom Gegner zum Mitarbeiter Görings wandelte, ohne jemals gänzlich dem Nationalsozialismus zuzuneigen. Bis zuletzt pflegte er ein ausgedehntes Netzwerk von Kontakten auch zum zivilen Widerstand innerhalb des Großdeutschen Reiches.

Erich Neumann

Erich Neumann (1892-1951), Staatssekretär in der Vierjahresplanbehörde

Des weiteren sind hier der Arbeitgebervertreter Ludwig Grauert, der Görings maßgeblicher Wirtschaftsberater wurde, Friedrich Gramsch, der Göring in Fragen der Reichsreform beriet und Erich Neumann zu nennen, der in Görings Auftrag die preußische Verwaltung neu organisierte und später maßgeblicher Koordinator innerhalb der Vierjahresplanbehörde wurde. Im Kampf um die Unabhängigkeit der Beamtenschaft von der Partei war Hans Pfundtner sein wichtigster Verbündeter. Alle vier standen der DNVP nahe.

Zu Görings wenigen Verbündeten innerhalb der Partei zählten die Minister Hanns Kerrl und Bernhard Rust, die Göring große Verehrung entgegenbrachten und mit ihm wesentliche Grundgedanken über den wünschenswerten Aufbau des NS-Staates teilten. Beide waren bereits an seiner Machtergreifung in Preußen beteiligt gewesen. Kerrl war Landtagspräsident, Rust Kultusminister gewesen. Später stiegen beide in die Reichsregierung auf. Eine persönliche Freundschaft verband ihn darüber hinaus mit Hans Frank, dem wichtigsten Rechtstheoretiker der Partei und 1934 von Adolf Hitler zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich ernannt.

Görings Hausmacht: 1. Das Land Preußen[]

Die zentrale Machtbasis Görings war zwischen 1933 und 1939 unbestritten das Land Preußen, dessen Ministerpräsident und stellvertretender Reichsstatthalter er war. Preußen umfasste, trotz der erheblichen Gebiets- und Bevölkerungsverluste infolge des Versailler Vertrages, nach wie vor etwa zwei Drittel des gesamten Reichs. Bereits Reichskanzler Franz von Papen hatte ein Jahr zuvor die Ausschaltung Preußens als eigenständigen Machtfaktor betrieben, da das Land als Bollwerk gegen jegliche Zentralisierungsbestrebungen der Reichsleitung ein Dorn im Auge war. Demgegenüber gelang es Göring, den preußischen Staatsapparat erneut in Stellung zu bringen, wobei sein Beharren auf der Eigenständigkeit des Freistaates nur bedingt von eigenen Sympathien für den Föderalismus getragen war. Sein Anliegen war gegenteiliger Natur. Während vor allem Innenminister Frick und Hitler Preußen im Reich aufgehen sehen wollten, stellte Göring sich eine ‚Verpreußung‘ des Reiches, einen Umbau des Staatsgefüges nach preußischen Idealen und preußischer Verwaltungspraxis vor. Darüber hinaus war Preußen der Teil seines persönlichen Imperiums, über den Göring am freiesten verfügen und den er am nachhaltigsten prägen konnte, da er hier nicht von Kompromissen innerhalb der Reichsregierung abhängig war, sondern selbst im Wege der Landesgesetzgebung einen Staat nach seinen ganz persönlichen Vorstellungen schaffen konnte.

Eröffnung Staatsrat 1933

Eröffnung des Preußischen Staatsrates durch Ministerpräsident Hermann Göring in der Aula der Friedrich-Wilhelms-Universität, 15. September 1933

Ein wesentlicher Teil dieses persönlichen Regiments offenbart sich beim Blick auf den von Göring ins Leben gerufenen Preußischen Staatsrat. Anders als die Namensgleichheit mit dem Vertretungsgremium der Provinzen aus der Zeit vor 1933 nahelegt, handelt es sich bei dem neuen Organ um eine allein auf die Person und Bedürfnisse des Ministerpräsidenten zugeschnittene Möglichkeit, sich alte Weggefährten, Honoratioren und Experten zur Verfügung zu halten und ihren Rat in Anspruch nehmen zu können. Zugleich nutzte er dieses prestigeträchtige Gremium, um die preußischen SA- und SS-Führer sowie die Gauleiter der NSDAP in eine staatliche Organisation einzubinden und dadurch zu bändigen. Die Auswahl der in den Staatsrat zu berufenden Persönlichkeiten lag allein bei Göring selbst. An dieser Selbstermächtigung lassen sich die Grundzüge seiner Auffassung von der Neuordnung des Staates ablesen.

Entschieden verwahrte er sich dabei gegen den Vorwurf, mit dem Aufbau des Staatsrates einen Ersatz für den obsoleten Landtag schaffen und den Parlamentarismus lebendig halten zu wollen. Im Staatsrat sollten keine Abstimmungen stattfinden, sondern lediglich Empfehlungen ausgesprochen werden, die der Ministerpräsident annehmen oder ablehnen konnte, wie es ihm beliebte. Es sollte kein Platz mehr sein für den „Begriff der Mehrheit, jenen anonymen Majoritätsbegriff, der die Feigheit der Zahl zum Herrn erhoben hatte". Dennoch lassen sich in Görings Regierungsführung Reste ‚demokratischer‘ Verfahrensweisen nicht verleugnen. Denn bereits bei seiner Machtübernahme in Preußen hatte Göring einen Ausgleich der unterschiedlichen und widerstreitenden Interessen innerhalb der Landesregierung vor allem dadurch erreichen können, dass er zum klassischen Kollegialprinzip zurückgekehrt war und alle auftretenden Fragen in der großen Runde diskutiert wurden. Ein solcher Stil wäre Hitler, dessen Kabinett seit Jahren nicht mehr zu einer Sitzung zusammengekommen war, nie in den Sinn gekommen. Hitler war in seiner Regierungsführung absolut beratungsresistent und alle seine Minister wussten das. Göring wusste um die Kompetenz seiner Mitarbeiter und wusste sie für sich zu nutzen.

Görings preußische Bastion wurde in den ersten Jahren der NS-Herrschaft vor allem von Reichsinnenminister Wilhelm Frick bedroht. Dieser versuchte, die Landesministerien nach und nach aufzulösen und in die entsprechenden Reichsministerien zu überführen. Die Doppelstruktur von Reichs- und Landesbehörden sollte vollständig beseitigt werden. Göring verteidigte entschieden seine Landeshoheit und wusste dabei das Verwaltungsrecht geschickt gegen den Innenminister einzusetzen. Als Frick das preußische Innenministerium auflöste, um dadurch vor allem Zugriff auf die Gestapo zu erhalten, gliederte Göring diese kurzerhand in die Staatskanzlei um, sodass Frick sein eigentliches Ziel nicht erreichte und Hitler erst persönlich einschreiten musste, bis der Ministerpräsident die preußische Gestapo an Heinrich Himmler abgab. Vorausgegangen waren langwierige Verhandlungen, die schließlich dadurch zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden konnten, dass Frick und Hitler einem Tauschhandel zustimmten: Als Ausgleich für das preußische Innenministerium und die Gestapo erhielt Göring das neugeschaffene Reichsforstamt, das als Oberste Reichsbehörde völlig eigenständig war und dessen Chef mit dem Titel Reichsforst- und Reichsjägermeister Kabinettsrang erhielt. Damit hatte er einen ersten Fuß in der Wirtschaftspolitik, die später zur dritten Säule seiner Macht werden sollte. Außerdem bot das neue Amt die Möglichkeit, unter dem Vorwand von Jagdveranstaltungen auf Auslandsreisen Kontakte zu knüpfen und unauffällige Gespräche und Verhandlungen zu führen.

Görings Hausmacht: 2. Das Luftfahrtministerium[]

Richtfest Luftfahrtministerium

Richtfest des Reichsluftfahrtministeriums, 12. Oktober 1935

Görings zweites Standbein war seit 1933 das Luftfahrtministerium, das für ihn völlig neu geschaffen worden war. Das Ministerium diente einerseits zur Tarnung des Neuaufbaus deutscher Luftstreitkräfte, die durch den Versailler Vertrag gänzlich verboten worden waren, andererseits bot sich hier die Gelegenheit, verdiente Mitstreiter mit Posten zu versorgen. Das Luftfahrtministerium war in einen militärischen und einen zivilen Zweig geteilt. Im militärischen suchte Göring den Anschluss an Heer und Marine und eine ebenbürtige Stellung für die neu zu bildende dritte Teilstreitkraft der Wehrmacht, was ihm langfristig einen persönlichen Zugang zu Generalität und Admiralität sichern sollte. Im zivilen Sektor suchte er die enge Verzahnung mit der Wirtschaftselite des Reiches, die durch Rüstungsaufträge und Beraterposten für den Minister eingenommen werden sollten. Das Luftfahrtministerium diente auch als außenpolitische Schnittstelle. Durch die gegen den Willen des Auswärtigen Amtes berufenen Luftfahrt-Attachés, die an zahlreichen Auslandsvertretungen ansässig waren, verfügte der Feldmarschall über eigenständige Informationsquellen im Ausland, die häufig sogar besser informiert waren und unauffälliger Daten sammeln konnten als die Botschafter selbst.

Darüber hinaus baute Göring mit dem Forschungsamt (FA), das dem Namen nach dem Luftfahrtministerium unterstand, strukturell aber der Preußischen Staatskanzlei, einen eigenen Geheim- und Nachrichtendienst auf, der als einzige Stelle im Reich befugt und technisch in der Lage war, Telefon-, Telegrafen- und Funküberwachung durchzuführen. Auch Gestapo und SD waren auf die Dienste dieser Abteilung angewiesen, deren Nachrichten-Output Göring kontrollierte. Dabei beschränkte sich Görings Geheimdienst keineswegs auf die Überwachung von feindlichen Agenten oder Regimegegnern, sondern nahm auch gezielt die Konkurrenten im inneren Machtzirkel des Dritten Reichs unter die Lupe. So konnten umfangreiche Karteien über nahezu jede hochgestellte Persönlichkeit der NS-Führungsriege zusammengestellt werden, die Göring bei Bedarf erpresserisch oder zerstörerisch einzusetzen wusste.

Görings Hausmacht: 3. Die Vierjahresplanbehörde[]

Göring Vierjahresplan 1936

Hermann Göring verkündet im Berliner Sportpalast den Vierjahresplan, der die deutsche Wirtschaft kriegsbereit machen sollte

Ab 1936 verbreiterte sich Görings Machtbasis noch einmal beträchtlich. Zur Umsetzung seiner Autarkie- und Rüstungspolitik, die eine deutsche Kriegsbereitschaft bis 1940 zum Ziel hatte, verkündete Hitler auf dem Reichsparteitag seinen Vierjahresplan und setzte am 18. Oktober per Erlass Hermann Göring als dessen Durchführungsbeauftragten ein. Die daraus entstandene Vierjahresplanbehörde wurde Oberste Reichsbehörde und damit den Reichsministerien gleichgestellt. Sie erhielt umfassende Weisungsbefugnisse gegenüber der gesamten Privat- und Wehrwirtschaft. Sie übernahm die Kontrolle über den Rohstoff- und Devisenhandel und schloss sogar in eigener Machtvollkommenheit Handelsverträge mit ausländischen Mächten ab. Göring avancierte durch diese Ernennung auf einen Schlag zum ‚Wirtschaftsdiktator‘. In seiner neuen Funktion knüpfte er enge Kontakte zu den wichtigsten Rüstungsbetrieben und Industriemagnaten des Reiches. Auch für die Privatwirtschaft führte kein Weg mehr an ihm vorbei. Der eigentliche Mitarbeiterstab der Behörde war mit etwa 200 Beamten überschaubar. Im Rahmen des Vierjahresplans wurden auch die ‚Reichswerke Hermann Göring‘ gegründet, ein gewaltiger Staatsbetrieb, der im Rahmen der Autarkiepolitik all diejenigen Wirtschaftszweige abdecken sollte, die für die private Wirtschaft zu unrentabel schienen, wie z.B. die Verhüttung armen Eisenerzes. Dadurch wurde Göring nicht nur Koordinator aller wirtschaftlichen Belange des Reiches, sondern zugleich selbst Teil der Wirtschaftselite, deren Kooperation er zu sichern suchte.

Der Griff nach der Macht[]

Im undurchsichtigen Geflecht des Dritten Reiches hatte Göring sich somit ein höchstmögliches Maß an unzusammenhängenden Einzelposten gesichert, die alle auf ihre Art einen wesentlichen Beitrag zu seiner Machtentfaltung leisteten. Er war Preußischer Ministerpräsident, Präsident des Preußischen Staatsrates, Präsident des Reichstages, Stellvertretender Vorsitzender des Reichsverteidigungsrates, Reichsminister der Luftfahrt, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Beauftragter für den Vierjahresplan, Reichsbeauftragter für Rohstoff- und Devisenfragen, Leiter der staatseigenen Reichswerke Hermann Göring, Mitglied des Geheimen Kabinettsrates, Reichsforst- und Reichsjägermeister. Eine vergleichbare Ämterfülle hatte kein anderes Mitglied der NS-Führungselite vorzuweisen. Dies konnte ein Vor- und Nachteil zugleich sein. Einerseits sorgte dies, wie bereits erwähnt, für einen hohen Koordinierungsaufwand, andererseits auch für eine große Vielseitigkeit und Breite seiner Machtbasis.

Als Hitler am 20. April 1939 sein Leben verlor, war Göring also mit ausreichenden Machtmitteln ausgestattet, seinen Anspruch durchzusetzen, und willens, dies auch zielstrebig und skrupellos zu tun. Er wusste nur zu gut, dass in kritischen Situationen schnelles Handeln erforderlich war. Dass er dazu in der Lage war und dieses Handeln taktisch klug zu inszenieren wusste, beweisen Fälle wie sein Kampf um die Oberhoheit über die Preußische Geheimpolizei 1934 oder die freilich unrühmliche Ummünzung der Zerstörungen im Rahmen der Novemberpogrome 1938 in eine Strafsteuer, die den Juden selbst auferlegt wurde, um dem Staat Schäden an ihrem eigenen Eigentum zu ersetzen.

Göring sei zugetraut, auf den Ernstfall seit 1934 vorbereitet gewesen zu sein. Sein gesamtes Handeln innerhalb der nationalsozialistischen Polykratie war systematisch darauf ausgerichtet, sich eine möglichst große Hausmacht und damit ideale Voraussetzungen für eine Übernahme der Regierungsverantwortung zu schaffen. Wo es der eigenen Initiative bedurfte und wo er die Gelegenheit sah, seinen Ruhm und sein Ansehen zu mehren, ergriff er die Initiative (insbesondere 1934 beim Röhm-Putsch sowie 1938 beim Anschluss Österreichs und der Ausschaltung der Wehrmachtsführung), wo es dienlicher war, sich Hitler gänzlich unterzuordnen, ordnete er sich Hitler unter. Sein Übereifer beim Überfall auf Polen, den er selbst bis zuletzt durch Geheimverhandlungen zu verhindern versucht hatte, zeigt deutlich diese konträren Tendenzen auf. Wo es unumgänglich war, um seine Position zu schützen, scheute er aber auch nicht davor zurück, den Konflikt mit Hitler selbst in Kauf zu nehmen, immer im Vertrauen auf seine Unersetzlichkeit. So verhinderte er in seiner Rolle als Preußischer Ministerpräsident durch vehementes Beharren auf seiner Position den weiteren Fortschritt der von Innenminister Frick angestoßenen Reichsreform, die die bisherigen Länder durch Reichsgaue ersetzen und damit dem Neben- und Gegeneinander verschiedener staatlicher und außerstaatlicher Institutionen in der Verwaltung ein Ende bereiten sollte. Verschiedenen Berichten zufolge soll Hitler schließlich eingelenkt und die Reichsreform abgebrochen haben, nachdem Göring offen mit seinem Rücktritt von allen Ämtern gedroht hatte.

Was hätte Göring also im Anschluss an das Attentat auf Hitler tun müssen, um seine Position durchzusetzen? Zunächst einmal hätte er das tun müssen, wozu ihn Hitler selbst in seinem Ernennungserlass verpflichtet hatte:

„Er hat unmittelbar nach meinem Tode die Mitglieder der Reichsregierung, die Wehrmacht des Deutschen Reiches sowie die Formationen der SA und SS auf seine Person zu vereidigen.“

Ein erster Schritt wäre also gewesen, sich von Hans Heinrich Lammers Abschriften des Gesetzes und des Erlasses zu besorgen, mit denen Göring zum Nachfolger eingesetzt worden war, und anschließend alle im Erlass Aufgezählten schnellstmöglich in die Neue Reichskanzlei zu beordern, um ihnen den geforderten Eid abzunehmen. Von einer Anwesenheit aller fraglichen Personen in Berlin kann an diesem Tag ohne Zweifel ausgegangen werden. Dies hätte mindestens betroffen:

  • Alle Mitglieder der Reichsregierung Hitler (Wilhelm Frick, Joachim von Ribbentrop, Walther Funk, Lutz von Krosigk, Franz Seldte, Franz Gürtner, Wilhelm Ohnesorge, Julius Dorpmüller, Walther Darré, Joseph Goebbels, Bernhard Rust, Hanns Kerrl, Rudolf Heß, Hans Frank, Hjalmar Schacht, Otto Meissner, Hans Heinrich Lammers)
  • Die Führungsspitzen der Wehrmacht (Generaloberst Walther von Brauchitsch, Großadmiral Erich Raeder, General der Artillerie Wilhelm Keitel sowie evtl. Generaloberst Erhard Milch als leitenden Staatssekretär im Luftfahrtministerium und Stellvertreter Görings; ggf. auch die Generalstabschefs General der Artillerie Franz Halder, Oberst Hans Jeschonnek, Admiral Otto Schniewind und Oberst Walter Warlimont)
  • Den Chef des Stabes der SA Viktor Lutze
  • Den Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler

Es ist unwahrscheinlich, dass im Fall einer so zügigen Durchsetzung des Nachfolge-Erlasses nennenswerter Widerspruch aufgekommen wäre. Eine Weigerung wäre einem Rücktritt gleichgekommen. Man darf mit einigem Recht davon ausgehen, dass die meisten der Anwesenden völlig überrumpelt worden wären und allein schon deshalb den Eid kaum verweigert hätten. Doch auch die Sorge um die eigene Macht und den eigenen Einfluss hätte wohl ihren Teil dazu beigetragen, dass sich alle Beteiligten zumindest zähneknirschend in die neuen Realitäten gefügt hätten. Ein Bürgerkrieg oder völlige Anarchie auf Reichsebene konnten in niemandes Interesse sein.

Auch Göring musste in diesem kritischen Moment daran gelegen sein, zunächst alles beim Alten zu lassen und keine vorschnellen Umverteilungen von Posten oder Zuständigkeiten vorzunehmen. Ein solches Vorgehen war einerseits der Stabilisierung der Herrschaft des NS-Regimes als Ganzem dienlich – ein bruchloser Übergang garantiert Kontinuität und Verlässlichkeit und beseitigt Zweifel am Funktionieren des Transitionsmechanismus – andererseits aber auch der Absicherung seiner eigenen Position, da jede unmittelbare Auswechslung eines Teils des Führungspersonals den Rest verunsichert und ggf. gegen Göring aufgebracht hätte. Ohnehin hätte er kaum die Zeit gehabt, innerhalb weniger Stunden ein vollständiges Personaltableau vorzubereiten.

Es ist also davon auszugehen, dass die Reichsregierung – abgesehen von ihrem Chef – am Morgen des 21. April 1939 immer noch die gleiche gewesen wäre wie am Tag zuvor. Die bestehenden Strukturen waren erprobt und die Amtsinhaber in ihre Tätigkeiten eingearbeitet, sodass die Regierung unmittelbar dort hätte anschließen können, wo sie tags zuvor aufgehört hatte.

Nicht weniger wichtig wäre es gewesen, die Nachfolgeregelung auch nach außen zu kommunizieren. Insbesondere, da sie als ‚Geheime Reichssache‘ behandelt und nicht im Reichsgesetzblatt veröffentlicht, geschweige denn öffentlich proklamiert worden war. Hitler selbst hat dies am 1. September 1939 vor dem Reichstag nachgeholt, als er den Kriegszustand mit Polen erklärte („Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!“). Dort erklärte er vor der gesamten deutschen und der Weltöffentlichkeit in einer durch das Radio live übertragenen Rede:

„Sollte mir in diesem Kampfe nun etwas zustoßen, dann ist mein erster Nachfolger Parteigenosse Göring. Sollte auch Parteigenossen Göring etwas zustoßen, ist der nächste Nachfolger Parteigenosse Heß. Sie würden diesen dann als Führer genauso zu blinder Treue und Gehorsam verpflichtet sein wie mir.“

In ähnlicher Weise dürfte eine öffentliche Proklamation Görings am Morgen des 21. April zu erwarten sein. Dass der Reichstag sich kurzfristig für eine solche Proklamation einberufen ließ, zeigt der Überfall auf Polen. Göring hätte dies als Reichstagspräsident noch am Tag des Attentats in die Wege leiten können. Ohnehin wäre es nicht darauf angekommen, alle Abgeordneten zu versammeln. Der Reichstag war als Podium wesentlich, als Debattenraum jedoch angesichts der Verfassungswirklichkeit überflüssig. Einer beschlussfähigen Mehrheit hätte es angesichts des deklaratorischen Charakters der Sitzung ohnehin nicht bedurft.

Goering Rede

Hermann Göring während seiner Antrittsrede als Staatsoberhaupt vor dem Großdeutschen Reichstag, 21. April 1939

So können wir also davon ausgehen, dass am Morgen des 21. April Hermann Göring als Reichstagspräsident die Sitzung eröffnet und sie mit einer Schweigeminute für den Führer beginnt. Es folgt eine lange Rede des Präsidenten, in der er den Wortlaut des Gesetzes über den Nachfolger des Führers und Reichskanzlers und den Erlass zu seiner Ernennung im Wortlaut zitiert. Er erklärt, dass er schweren Herzens und in Übereinstimmung mit den ausdrücklichen Wünschen Hitlers die Führung des Reiches übernommen habe und gedenke, in seinem Geiste fortzufahren, den Nationalsozialismus und das Großdeutsche Reich ihrer letztlichen Bestimmung entgegenzuführen – Deutschland wieder zur führenden Macht Europas zu machen. Auch kündigt er entschiedene Vergeltungsmaßnahmen gegenüber den Hintermännern des Mordanschlags an und droht Großbritannien mit einer „Demonstration von Deutschlands Stärke und Entschlossenheit“. Zugleich kündigt er eine schonungslose Aufarbeitung des Anschlags an. Diese Botschaft kommt bei Himmler, dem der persönliche Schutz Hitlers oblag, an. Besorgt um seine Stellung und Reputation tut er zunächst alles, um den Zorn nicht auf sich fallen zu lassen. Görings Antrittsrede wird in voller Länge auf allen Radiosendern verbreitet, sodass das Volk schon am folgenden Tag über die Nachfolgeregelung an der Spitze informiert ist.

Gemäß dem Reichsverteidigungsgesetz vom 4. September 1938 erklärt Göring außerdem vor dem Reichstag offiziell den Verteidigungszustand, wodurch automatisch eine Notstandsregierung, der Reichsverteidigungsrat, eingesetzt und die Mobilmachung der Truppen in einem vereinfachen Verfahren ermöglicht wird. Zwei Generalbevollmächtigte für die Reichsverwaltung und für die Wirtschaft werden dadurch mit einem eigenständigen Notverordnungsrecht ausgestattet und auch die Weisungsbefugnisse des Militärs gegenüber zivilen Stellen ausgebaut. Die Oberbefehlshaber der Truppengattungen stehen in diesem Gremium auf einer Ebene mit den Reichsministern. Im Rahmen des Verteidigungszustands wird außerdem eine Teilmobilmachung der Truppen angeordnet und die Nordseeflotte macht sich zum Auslaufen bereit, um möglichen britischen Aggressionen einen Riegel vorzuschieben.

Im Wesentlichen entspricht der Verlauf dieses Szenarios demjenigen des Vergleichsbeispiels, das Gavriel Rosenfeld anschließend an einen Erfolg Georg Elsers am 8. November 1939 entwickelt hat. Der Tenor der Rede Görings ist angesichts der Umstände folgerichtig. So wenig Göring auch persönlich wie politisch daran gelegen sein konnte, einen Waffengang zu provozieren – schließlich hatte er sein Fernziel erreicht und jeder Krieg hätte diese Position nur gefährden können – so hätten sich doch weder die deutsche Öffentlichkeit noch die radikaleren Protagonisten innerhalb der Partei und des Sicherheitsapparats mit weniger als einer offenen Kriegsdrohung zufriedengegeben. Auch eine gewisse geheuchelte Demut vor der Aufgabe, die vor ihm lag, hätte Göring in diesem Moment gut angestanden, um seine Position gegenüber all jenen zu festigen, für die Hitler und sein Regime den Anbruch einer neuen Zeitrechnung bedeutet hatten, die es nun auch ohne ihn abzusichern und fortzuführen galt. Für weniger wahrscheinlich halte ich aber im Gegensatz zu Rosenfeld, dass Göring zu irgendeinem Zeitpunkt den Titel ‚Führer‘ abgelegt hätte. War die Aufgabe des Titels ‚Reichspräsident‘ durch Hitler schon eine Farce, die allein politischem Kalkül und nicht etwa irgendeiner Sorge um den Nachruhm Hindenburgs geschuldet, dürften wir für Göring einen solchen Schritt wohl weitestgehend ausschließen. Göring liebte seine Ämter und Titel und hätte nicht im Traum daran gedacht, auch nur einen davon aus Bescheidenheit fallen zu lassen. Bescheidenheit lag ihm nicht. Im Gegenteil dürften wir wohl mit einigem Recht davon ausgehen, dass Göring sich eine wahrhaft majestätische Titulatur zugelegt hätte.

Neuorientierung und unmittelbare Reaktionen auf das Attentat im In- und Ausland[]

Während Göring in Berlin seine Macht gesichert und die Bevölkerung über seine Amtsübernahme informiert hätte, hätten sich vor den Toren der Neuen Reichskanzlei die Ereignisse förmlich überschlagen. Wenn auch kurzzeitig ohne Staatsoberhaupt, hätten die Sicherheitskräfte des Großdeutschen Reiches blitzschnell reagiert. Ohnehin waren alle maßgeblichen Protagonisten des Regimes am 20. April nach Berlin geströmt. Die Feierlichkeiten standen unter aufmerksamer Beobachtung von Polizei, Gestapo, SD und Militär. Nach der ersten Schockstarre und der Notwendigkeit, zunächst die entstandene Massenpanik zu bändigen, hätten alle maßgeblichen Stellen die Mittel gehabt, schnell einzugreifen.

Reaktion der Sicherheitskräfte – Ermittlungen nach dem Attentat[]

Besprechung Attentat

Besprechung der Ermittlungsergebnisse nach dem Attentat auf Hitler

Unmittelbar nach dem Schuss auf Hitler wäre die Berliner Straße abgesperrt worden und Einheiten der SS und der Gestapo hätten begonnen, koordiniert von Reinhard Heydrich die umliegenden Gebäude zu durchsuchen. Die Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite wären als einzig möglicher Ursprung des tödlichen Schusses schnell ins Fadenkreuz der Durchsuchungen geraten, die Dienstwohnung des Militärattachés umso mehr, nachdem zahlreiche Zeugen – darunter einige der direkten Kollegen MacFarlanes aus anderen Staaten – das Fehlen des Attentäters auf der Tribüne bestätigt hätten. MacFarlane hätte derweil seine Dienstwohnung verlassen, sich der Tatwaffe entledigt und anschließend versucht, über den Tiergarten die britische Botschaft in der Wilhelmstraße zu erreichen. An irgendeiner Straßensperre wäre er wohl von Angehörigen der Ordnungspolizei oder der Wehrmacht angehalten worden. Einheiten des Sicherheitsdienstes der SS hätten unterdessen das Appartement des Militärattachés gestürmt und die Patronenhülse oder andere verwertbare Beweismittel sichergestellt, auch wenn die Waffe selbst womöglich erst Tage später gefunden worden wäre.

Mason-MacFarlane Tribüne EUWR

Hier auf der Tribüne hätte er im Kreise seiner Kollegen aus anderen Staaten stehen sollen; Militärattaché Frank Noel Mason-MacFarlane

MacFarlane stand seiner feindseligen Haltung wegen ohnehin bereits seit längerer Zeit unter Beobachtung des SD. Es ist daher nicht auszuschließen, dass im Zweifel bereits vor dem Attentat ein Verdacht gegen ihn bestanden hätte. Dem diplomatischen Protokoll entsprechend hätte es kaum eine plausible Ausrede für sein Fernbleiben gegeben, ungeachtet seiner privaten Einstellung zum Geschehen. (Aufnahmen von diesem Tag zeigen ihn in UZL denn auch angespannt und missmutig auf der Ehrentribüne. Seine Verachtung für Hitlers Spektakel steht ihm ins Gesicht geschrieben.) Er galt auch innerhalb der britischen Botschaft als Quertreiber, der regelmäßig mit Botschafter Nevile Henderson aneinandergeraten und keinen Hehl aus seiner Verachtung für das NS-Regime gemacht hatte. Bei verschiedenen Gelegenheiten hatte er seinen Vorgesetzten gegenüber für militärische Aktionen gegen das Deutsche Reich geworben und Hitler unter anderem einen "gefährlichen Irren" genannt. Auch Hitler selbst war in den vergangenen Monaten auf den Militärattaché aufmerksam geworden und betrachtete ihn als persönlichen Feind, wie Joseph Goebbels später berichtete. Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop betrieb auf persönliche Anweisung Hitlers bereits seit Monaten den Versuch, MacFarlane aus der Botschaft abziehen zu lassen. Dass diese Bemühungen im März 1939 letztlich von Erfolg gekrönt waren und der Colonel als "Persona non grata" am 3. Mai seinen Posten hätte verlassen sollen, entbehrt vor diesem Hintergrund nicht einer gewissen Ironie.

In unserer Zeitlinie fand sich sein Name nur ein Jahr später weit oben auf einer Liste von 100 Briten, die per ausdrücklicher Weisung des Führers nach einem erfolgreichen Abschluss der geplanten Operation „Seelöwe“ ausfindig gemacht und liquidiert werden sollten.

SD-Hauptamt

Noel Mason-MacFarlane wurde in das Gefängnis der Gestapo-Zentrale in der Prinz-Albrecht-Straße verbracht.

Nachdem klar gewesen wäre, dass der britische Militärattaché wegen des Anschlags auf den Führer dringend tatverdächtig war, hätten Beamte des SD und der Gestapo den Colonel schnell aufgegriffen und in Gewahrsam genommen. Als Schutzhäftling wäre er in die Gestapo-Zentrale in der Prinz-Albrecht-Straße 8 verbracht worden, wo er im Hausgefängnis sicherlich umfangreich verhört und gefoltert worden wäre. Insbesondere wäre den Ermittlern wohl daran gelegen gewesen, herauszufinden, inwieweit das Attentat mit offiziellen Stellen der britischen Regierung abgestimmt und von diesen unterstützt wurde.

Eine überbehördliche Sonderermittlungseinheit unter Leitung von Heinrich Himmler und organisiert von Reinhard Heydrich gleicht in den folgenden Tagen die Erkenntnisse aller verantwortlichen Stellen miteinander ab, erstellt Bewegungsprofile und ein Psychogramm des Attentäters und nimmt auch seine Vertrauten unter die Lupe.

So gerät insbesondere Ewen Butter von der London Times unter Verdacht, im Vorfeld über die Attentatspläne informiert gewesen zu sein. Er wird folglich schon am frühen Morgen des 21. April in seiner Wohnung aufgegriffen und ebenfalls in ein Gestapo-Gefängnis gebracht, wo er aussagt, zwar von dem grundsätzlichen Plan eines Anschlags auf den Führer erfahren und auch den Ort des Geschehens gewusst zu haben, in die konkreten Planungen jedoch nicht eingeweiht gewesen zu sein. Verheerenderweise erwähnt er ebenfalls, dass sein Gesprächspartner damit gerechnet habe, dass der Tod Hitlers einen Militärputsch nach sich ziehen werde. Einige Monate später wird ihm unter der Anklage der Verabredung zum Mord am Führer gemäß §5 der Reichstagsbrandverordnung der Prozess gemacht. Anschließend wird er mit dem Fallbeil hingerichtet. Auch zahlreiche weitere britische Staatsbürger werden in den folgenden Wochen von der Gestapo verhaftet.

Witzleben Volksgerichtshof

General Erwin von Witzleben bei seinem Hochverratsprozess vor dem Volksgerichtshof, 1939

Besonders verheerend wirken sich die Ermittlungen auf den innerdeutschen Widerstand aus. Durch die Nachverfolgung der Aktivitäten des Attentäters und die Aussage Butters geraten auch MacFarlanes Wehrmachtskontakte ins Fadenkreuz. In den folgenden Monaten werden wichtige Köpfe der Verschwörung vom September 1938 enttarnt und das Netzwerk weitgehend zerschlagen, auch wenn eine direkte Involvierung deutscher Offiziere in den Mordanschlag nicht nachgewiesen werden kann. Wohl aber lässt sich nachweisen, dass Mason-MacFarlane am 21. August 1938 Gespräche mit einem Untergebenen Hans Osters von der Abwehr geführt hatte und ihm dabei die Pläne für den "Fall Grün", die geplante Invasion der Teschoslowakei, zugespielt worden waren. Auch seine Treffen mit dem gut vernetzten Korrespondenten Victor von Koerber, einem Armeeoffizier im Ruhestand, der ihm von der Unzufriedenheit der Generalität mit Hitler berichtet hatte, kommen so ans Licht. Wichtige Protagonisten des militärischen Widerstands wie Hans Oster, Erwin von Witzleben, Generalstabschef Franz Halder, Abwehrchef Wilhelm Canaris und Ludwig Beck, der Kopf der Verschwörung, werden wegen Hochverrats verhaftet. So sind mit dieser Enthüllung die ohnehin kaum etablierten Strukturen der innerdeutschen Opposition innerhalb weniger Monate weitgehend zerschlagen und können sich über viele über Jahre nicht davon erholen.

Dass der NS-Staat auch im Fall eines Anschlags auf den Führer so schnell und konsequent reagiert hätte, wie in diesem Szenario geschildert, ist wahrscheinlich. Der Sicherheitsapparat existierte ohnehin weitgehend losgelöst von staatlichen Strukturen und Kompetenzen, sodass SD und Gestapo unter Heydrich nahezu unmittelbar einsatzfähig gewesen wären. Eines Befehls von ‚weiter oben‘ hätte es dafür nicht bedurft. Die Einrichtung einer Sonderermittlungseinheit unter Himmler und Heydrich war in unserer Zeitlinie die Reaktion der Staatsmacht – bzw. des Polizeichefs Himmler höchstselbst – auf das Bombenattentat Georg Elsers im Münchner Bürgerbräukeller am 9. November 1939. Es gibt keinen Anlass, zu vermuten, dass es in diesem Fall anders gekommen wäre.

Auch für die Enttarnung der Verschwörer vom September 1938 gibt es in unserer Zeitlinie einen Präzedenzfall. Hier waren es die Ermittlungen nach dem Attentat vom 20. Juli 1944, die diesen älteren Plan aufdeckten und zur Verhaftung und großteiligen Ermordung der Verschwörer führten. Dass Noel Mason-MacFarlane ein Einfallstor für solche Ermittlungen bereits 1939 geboten hätte, ist allein deshalb schon sicher, weil er einerseits über diese Planungen Bescheid wusste – wenn auch vermutlich nur in vagen Andeutungen, die er denn auch sehr großzügig interpretierte – und andererseits zumindest zu einigen der Verschwörer tatsächlich dienstliche Kontakte bestanden. So war Admiral Wilhelm Canaris bspw. in seiner Funktion als Chef des militärischen Nachrichtendienstes auch für die Betreuung der ausländischen Militärattachés zuständig. Irgendeine Spur hätte in jedem Fall zur Abwehr geführt und in der Folge das Netzwerk der übrigen Verschwörer offengelegt.

Canaris Heydrich

Konkurrierten erbittert um die Kontrolle über Deutschlands Geheimdienste: Admiral Wilhelm Canaris, Chef der Abwehr, und Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei und des SD

Dies erscheint durch ein wesentliches Detail umso wahrscheinlicher: Anders als Ernst Kaltenbrunner, der in UZL nach dem Stauffenberg-Attentat mehr oder weniger zufällig auf die Septemberverschwörung stieß, hatte Reinhard Heydrich als Ermittlungsleiter ein persönliches Interesse daran, Canaris ins Fadenkreuz zu nehmen. Seit vielen Jahren schon hatte Heydrich einen Privatkrieg mit dem Abwehr-Chef geführt, durch den er den Admiral zu kompromittieren und schlussendlich selbst die Aufsicht über den militärischen Nachrichtendienst zu übernehmen gedachte. Seit geraumer Zeit schon sammelte er in den Akten des SD Material, das er eines Tages gegen Canaris würde verwenden können. Selbst die regelmäßigen gemeinsamen Jagdausflüge nutzte der Chef des SS-Geheimdienstes, um seinen Konkurrenten in Gespräche zu verwickeln, zu denen er sich Notizen machen konnte.

Die unmittelbare Zusammenarbeit zwischen Noel Mason-MacFarlane und Wilhelm Canaris - in deren Zuge vom Geheimdienstchef zu erwarten gewesen wäre, dass er Anzeichen für einen bevorstehenden Anschlag wahrnahm - hätte Heydrich erstmalig die Möglichkeit gegeben, aktiv gegen ihn vorzugehen, sein Büro und seine Privatwohnung durchsuchen zu lassen. Zutage gefördert hätte dies sicherlich seine Tagebücher, in denen er ausführlich von den Planungen des Putsches vom Herbst 1938 berichtet hatte. Auch Protokolle der subversiven Aktivitäten der Abwehr unter seiner Führung hätten die Schlinge um seinen Hals immer enger gezogen. Heydrich hätte dadurch alles an der Hand gehabt, um die militärische Opposition empfindlich zu treffen und insbesondere Canaris als Hochverräter zu entarven und kaltzustellen.

Zerschlagen hätte sich nicht zuletzt die Hoffnung des britischen Offiziers, der daran glaubte, dass die deutsche Generalität den Tod Hitlers nutzen werde, um das NS-Regime in einem Coup d'État zu beseitigen. Dies sollte sich als fatale Fehleinschätzung herausstellen. Denn dem Briten entging bei all seinen Überlegungen der entscheidende Faktor, dass sich die Aktivitäten des Militärs zu keinem Zeitpunkt gegen die Regierung als solche richteten, sondern immer nur die Ausschaltung Hitlers zum Ziel hatten, von dem in den Augen der Generalität eine unmittelbare Kriegsgefahr ausging. Mit einem weniger aggressiv auftretenden Staatsoberhaupt wie Göring konnte sich die Wehrmacht aber durchaus arrangieren.

Reaktion der Propaganda - Tag der Abrechnung[]

Solidaritätskundgebung Hitlerjugend

Propaganda-Kundgebungen sind in den Tagen nach dem Attentat ständige Begleiter der Deutschen

Auch die Reaktionen auf das Attentat in der Presse und über die diplomatischen Kanäle lassen nicht lange auf sich warten. Schon in der Ausgabe des Völkischen Beobachters vom 21. April 1939 werden klare Feindbilder kommuniziert. Obwohl der Täter sich bereits in Haft befindet, wird er mit keinem Wort in der Ausgabe erwähnt. Stattdessen werden die britische Regierung und der MI6 als Urheber des Anschlags ins Spiel gebracht, um die deutsche Bevölkerung für einen drohenden Krieg mit Großbritannien zu mobilisieren. Indem das Blatt gewohnt demagogisch das Bild eines heimtückischen und gefährlichen Feindes beschwört, der auch vor „Meuchelmord“ - dieses „erbärmlichste, feigste und gemeinste Mittel“ – nicht zurückschreckt, erzeugt es zugleich Angst und Kriegslust gegen die Briten („Sie sollen uns kennenlernen!“). In den Ausgaben der folgenden Tage setzt der „Völkische Beobachter“ seine Strategie fort, Großbritannien als Urheber zu brandmarken, natürlich nicht ohne auf den angeblichen Anteil der britischen Juden hinzuweisen. Es erscheinen Berichte, „Wie der englische Geheimdienst seine Gegner beseitigt“ und „Als der Londoner Jude Cohen auf Bismarck schoss“. In einem abschließenden Bericht erscheint Noel Mason-MacFarlane porträtiert als „gedungener Mörder unter dem Deckmantel der sogenannten Diplomatie“ auf der Titelseite. Über allem aber steht die Verlautbarung: „Auftraggeber für das Unternehmen war der britische Intelligence Service“. Die offiziellen deutschen Stellen konzentrieren sich in den folgenden Tagen vor allem auf orchestrierte Solidaritätskundgebungen für die Reichsregierung und Demonstrationszüge, in denen zuvor instruierte Schreier Rache am Attentäter und dessen Hintermännern fordern.

In den folgenden Tagen werden die antisemitischen Untertöne, die in der NS-Presse kultiviert werden, auch von radikalen Vertretern der Partei und des Sicherheitsapparates aufgegriffen und verstärkt zur Mobilisierung des Volkes eingesetzt. Insbesondere Propagandaminister Joseph Goebbels setzt sich – ähnlich wie schon in der Reichskristallnacht – als Rächer an den Juden in Szene. In einer Rede drei Tage nach dem Attentat erklärt er, eine „plutokratische Sippe anglo-jüdischer Preistreiber“ sei „mit dem Mord an unseren geliebten Führer auf einen neuen Tiefststand des Verrats“ herabgesunken. Dieser „zweite Dolchstoß der Juden“ habe einen Mann getroffen, dessen Streben allein dem Frieden aller Völker gedient habe. Nun, so führt er weiter aus, sollen sie, wie Hitler in seine Rede zur „Vernichtung des Judentums in Europa“ im Januar 1939 angekündigt hatte, erneut den Volkszorn zu spüren bekommen. Zahllose Deutsche folgen Goebbels Ruf und machen sich auf, Rache für ihren Führer zu nehmen. Innerhalb weniger Tage werden hunderte Juden auf offener Straße zusammengeschlagen, teilweise behindern Polizisten anschließend die herbeigeeilten Sanitäter. Zwölf dieser Angriffe enden für die Opfer tödlich. Ein besonders verheerender Anschlag ereignet sich in Dresden, wo zwei Judenhäuser in Brand gesteckt werden. 45 Bewohner sterben. Die Feuerwehr greift in beiden Fällen nicht ein. Darüber hinaus kommt es in einigen Konzentrationslagern zu wilden Erschießungen. So werden allein im KZ Dachau 50 Juden - einer für jedes der Lebensjahre Hitlers – auf Befehl des Lagerkommandanten Karl Otto Koch ermordet. In den folgenden Tagen werden auf Betreiben von Himmler und Heydrich annähernd 20.000 Juden im ganzen Reichsgebiet inhaftiert und in die Konzentrationslager eingewiesen, wo vielen weitere Misshandlungen widerfahren. Ziel dieser Verhaftungswelle ist vornehmlich, dem Regime die Juden als Faustpfand für die erwartbaren hitzigen Verhandlungen mit der britischen Regierung zu sichern. Der teutonische Furor versetzt auch diejenigen in Angst und Schrecken, die den Racheakten ablehnend gegenüberstehen. Mehrere Dutzend Regimegegner, die dennoch Kritik an dem Vorgehen äußern, werden in Haft genommen.

Die hier geschilderten antisemitischen Ausschreitungen sowie die Taktik des Sicherheitsapparates, die deutschen Juden in Geiselhaft zu nehmen, um die Verhandlungsposition des Regimes gegenüber den Westmächten zu verbessern, sind nicht ohne Grund in Teilen identisch zu jenen, die Gavriel Rosenfeld in seinem Beitrag zum Anschlag im Bürgerbräukeller voraussetzt. Eine solche Entwicklung erscheint angesichts der vorhandenen Vergleichsbeispiele – der Novemberpogrome nach dem Mord an einem deutschen Diplomaten sowie der Reaktionen auf das (gescheiterte) Elser-Attentat – absolut realistisch. Die hier zitierten Artikel aus dem „Völkischen Beobachter“ sind in der Tat nach dem 8. November 1939 teilweise wortgleich in eben jener Zeitung erschienen. Auch dort wurde eine unmittelbare Verbindung zu den Juden gesucht, obgleich weder eine jüdische noch eine britische Beteiligung nachweisbar war.

Bugs Bunny 2

Hermann Göring brachte es bis in die Cartoonserie "Bugs Bunny"

Daneben suchen bestimmte Kreise der Bevölkerung aber - angestachelt durch die Verschwörungserzählungen, die das Regime selbst nutzt, um bestimmte Ereignisse zu erklären – auch nach einer tieferen Erklärung für den Mord an ihrem Führer und geheimen Hintermännern. Dabei gerät vor allem Hermann Göring selbst ins Fadenkreuz. Dazu trägt er selbst durch seinen merklich veränderten Führungsstil unfreiwillig bei, der bei vielen das Gefühl hinterlässt, Göring habe nur darauf gewartet, selbst die Macht übernehmen zu können. Angesichts der Säuberungswelle innerhalb der Wehrmacht hält sich daneben die Version eines gescheiterten Militärputsches, was angesichts des Zusammenhangs der Verurteilungen mit der Septemberverschwörung 1938 auch nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung die offizielle Darstellung zumindest oberflächlich akzeptiert, schaden die fortwährenden Gerüchte doch nachhaltig der Position des neuen Staatsoberhaupts.

Verschwörungstheorien bezüglich des Attentats auf Hitler sind in dieser Form sehr wahrscheinlich. Ähnlich gelagert kursierten sie auch nach dem Anschlag im Bürgerbräukeller. Über eine Verwicklung Görings in die Bombenexplosion vom 9. November 1939 wurde auch in unserer Zeitlinie gemutmaßt. Diese Theorie hätte umso mehr Auftrieb bekommen, je mehr Göring nun tatsächlich vom Tod des Diktators profitierte.

Reaktion des Auslands - Ratlosigkeit und Déjà-vus[]

Während das deutsche Volk um seinen Führer trauert, beginnen die Fernschreiber in den folgenden Tagen, Beileidstelegramme aus aller Welt aufzuzeichnen. Der italienische Duce Benito Mussolini und der spanische Generalissimo Francisco Franco zeigen sich „tief betrübt“. Die sowjetische Regierung drückt dem deutschen Botschafter Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg „ihr Bedauern und ihre Entrüstung über den ruchlosen Anschlag von Berlin“ aus. Premierminister Neville Chamberlain telegrafiert noch in der Nacht an die Reichskanzlei, das britische Volk fühle sich "dem deutschen Volk in seiner tiefen Abscheu über diese grauenvolle Tat verbunden" und die britische Regierung distanziere sich in aller Form "von solchen Mitteln der politischen Auseinandersetzung". Zugleich fordert er aber auch die bedingungslose Überstellung ihres verhafteten Botschaftsangehörigen sowie die Freilassung aller in Haft befindlichen britischen Staatsbürger und droht für den Fall einer Weigerung mit harten Konsequenzen.

Sehr distanziert äußert sich US-Präsident Roosevelt, der einige Tage später in einer Rundfunkansprache zwar den Tod des Führers bedauert, jedoch auch unverhohlen zur Sprache bringt, welchen Eindruck er in den Jahren seiner Herrschaft hinterlassen habe und wie besorgt die Weltgemeinschaft gewesen sei, dass es zu einem erneuten, blutigen Kräftemessen im Herzen Europas kommen könne. Hitlers Außenpolitik selbst habe also dazu beigetragen, genau jene Angst zu säen, die sich schließlich in einer solchen Gegenreaktion entladen musste.

HtirOP

Die Zeitungen berichteten am Folgetag ausführlich über das Attentat auf Hitler

In der ausländischen Presse weiß man dieses unvermittelte Ereignis nicht recht einzuordnen. In einigen Blättern dominiert die Erleichterung, hatten doch zahlreiche große Nachrichtenblätter das Regime seit langem öffentlich angeprangert, verstärkt seit der Reichspogromnacht und dem Einmarsch in die Rest-Tschechei. Die New York Times titelt ungeniert: "Tyrannenmord in Berlin!" Deutlich besorgter äußert man sich in Frankreich. Dort veröffentlicht Le Figaro eine Karikatur, die Hitler als Franz-Ferdinand von Österreich und Noel Mason-MacFarlane als Gavrilo Princip zeigt und eine Wiederholung der Ereignisse vom Sommer 1914 nahelegt. In eine sehr ähnliche Richtung geht ein Leitartikel in der London Times, der zwar einerseits die latente Gefahr betont, die Hitler für den Frieden in Europa bedeutete, zugleich aber Kritik an der "britischen Lösung" äußert und mutmaßt, dass es hätte gelingen können, Hitler mit diplomatischen Mitteln und durch Sanktionen zur Rückkehr an den Verhandlungstisch zu bewegen. Nun, so der Kommentar zum Abschluss, sei der Friede ohne Hitler brüchiger als mit ihm. Stattdessen drohe eine Wiederholung der Ereignisse vom Juli 1914.

Die internationalen Reaktionen auf ein erfolgreiches Attentat auf Adolf Hitler wären vermutlich sehr durchmischt gewesen. Einmal abgesehen von den faschistischen Regimen, mit denen das Großdeutsche Reich im Bunde stand, hätte wohl niemand ernsthaft den Tod eines Mannes betrauert, der in den vergangenen Jahren Europa an den Rand eines neuen Krieges gebracht und diesen im Vorjahr über die Sudetenfrage bereits einmal beinahe ausgelöst hatte.

Besonders in Großbritannien hätte man aber wohl – vergleichbar mit der sowjetischen Reaktion auf das Kennedy-Attentat, das von einem in Moskau ausgebildeten Kommunisten verübt worden war – alles versucht, um eine unmittelbare Involvierung der eigenen Regierung abzustreiten und zu widerlegen. Während also auf den offiziellen diplomatischen Kanälen kondoliert worden wäre, wäre wohl im Außenministerium blanke Panik ausgebrochen. Diese Panik erfasste in unserer Zeitlinie auch den KGB, der dem Ministerpräsidenten Chruschtschow bestätigen konnte, dass es keine Verbindung der sowjetischen Regierung oder des sowjetischen Geheimdienstes zum Attentat gab. Nun hätte der Fall in unserem Szenario aber deutlich anders gelegen, denn bis hinauf zum Außenminister persönlich hatten alle wesentlichen Stellen grundlegend Kenntnis von dem Plan ihres Untergebenen gehabt. Eine glaubhafte Reaktion aus London hätte also damit beginnen müssen, die Schuld ganz allein bei MacFarlane zu suchen und die eigenen negativen Reaktionen auf seinen Vorschlag zu schildern. Schließlich hatte die britische Regierung ihren Teil getan, dem Militärattaché seinen Plan auszureden, und ihm einen direkten Befehl erteilt, den Anschlag zu unterlassen. Dass diese Strategie in Berlin verfangen hätte, muss aber unter den gegebenen Umständen bezweifelt werden. Ziemlich sicher hätten wohl angesichts der angespannten Gesamtlage und der sich abzeichnenden Konfrontation zwischen Deutschland und den Westmächten spätestens seit dem Einmarsch in die Rest-Tschechei und dem offenen Bruch des Münchner Abkommens viele den Vergleich mit dem Attentat von Sarajevo am 28. Juni 1914 gezogen. Die Ermordung des eigenen Staatsoberhauptes durch eine fremde Macht hätte keine Nation der Welt unkommentiert stehen lassen können.

Elmercurio Goering

Großflächiger Artikel über Hermann Göring, den Nachfolger Hitlers, in der chilenischen Tageszeitung El Mercurio

In den folgenden Tagen ist das bestimmende Thema in der Presse dann die Person des neuen deutschen Staatsoberhaupts. In zahlreichen Zeitungen überall auf der Welt werden großflächige Porträts von Göring abgedruckt, seine Lebensgeschichte und sein Werdegang, aber auch die Machtverhältnisse innerhalb des Reiches nach bestem Wissen analysiert. Insbesondere in Südamerika werden große Hoffnungen in Hitlers Nachfolger gesetzt. Mit seinem Amtsantritt wird die Hoffnung auf ein deutlich direkteres Engagement des Großdeutschen Reiches auf dem Kontinent verbunden, um dort ein Gegengewicht zu den Vereinigten Staaten zu schaffen. Dennoch ist Görings Ansehen vor allem in Großbritannien stark angeschlagen. Seit dem Reichstagsbrand traute die englische Presse ihm nicht mehr über den Weg. Er galt dort als Fanatiker, der zur Erreichung seiner Ziele nicht einmal davor zurückschreckt, sein eigenes Parlamentsgebäude in Brand zu stecken. Weitere Nahrung erhielt diese negative Grundstimmung 1934 durch die ‚Nacht der langen Messer‘ und 1938 durch die Reichskristallnacht, die maßgeblich von ihm orchestriert worden war. Auf der anderen Seite nimmt das Ausland aber auch seine ideologischen Auseinandersetzungen v.a. mit Goebbels, Heß, Himmler und Rosenberg interessiert zur Kenntnis, die den Eindruck erwecken, dass Göring sich mit der Partei entzweien könnte und eher dem Wilhelminismus zuneige als dem Hitlerismus.

Reaktion der Reichsregierung – Görings Feuerprobe[]

Goering

Hermann Göring an seinem Schreibtisch

Am Vormittag des 21. April wäre das drängendste Problem, dem sich das neue Staatsoberhaupt des Großdeutschen Reiches stellen musste, die Frage gewesen, wie das Reich auf den Mord an seinem Führer durch einen britischen Diplomaten reagieren sollte, bei dem noch keineswegs klar gewesen wäre, ob und inwieweit offizielle Stellen der britischen Regierung oder des britischen Geheimdienstes daran beteiligt waren oder wenigstens über Erkenntnisse verfügten, die den Anschlag hätten verhindern können. Die unmittelbarste Reaktion wäre wohl gewesen, schon für den Morgen den Reichsverteidigungsrat und den Geheimen Kabinettsrat zu einer ersten Sitzung in die Staatskanzlei einzuberufen, um das weitere Vorgehen abzustimmen und die nächsten Schritte gegenüber Großbritannien zu planen.

Der Geheime Kabinettsrat war ein Gremium, das Hitler 1938 geschaffen hatte, um ihn in der Außenpolitik zu beraten. Angesichts der Tatsache, dass Hitler sich von niemandem beraten ließ, wurde diesem Gremium von keinem der Beteiligten ein realer Einfluss zugesprochen. Vielmehr handelte es sich - und das war auch dessen Präsidenten, dem ehemaligen Außenminister Konstantin von Neurath, klar - um ein Trostpflaster für den geschassten Diplomaten. Doch Göring hätte hier womöglich andere Akzente gesetzt. Er war durchaus dazu bereit - das umso mehr in Situationen, in denen er sich erst noch etablieren musste - auf Beratung zurückzugreifen oder zumindest andere Meinungen anzuhören, bevor er eine Entscheidung traf. Daher ist es durchaus wahrscheinlich, dass er neben dem Reichsverteidigungsrat auch den Geheimen Kabinettsrat zu einem echten Arbeitsgremium ausgebaut hätte. Auch zur Absicherung und Rückkoppelung seines Vorgehens, das behutsam sein musste, um die verschiedenen Fraktionen innerhalb der NS-Führung nicht augenblicklich gegen sich aufzubringen, wäre ein solcher Schritt sinnvoll gewesen. Nicht zuletzt hätte der Geheime Kabinettsrat den Vorteil geboten, auch die Militärführung eng in die Planung der nächsten Schritte einzubinden und sich von dieser Seite Rückendeckung für eine vorsichtige Reaktion zu besorgen. Als operatives Gremium hätte der Reichsverteidigungsrat, dessen Mitglied auch der Präsident des Geheimen Kabinettsrates qua Amt war, demgegenüber die notwendigen Maßnahmen einleiten und grundlegende Beschlüsse fassen können. Er hätte sich wohl relativ schnell als eine Art Notstandsregierung etabliert. Das Kräfteverhältnis wäre auch hier zugunsten der Militärs ausgefallen.

Welche Positionen wären im Geheimen Kabinettsrat und im Reichsverteidigungsrat aufeinander getroffen? Insbesondere die Position von Außenminister Joachim von Ribbentrop, der bereits seit längerer Zeit versucht hatte, das Reich gegen Großbritannien in Stellung zu bringen, hätte wohl nun deutlich mehr Gehör gefunden. Sein Ziel war ein Bündnissystem im Stile Bismarcks, das sich gegenseitig ergänzende und absichernde Verträge mit allen europäischen Mächten zum Zwecke der Isolierung Englands beinhalten sollte. Allerdings war Ribbentrop innerhalb der NS-Führung keinesfalls unumstritten. Sein Aufstieg zum Außenminister war maßgeblich von Hitler forciert worden. Als Sekthändler hatte er keinerlei Qualifikation jenseits seiner Loyalität zum Führer.

Demgegenüber standen diejenigen Kräfte, die einen rationalen, realpolitischen Kurs forcieren wollten. Zu diesen gehörten neben Göring selbst und der Wehrmachtsführung auch Wirtschaftsminister Walther Funk, Ex-Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht, sowie die führenden Wirtschaftsvertreter, darunter alle leitenden Beamten der Vierjahresplanbehörde, denen nur allzu bewusst war, dass das Großdeutsche Reich mit seiner Aufrüstungs- und Autarkiepolitik im Begriff war, volkswirtschaftlich vor die Wand zu fahren. Allein schon aus wirtschaftlichen Erwägungen schien also eine Verständigung mit den Briten unumgänglich. Aus militärischer Sicht befürchtete man in der Generalität eine Wiederholung des Stellungs- und Abnutzungskrieges von 1914-1918 und eine erneute Niederlage gegen die Westmächte.

Doch die Partei und der Propaganda-Apparat schürten weiter in der Bevölkerung anti-britische Gefühle und versuchten, die Bevölkerung auf einen kommenden Konflikt einzuschwören. Insbesondere Propagandaminister Goebbels ließ keine Gelegenheit aus, gegen den MI6 und die britische Regierung zu polemisieren. Insbesondere Stewart Menzies, der Leiter des Geheimdienstes, wurde zur steten Zielscheibe seiner Angriffe.

Welche Position hätte Göring gegenüber Großbritannien also sinnvollerweise einnehmen können? Sicherlich wäre es erforderlich gewesen, zunächst einen brachial-martialischen Ton anzuschlagen, um die Briten den Zorn des Reiches spüren zu lassen. Premierminister Chamberlain hatte ja schon vielfach bewiesen, zu wie großen Konzessionen er bereit wäre, um die Chance auf Frieden zu erhalten. Freilich war er seit der Zerschlagung der Rest-Tschechei in seinen offiziellen Verlautbarungen davon abgerückt, doch änderte dies nichts an seiner Grundeinstellung. Die Erfahrung des Weltkrieges hatte ihn tief geprägt und ließ ihn vor der Vorstellung eines erneuten Waffengangs erschaudern. Diese Grundhaltung des Premiers hätte Göring sich nun zunutze machen können, zumal er nach dem 20. April massiv in die Defensive geraten wäre. Hatte er bislang Hitler als Aggressor für seine eigenen harten Schritte verantwortlich machen können, war nun Großbritannien selbst moralisch beschädigt. Diese Hypothek des Mordanschlags wäre in irgendeiner Form abzugelten gewesen. Eine bloße Verweigerung deutscher Forderungen wäre also auf dem internationalen Parkett einem politischen Selbstmord gleichgekommen. Göring hätte also auf der erwartbaren Empörungswelle reitend nichts weiter tun müssen, als Chamberlain durch die Aussicht auf einen deutsch-britischen Krieg in die Enge zu treiben, um ihn zu - für ihn verschmerzbaren, aber für das Großdeutsche Reich wichtigen - Zugeständnissen zu zwingen. Diese Form von Brinkmanship hatte in der internationalen Politik bereits eine lange Tradition und wäre gegen einen zur Defensive gezwungenen Chamberlain das Mittel erster Wahl gewesen. Dies durfte aber nicht so weit gehen, Großbritannien öffentlich zu demütigen, denn dies hätte Görings eigentlichen Zielen geschadet. Denn sein wirkliches Ansinnen wäre keinesfalls gewesen, in erster Linie den Tod Hitlers zu rächen - dafür hätte er sinnigerweise den Kriegszustand erklären müssen - sondern sich in der Krise als fähiger Außenpolitiker zu beweisen, der die Interessen Großdeutschlands gegenüber den anderen Großmächten durchzusetzen imstande war.

So wird die britische Botschaft abgeriegelt und der britische Botschafter einbestellt, wo ihm bedeutet wird, das Großdeutsche Reich betrachte die Ermordung Hitlers als kriegerischen Akt und halte sich alle Optionen offen. Als Minimalforderung an die englische Regierung formuliert Göring gegenüber Nevile Henderson die Bestrafung des Attentäters vor dem Volksgerichtshof. Darüber hinaus verlangt Göring eine Offenlegung aller Verbindungen des Attentäters zu offiziellen Stellen in der britischen Regierung, eine Forderung, die bereits Österreich-Ungarn 1914 gegenüber Serbien aufgebracht hatte. In einem zweiten Schritt wird Botschafter Henderson das offizielle Schreiben Görings zur Kündigung des Deutsch-Britischen Flottenabkommens übergeben.

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Hermann Göring mit dem britischen Botschafter Nevile Henderson

Die Briten fordern hingegen, wie bereits im Schreiben des Premierministers deutlich gemacht, die sofortige Überstellung ihres Botschaftsangehörigen Noel Mason-MacFarlane sowie die augenblickliche Freilassung aller britischen Staatsangehörigen, die sich in Deutschland in Haft befanden. Heinrich Himmler, der bei dem Gespräch ebenfalls anwesend ist, weist das Anliegen brüsk zurück und besteht darauf, dass der Attentäter sich nicht in Haft, sondern im Schutzgewahrsam der Gestapo befinde und daher von einer Festnahme oder Freilassung nicht die Rede sein könne. Für alle übrigen Verhafteten betont er, dass die deutsche Polizei grundsätzlich keine Blankoschecks ausstelle, vor allem nicht aus reinem diplomatischem Kalkül. So enden die ersten deutsch-britischen Gespräche ergebnislos und in gegenseitiger Abneigung, obgleich Nevile Henderson selbst immer ein großer Befürworter einer deutsch-britischen Annäherung war.

Als Reaktion auf die Drohgebärden aus Berlin lässt Großbritannien seine Flotte in die Nordsee auslaufen und bereitet sich auf eine mögliche Blockade der deutschen Küste vor, für die bereits seit dem Winter konkrete Planungen der Admiralität vorliegen. Göring seinerseits versetzt die Luftwaffe in Verteidigungsbereitschaft und lässt Truppen an die Küste und an die Westgrenze verlegen. Der französischen Regierung versichert er, der Konflikt bestehe allein mit England und habe keinerlei Einfluss auf das Verhältnis zum westlichen Nachbarn, sofern dieser sich nicht von London für seine Zwecke missbrauchen lasse und selbst militärisch aktiv werde.

In den brodelnden Konflikt schaltet sich auch Benito Mussolini ein, der einerseits anbietet, als Vermittler aufzutreten und Deutsche, Briten, Franzosen und Italiener an einen Tisch zu bringen, andererseits aber Göring gegenüber auch deutlich macht, dass sich Italien zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage sehe, das Großdeutsche Reich militärisch zu unterstützen. Mit einem zufriedenstellenden Stand der Aufrüstungsbemühungen sei frühestens 1943 zu rechnen.

Birger Dahlerus

Versuchte im Auftrag Görings, zu einem Ausgleich mit den Briten zu kommen: Birger Dahlerus

Diese erste Phase der Eskalation wäre allerdings von Görings Seite aus ohnehin nicht darauf ausgelegt gewesen, einen Krieg zu provozieren. Vielmehr wäre es darum gegangen, den Preis für eine Verständigung zwischen Großdeutschland und Großbritannien hochzutreiben. Bislang hatten sich die Briten immer moralisch im Recht geglaubt und das Reich in einer defensiven Verhandlungsposition gewähnt. Nun hätte Göring der englischen Führung zeigen können, dass das Großdeutsche Reich nicht gewillt war, aus einer Verteidigungshaltung heraus zu verhandeln, sondern dass allein ein Gespräch auf Augenhöhe für die Reichsleitung infrage kam. In einer zweiten Phase hätten dann, im Schatten der entstandenen Drohkulisse, Emissäre Möglichkeiten zu einer - beiderseits gewollten - Verständigung eruieren können.

Auch in UZL hat es solche Versuche vielfach gegeben. Franz von Papen suchte als Botschafter in der Türkei den Kontakt zu den Briten, Ulrich von Hassell in Rom ebenso. Mit Wissen und Wohlwollen Görings unternahm Helmuth Wohlthat, Ministerialdirektor in der Vierjahresplanbehörde, mehrere Reisen nach London, um dort mit hochrangigen Vertretern der britischen Regierung über konkrete Inhalte deutsch-britischer Verhandlungen zu beratschlagen. Unterstützung erhielt er dabei vom deutschen Botschafter in London Herbert von Dirksen. Die höchstrangigen Kontakte - bis zu Hitler und Chamberlain - hatte der schwedische Industrielle Birger Dahlerus. Dieser versuchte selbst nach dem Beginn des Krieges noch im direkten Auftrag Görings, eine Verständigung mit den Briten zu erreichen. Dass diese Versuche scheiterten, lag zu einem wesentlichen Teil daran, dass die Minimalforderung der Briten - nämlich mit einem Deutschland ohne Hitler zu verhandeln - unerfüllbar blieb. Zwar bot Göring in einer von Dahlerus überbrachten Nachricht an, gegen Hitler zu putschen, doch erwiesen sich diese vollmundigen Zusagen als Kartenhaus, das in sich zusammenbrach, sobald Hitler mit seiner Faust auf den buchstäblichen Tisch schlug.

Goering Halifax

Außenminister Lord Halifax und der Premier suchten ihr Heil in einem Bündnis mit dem Großdeutschen Reich

Interessant ist der Blick auf die konkreten Inhalte der Gespräche im Sommer 1939 dennoch. Denn sie zeigen zum einen sehr deutlich, dass die britische Regierung selbst nicht gewillt war, der Garantieerklärung für Polen wegen einen Krieg zu beginnen, und zum anderen, dass die harte Gangart seit dem März 1939 keinem grundsätzlichen Mentalitätswechsel innerhalb der englischen Führung entsprang. Im Gegenteil versuchten Premier Chamberlain und Außenminister Halifax trotz der deutschenfeindlichen Stimmung innerhalb der Bevölkerung nach wie vor, zu einem grundlegenden Ausgleich mit dem Großdeutschen Reich zu gelangen.

Im Prinzip ging es um nicht weniger als die Frage, welche Zukunft das Britische Empire haben könnte. Seit dem Weltkrieg war allen politischen Akteuren bewusst, dass die Weltmachtstellung des Vereinigten Königreichs sich nicht langfristig aus eigener Kraft würde aufrecht erhalten lassen. Es brauchte einen wirtschaftlich und politisch potenten Bündnispartner, der imstande und gewillt war, den Bestand des Empire zu garantieren und abzusichern. Realistisch blieben dafür nur zwei Optionen: Die Vereinigten Staaten und das Großdeutsche Reich. Die Amerikaner hatten allerdings nicht das geringste Interesse daran, das britische Kolonialreich aufrecht zu erhalten. Im Gegenteil hatte der damalige Präsident Wilson nach dem Krieg die Dekolonisation sogar als eines der Ziele des Völkerbundes definiert. Auch eine gleichberechtigte wirtschaftliche Partnerschaft auf Augenhöhe war von dieser Seite nur schwerlich zu erreichen. Daher konzentrierten sich die Bemühungen der Regierung Chamberlain nicht nur aus Gründen des Appeasement auf Großdeutschland, sondern aus zwingender Notwendigkeit, weil nur so ein Überleben der alten Ordnung erreichbar schien.

Aus den Wohlthat-Gesprächen im Juni und Juli 1939 lassen sich Grundzüge eines Verhandlungsprogramms erkennen, das, wie wir aus verschiedenen Quellen wissen, von britischer Seite aus als diskutabel bewertet wurde. Die Konditionen hätten für das Großdeutsche Reich (keinesfalls für Hitler!) vorteilhafter kaum sein können. Sie umfassten insbesondere:

  1. Eine gemeinsame deutsch-britische Gewaltverzichtserklärung, also die Verpflichtung, politische Konflikte nicht militärisch zu lösen
  2. Eine gegenseitige Nichteinmischungserklärung, also das Zugeständnis eigenständiger Interessensphären beider Großmächte sowie die Garantie für deren Erhalt
  3. Eine gemeinsame Erklärung zur Neuverhandlung der Kolonialfrage
  4. Eine gemeinsame Handelspolitik zur Sicherstellung der Rohstoffzufuhr beider Länder
  5. Internationale Verhandlungen aller europäischen Kolonialmächte über eine gemeinschaftliche Verwaltung Afrikas zur gemeinsamen Ausbeutung von dessen Ressourcen und Arbeitskräften
  6. Ein Entschuldungsprogramm für das Großdeutsche Reich inklusive eines enormen Kreditpakets, um die deutsche Wirtschaft vor dem Kollaps zu bewahren; verbunden mit einem Abkommen zur Koppelung des Pfunds und der Reichsmark auf dem internationalen Währungsmarkt
  7. Internationale Rüstungsabkommen, die die volle Gleichberechtigung des Großdeutschen Reiches im militärischen Bereich wiederherstellen, zugleich aber auch allgemein die Kriegsrüstung für alle Parteien beschränken sollten.

Dass dieses Programm nie zur Ausführung kam, ist zum weit überwiegenden Teil der Persönlichkeit Hitlers zuzuschreiben. Wohlthat berichtete gegenüber dem Chef des Home Civil Service (etwa vergleichbar mit dem deutschen Chef der Reichskanzlei) Sir Horace Wilson, Hitler sei "wirtschaftlichen Argumenten nicht zugänglich", was de facto bedeutete, dass ihn die Finanzlage und der drohende wirtschaftliche Kollaps des Reiches nicht zu kümmern schienen. Demgegenüber musste Göring als Chef der Vierjahresplanbehörde nur allzu bewusst sein, wohin die Kriegswirtschaft steuerte. Insofern dürfte also mit einer grundsätzlichen Offenheit des neuen Führers gegenüber den von Wohlthat initiierten Verhandlungen zu rechnen sein. Das Verhandlungsprogramm zeigt jedenfalls, wie weit die Briten zu gehen bereit waren, um den Frieden in Europa zu erhalten. Dass sie Göring gegenüber zu weniger weitreichenden Zugeständnissen bereit gewesen wären, ist kaum anzunehmen. Dies wird umso deutlicher, zieht man in Betracht, dass die britische Regierung diese Verhandlungen im Geheimen zu führen gedachte, weil sie die öffentliche Meinung fürchtete, dennoch aber grundlegend an ihrem nicht länger mehrheitsfähigen Kurs festhielt. Erst bei Abschluss eines Vertrages mit dem Großdeutschen Reich wollten Chamberlain und Halifax damit an die Öffentlichkeit gehen und dadurch die Bevölkerung wieder hinter sich bringen. Damit wollte Chamberlain auch die bereits für den 14. November 1939 angesetzten Unterhauswahlen gewinnen, die durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges schließlich auf unbestimmte Zeit verschoben wurden. Ob es allerdings gelungen wäre, bis zum November ein solches Abkommen zur Zufriedenheit Aller abzuschließen, ist äußerst fraglich. Die Wahl hätte entsprechend sehr wohl in einem Fiasko für die Konservativen enden und die Labour Party unter Clement Attlee an die Macht bringen können, die jeden Kompromiss und jedes Zusammengehen mit den Nazis kategorisch ablehnten.

Reaktion der Justiz – Der Prozess gegen den Hitler-Attentäter[]

Volksgerichtshof

Prozess gegen den Hitler-Attentäter Noel Mason-MacFarlane vor dem Volksgerichtshof

Genau zwei Wochen nach dem Attentat findet unter dem Vorsitz des Präsidenten Otto Georg Thierack der Prozess gegen Noel Mason-MacFarlane vor dem Volksgerichtshof statt. Der Zeitpunkt istr keinesfalls willkürlich gewählt, denn nachdem Außenminister Joachim von Ribbentrop die Ablösung MacFarlanes erwirkt hatte, stand fest, dass dieser zum 3. Mai nicht mehr Angehöriger des diplomatischen Korps sein würde und somit keine diplomatische Immunität mehr besäße. Diesen Zeitpunkt wartet man in der Schutzhaft seelenruhig ab. Der Prozess gegen den Hitler-Attentäter gilt als der weltweit erste Gerichtsprozess, der in ganzer Länge auf Leinwand gebannt wurde. Er wird unter dem Titel "Meuchelmörder vor dem Volksgerichtshof" als Propaganda-Film aufbereitet und im Spätsommer 1939 in allen deutschen Kinos gezeigt. Als Hauptbelastungszeuge der Anklage wird der Journalist Ewen Butter vorgeführt, der aussagt, dass MacFarlane ihn bereits im Sommer 1938 in seine Planung eingeweiht und ihm gegenüber mehr als deutlich gemacht habe, wie er Hitler einschätzte. Auch Botschafter Henderson macht eine Aussage und berichtet von seinen ständigen Auseinandersetzung mit dem Militärattaché und dessen Eigenmächtigkeiten. Auch weist er im Namen der britischen Regierung noch einmal jegliche Anschuldigungen gegenüber dem MI6 entschieden zurück. MacFarlane habe, wie es seine Art sei, wieder einmal völlig eigenmächtig gehandelt. MacFarlane selbst gibt sich als überzeugter Tyrannenmörder, der nicht mehr tatenlos habe zusehen können, wie Europa auf einen zweiten Weltkrieg zugesteuert sei. Am 4. Mai 1939 wird Noel Mason-MacFarlane vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 5. Mai frühmorgens in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Plötzensee durch den zuständigen Scharfrichter Friedrich Hehr mit der Guillotine enthauptet. Sein Leichnam wird verbrannt und die Asche in der Spree verstreut.

Guillotine ploetzensee

Hinrichtungsraum der JVA Plötzensee

Der Hinrichtung gehen zahlreiche Protestaktionen und Versuche voraus, den Angeklagten doch noch vor der NS-Justiz zu bewahren und nach Hause zu holen. In der britischen und auch der amerikanischen Öffentlichkeit, die sowohl den Bruch des Münchner Abkommens durch die Besetzung der Rest-Tschechei als auch die Eskalation der Nazi-Barbarei in der Reichspogromnacht sehr genau registriert hatten, wird Mason-Mac, wie er von Kollegen genannt wurde, wie ein Volksheld gefeiert. Während des Prozesses in Berlin demonstrieren zahlreiche Menschen überall im Vereinigten Königreich und in den Vereinigten Staaten für seine Freilassung. Auf den offiziellen Kanälen versuchen beide Regierungen, eine Überstellung MacFarlanes zu erreichen, um ihn in Großbritannien selbst vor ein Militärgericht zu stellen und hart zu bestrafen. Zuletzt bietet London sogar die Zahlung eines Lösegeldes an und schickt einen Sondergesandten nach Berlin, in der Hoffnung, ein neues Abkommen aushandeln zu können, das die durch das Attentat entstandenen Spannungen auflösen würde. Göring bleibt jedoch eisern und besteht auf dem Recht des Deutschen Volkes auf Vergeltung am Mörder seines Führers.

Obwohl diese Initiativen die Führung des Großdeutschen Reiches letztlich nicht zum Einlenken bewegen und die Hinrichtung und anschließende Verbrennung und Beseitigung des Leichnams bewusst darauf angelegt sind, die Entstehung eines Märtyrerkults um Colonel Frank Noel Mason-MacFarlane zu verhindern, bleibt er doch eine der bekanntesten Gestalten der britischen Geschichte. Auch fällt sein Name häufig im selben Atemzug mit anderen weltberühmten Attentätern wie Marcus Iunius Brutus (Gaius Iulius Caesar), John Wilkes Booth (Abraham Lincoln) oder Gavrilo Princip (Erzherzog Franz-Ferdinand von Österreich).

Das Führerbegräbnis[]

Hitler-Mausoleum

Das Hitler-Mausoleum auf dem "Platz des Blutes der Märtyrer" in München

Eine innerhalb der Reichsregierung strittige Frage wäre diejenige nach dem Bestattungsort Hitlers gewesen. Denjenigen, die ihn kannten, erschienen sowohl München, die "Hauptstadt der Bewegung" als auch Linz, die "Führerstadt", plausibel. In persönlichen Gesprächen hatte Hitler gegenüber seinen engsten Vertrauten mehrfach darauf hingewiesen, dass er seinen Lebensabend in Linz auf einem eigens errichteten Altersruhesitz beschließen wolle, sobald sein Werk getan wäre. Dem entsprach sein Hang zum Idyll, das sich auch in der Wahl seiner Sommerresidenz, dem Berghof in Obersalzberg, zeigte. Die Befürworter einer Beisetzung in München hätten demgegenüber vor allem die Bedeutung der Stadt für den Nationalsozialismus und die größere Öffentlichkeitswirksamkeit beschwören können.

Letztlich entscheidet Göring aufgrund der besonderen Bedeutung der umliegenden Bauten, zu denen auch die beiden "Ehrentempel" für die Sarkophage der "Blutzeugen der Bewegung", der Toten des Putschversuchs vom 8. November 1923, gehören, ein ähnlich gestaltetes Mausoleum für den Führer diesem Ensemble hinzuzufügen. Der Königsplatz wird dadurch endgültig zum Zentrum des Märtyrerkultes der NSDAP.

Trauerzug für Adolf Hitler

Der Leichenzug des Führers und Reichskanzlers durch die "Hauptstadt der Bewegung" wurde von zahlreichen Anhängern begleitet, die ihm mit Hitlergruß und Sprechchören salutierten.

Am 11. Juni 1939 wird Adolf Hitler schließlich, "nachdem das Volk seinen Tod gerächt hat", im Zentrum des Königsplatzes in München mit "olympischem Pomp" beigesetzt. Auf dem Areal wurde eilig eine provisorische Krypta konstruiert, in der Hitler nun in einem Marmorsarkophag beigesetzt wird, den Benito Mussolini gestiftet hat. Der Trauerzug zieht sich durch die gesamte Stadt und muss mehrfach anhalten, da verstörte Menschen die Polizeiabsperrungen durchbrechen und sich weinend und jammernd zum Sarg vorkämpften, wohl um Gewissheit zu finden, dass es wirklich ihr Führer ist, der dort an ihnen vorbeigefahren wird. Immer wieder ertönen "Sieg Heil!"-Sprechchöre und an mehreren, zuvor bestimmten Stationen, werden das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied angestimmt. Der Leichenzug wird von Staatsgästen aus aller Welt begleitet, darunter dem ungarischen Reichsverweser Miklós Horthy, dem Duce Benito Mussolini, dem spanischen Generalissimo Francisco Franco, dem böhmischen Staatschef Emil Hachá und dem slowakischen Präsidenten Jozef Tiso. Die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich hingegen schicken bewusst Gesandtschaften niederen Ranges, um ihr Missfallen gegenüber dem Regime zum Ausdruck zu bringen. Für Großbritannien nimmt Botschafter Nevile Henderson teil, der enge Verbindungen zu Göring hat.

Hitler Begräbnis

Reichsmarschall Hermann Göring während seiner Grabrede auf den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler

Die Trauerfeier findet unter freiem Himmel vor der Pinakothek auf dem Königsplatz statt. Propagandaminister Goebbels drängt entschieden darauf, das Ereignis öffentlich zu halten und keine über verschärfte Kontrollen der Gäste hinausgehenden Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, da dies dem Volk signalisieren könnte, die Führung des Reiches fürchte um ihr Leben und sei sich ihrer Sache nicht sicher. So tritt Göring für seine Leichenrede ungeschützt nach allen Seiten auf ein offenes Podium, während das ganze Land die Zeremonie vor dem Radio live mitverfolgen kann. Und tatsächlich wird dieses Auftreten allgemein als Signal der Stärke gedeutet und festigt nachhaltig das Vertrauen in die Reichsregierung und das neue Staatsoberhaupt.

Joseph Kennedy Sr

Der amerikanische Botschafter in London, Joseph P. Kennedy Sr., bei seiner Landung in München

Ein mittelgroßer diplomatischer Skandal entsteht am Rande durch die unvermittelte Anwesenheit des amerikanischen Botschafters in London, Joseph P. Kennedy, bei der Trauerfeier. Dieser hatte sich bereits in der Vergangenheit wiederholt hitlerfreundlich geäußert, seinen eigenen Präsidenten als "in den Händen der Juden" gefangen diffamiert und eigenmächtige diplomatische Initiativen ergriffen. Die offizielle Delegation, völlig überrascht vom Erscheinen des Botschafters, überlässt Kennedy das Feld, der am Rande der Veranstaltung das persönliche Gespräch mit Hermann Göring sucht. Dabei bietet er sich als neutralen Vermittler an und behauptet, er könne den amerikanischen Präsidenten davon überzeugen, zu einer Friedenskonferenz in die Staaten einzuladen und den deutsch-britischen Ausgleichsprozess zu moderieren. In Washington freilich kann Präsident Roosevelt ihm dieses Verhalten nicht anders denn als Verrat auslegen und erteilt ihm die ausdrückliche Anweisung, keine ungenehmigten Auslandsreisen mehr zu unternehmen, sondern sich auf seine Kernaufgabe in Großbritannien zu beschränken. Die britische Regierung ihrerseits fährt in der Folge die Zusammenarbeit mit der amerikanischen Botschaft stark herunter. Nur seinem freundschaftlichen Verhältnis zu Premier Chamberlain ist es zu verdanken, dass das Foreign Office ihn nicht zur persona non grata erklären lässt. Lob erhält er hingegen von Charles Lindbergh, der in den Vereinigten Staaten bereits seit einiger Zeit als entschiedener Fürsprecher einer Aussöhnung mit dem Großdeutschen Reich auftritt und mit dem Kennedy schon zuvor in Kontakt gestanden hatte.

Göring als Führer und Reichskanzler[]

Hermann Goering Portrait

Offizielles Portrait Görings

Wenn nun im Folgenden versucht wird, Görings Handeln in seiner neuen Position als Führer und Reichskanzler zu skizzieren, müssen die bekannten Faktoren seiner Persönlichkeit und seines bisherigen Verhaltens seit der Machtergreifung gebührend berücksichtigt werden, um zu einer realistischen Einschätzung zu gelangen. Sicher können hier zahlreiche ‚harte‘ Faktoren ausgemacht werden, die auch das neue Amt nicht plötzlich völlig verändert hätte. Dazu muss sein Dauerkonflikt mit der Partei ebenso gezählt werden wie seine Personalpolitik oder sein allgemeines Auftreten und sein Führungsstil.

Anders als Hitler dies getan hatte und anders als dies die Partei forderte, griff Göring bei der Besetzung wichtiger Posten in aller Regel nicht auf Parteikader zurück, sondern entweder auf persönliche Vertraute - bei denen es sich fast ausschließlich um ehemalige Weltkriegskameraden handelte - oder auf parteiferne Fachleute. Der harte Kern dieser "Göringianer" änderte sich über die vielen Jahre nur unwesentlich. Wo dies notwendig war, wurden die vorhandenen Kräfte neu verteilt, um eine größtmögliche Bandbreite an Arbeitsfeldern zuverlässig abzudecken. So konnte der Generalfeldmarschall sich größtmögliche Unabhängigkeit von den Parteistrukturen und deren Protagonisten bewahren und sich einen Kreis von persönlichen Gefolgsleuten aufzubauen, deren Loyalität ausschließlich ihm galt. Das Ideal soldatischer Kameradschaft erhob er auch innerhalb der Regierung zum Maßstab, an dem sich seine Sympathien gegenüber den Kabinettsmitgliedern bemaßen.

Wir dürfen also davon ausgehen, dass er nach einer gewissen Kulanzzeit wie bereits im Preußischen Staatsministerium auch in der Reichsregierung einige enge Vertraute in führende Positionen berufen hätte. Besonders Paul Körner und Karl Bodenschatz waren für ihn an den entscheidenden Schnittstellen unverzichtbar. Auch andere langjährige Vertraute wären hierfür infrage gekommen, wie der Leiter seines Stabsamtes Erich Gritzbach. Seine parteiunabhängige Beamtenpolitik, die seine preußischen Aktivitäten geleitet hatte, hätte Göring mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf Reichsebene fortgesetzt und sich damit das fortwährende Misstrauen der Partei gesichert. Allerdings muss dazu erwähnt werden, dass er auf die Ministerien nur mittelbaren Einfluss hätte nehmen und dort die Politisierung der Beamtenschaft – wenn auch gebremst – weiter hätte voranschreiten können.

Görings Verhältnis zu den übrigen Schlüsselfiguren des Regimes[]

Auch unter den Reichsministern hätte er wohl wiederum diejenigen zu fördern und in seinen engeren Kreis zu integrieren versucht, die der Partei nicht zu nahe standen und sich vor allem durch ihre fachliche Qualifikation – in Teilen schon deutlich länger, als Hitler im Amt gewesen war – auf ihren Posten hatten halten können. Zu diesem Kreis zählen vor allem Finanzminister Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk, Justizminister Franz Gürtner, Verkehrsminister Julius Dorpmüller, Arbeitsminister Franz Seldte, der Minister ohne Geschäftsbereich Hjalmar Schacht, der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Wilhelm Keitel, der Chef der Präsidialkanzlei Otto Meissner und der Chef der Reichskanzlei Hans Heinrich Lammers. Alle diese Minister entsprachen Görings Anforderungen und hätten sich wohl auch unter ihm längerfristig auf ihren Posten halten können. Die meisten von ihnen hatten vor der Machtergreifung entweder der DNVP nahegestanden oder waren parteilos gewesen.

Zu Görings wenigen Verbündeten innerhalb der Partei zählten die Minister Hanns Kerrl und Bernhard Rust, die Göring große Verehrung entgegenbrachten und mit ihm wesentliche Grundgedanken über den wünschenswerten Aufbau des NS-Staates teilten. Beide waren bereits an seiner Machtergreifung in Preußen beteiligt gewesen. Kerrl war Landtagspräsident, Rust Kultusminister gewesen. Später stiegen beide in die Reichsregierung auf. Kerrl wurde zudem Görings Stellvertreter als Reichstagspräsident. Eine persönliche Freundschaft verband ihn darüber hinaus mit Hans Frank, dem wichtigsten Rechtstheoretiker der Partei und 1934 von Adolf Hitler zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich ernannt.

Unter den übrigen Mitglieder der Reichsregierung wäre wohl vor allem Hans Heinrich Lammers in Görings bürokratischem Apparat eine Schlüsselrolle zugekommen, da er als Kanzleichef die zentrale Zugangshürde zum Führer darstellte und außerdem dafür sorgte, dass dessen Wünsche in verwaltungskompatible Rechtstexte übersetzt wurden.

Unter Hitler war er die maßgebliche Schaltstelle im Zentrum der Macht, die erst in den Kriegsjahren nach und nach zugunsten von Martin Bormann an Einfluss verlor. Unter Göring erscheint eine solche Entwicklung unwahrscheinlich.

Von den übrigen Granden des NS-Regimes hatten nur wenige eine stark zementierte Machtbasis. Dort sind in erster Linie zu nennen:

  1. der Stellvertreter des Führers Rudolf Heß, dem die faktische Leitung der Partei und aller angeschlossenen Organisationen und Institutionen oblag, nebst seinem Stabsleiter Martin Bormann, der ihn im tagespolitischen Geschäft mehr und mehr an den Rand drängte,
  2. der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler, der unter anderem über den ‚Freundeskreis Reichsführer-SS‘ auch enge Kontakte zur Wirtschaft pflegte, nebst seinem Stellvertreter Reinhard Heydrich, dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD,
  3. der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels, der mit seinem Ministerium, seinem Propagandaapparat und seiner öffentlichen Sichtbarkeit als ‚Stimme der Regierung‘ großen Einfluss auf die Öffentlichkeit ausübte,
  4. der Reichsminister des Innern und Führer der NSDAP-Reichstagsfraktion Wilhelm Frick,
  5. der Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Walther von Brauchitsch,
  6. der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Großadmiral Erich Raeder, nebst dem Führer der U-Boote Karl Dönitz, mit dem er sich wegen der Prioritäten der Flottenrüstung im ständigen, offen ausgetragenem Streit befand.

Viele der anderen Reichsminister spielten nur eine untergeordnete Rolle und waren in Teilen schon seit Jahren nicht mehr von Hitler in wesentliche Entscheidungen einbezogen worden. An dieser Stelle hätte Görings Führungsstil sicherlich dazu beigetragen, seinen Zugriff auf die Ressourcen der Reichsminister sicherzustellen. Denn ein wesentlicher Unterschied zwischen den Kabinetten Hitler und Göring hätte sich wohl vornehmlich darin gezeigt, dass letzteres nicht nur auf dem Papier bestanden, sondern auch tatsächlich zu regelmäßigen Sitzungen zusammengekommen wäre. Durch diesen kollegialen Führungsstil hatte er sich bereits in Preußen der Loyalität und Effektivität der Kabinettsmitglieder versichern können. Damit hätte Göring sich - nicht ohne Risiko, aber im vollen Bewusstsein der realen Machtverhältnisse – des diktatorischen Duktus entkleidet. Denn obgleich Görings Führungsposition nicht offen zu Debatte stand, war doch sowohl im Inland als auch im Ausland allen klar, dass er nicht das Charisma besaß, das nötig war, um die übrige Führung dauerhaft durch einen Personenkult an sich zu binden. Denn so sehr Göring auch versucht hätte, seine Macht durch seinen neuen Führungsstil zu sichern, so wäre dies doch letztlich vor allem ein Eingeständnis dessen gewesen, dass er nie über dieselbe Machtfülle verfügen würde wie Hitler, obwohl er dessen Amt geerbt hatte.

Innerhalb der Reichsregierung wären sich widersprechende persönliche Interessen der Minister unter Göring deutlich offener zutage getreten und vehementer verfolgt worden, als dies einer der Beteiligten unter Hitler je gewagt hätte. So forderte beispielsweise Justizminister Gürtner die Abschaffung des Willkürinstruments der Schutzhaft, die von Innenminister Frick und Polizeichef Himmler eisern verteidigt wurde. Außenminister Joachim von Ribbentrop sah sich als neuer Bismarck und wollte freie Hand, um ein gegen England gerichtetes System aus ineinander greifenden Sicherheitsbündnissen in Europa zu schaffen und London so zu isolieren und aus der kontinentalen Politik hinauszudrängen. Dem widersetzten sich diejenigen, die jegliche Zusammenarbeit mit Stalin oder Konzessionen gegenüber Frankreich als Verrat am Nationalsozialismus auffassten. Wirtschaftsminister Funk wollte den deutschen Außen- und Devisenhandel durch die Schaffung einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft stabilisieren, in der Waren nicht in Währung, sondern im direkten Tauschhandel zollfrei zirkulieren sollten. Auch strebte er eine europaweite Loslösung vom Goldstandard an. Landwirtschaftsminister Walther Darré erträumte sich eine Rückkehr in die vorindustrielle Zeit, während Göring und Funk einen eisernen Industrialisierungskurs steuerten. Himmler und Rosenberg wollten schnellstmöglich mit der Germanisierung des Protektorats Böhmen und Mähren beginnen, Reichsprotektor Konstantin von Neurath empfahl demgegenüber eine behutsame Wiederannäherung des tschechischen an das deutsche Volk.

In diesem Wirrwarr von divergierenden Einzelinteressen wäre Göring nichts anderes üblich geblieben als jedem anderen Politiker: Er musste versuchen, Kompromisse zu schließen. So oft ein Kompromiss tatsächlich gelungen wäre oder ein Kuhhandel zu einem Interessenabgleich beigetragen hätte, hätte er dies als Sieg verbuchen können. Auf der anderen Seite hätten aber jeder Fehlschlag und jede nach außen getragene Differenz innerhalb der Reichsregierung oder dem Reichstag seinem Ansehen und dem Ansehen der Reichsleitung insgesamt geschadet. So hätte Görings Alleinherrschaft von Beginn an auf tönernen Füßen gestanden.

An Konkurrenten um die Macht im Reich hätte es nicht gemangelt, auch wenn wohl niemand offen auf seinen Sturz hingearbeitet hätte. In diesem Zusammenhang hat Demandt zurecht darauf hingewiesen, dass der Ordnungssinn der Deutschen dafür gesorgt hätte, dass sämtliche Machtkämpfe hinter verschlossenen Türen stattgefunden hätten. Interne Auseinandersetzungen hätten nur das Vertrauen der Bevölkerung in die NS-Führung untergraben können. Daran konnte niemandem gelegen sein.

Verhältnis zu Rudolf Heß und der Partei[]

Rudolf Heß

Rudolf Heß, Stellvertreter des Führers

Unter den Konkurrenten ist zunächst der Stellvertreter des Führers Rudolf Heß zu nennen, der nach Hitlers Tod angesichts von Görings Desinteresse an der Parteiarbeit, spätestens aber mit der Erklärung des Verteidigungszustands wohl de facto die Führung der NSDAP übernommen hätte. Das Reichsverteidigungsgesetz legte fest, dass der Stellvertreter des Führers "die politische Willensbildung des Deutschen Volkes" zu lenken und sich zu diesem Zweck der NSDAP und der ihr angeschlossenen Organisationen zu bedienen habe. Sein im Sinkflug befindlicher Stern hätte dadurch noch einmal neuen Auftrieb erhalten.

Über den neuen Führungsstil von Hitlers Nachfolger wäre er wohl in tiefer Sorge gewesen. Görings Vorstellungen vom Wert der Partei und ihrer Stellung zum Staat hätten nicht grundlos den Eindruck erweckt, der Staatschef werde nun darangehen, seine Pläne zur Verstaatlichung der Bewegung in die Tat umzusetzen. Für Rudolf Heß, der sich bereits unter Hitler als "Puritaner der Bewegung" einen Ruf als spartanischer Minimalist erworben hatte, der vor allem auch Prunksucht und Korruption in den eigenen Reihen stets gegeißelt hatte, wäre als gewichtiges Argument hinzugekommen, dass Göring selbst einen königsgleichen Lebensstil pflegte, sich über die Jahre zahlreiche Kunstschätze für seine private Sammlung auf Gut Carinhall und Burg Mauterndorf zusammengerafft hatte und auch sonst Heß' strengem Moralkodex in keiner Weise gerecht werden konnte.

Martin Bormann und Rudolf Heß

Rudolf Heß mit seinem Stabsleiter Martin Bormann

Hinter Heß war dessen Stabschef Martin Bormann die zentrale Instanz und der Hauptorganisator innerhalb der NSDAP. Wie in unserer Zeitlinie hätte er wohl den Stellvertreter des Führers, der mit den Jahren immer stärker schizophrene Züge entwickelte und durch andauernde Kopfschmerzen häufig kaum ansprechbar war, immer mehr in eine zeremonielle Rolle abgeschoben. Mit den Jahren hätte er sich wohl die wesentlichen Machtmittel der Partei für seinen eigenen Aufstieg dienstbar zu machen gewusst. Seine Ambitionen waren ein offenes Geheimnis.

Für Göring musste diese Machtkonstellation ideal wirken. Rudolf Heß war zwar ein glühender Verehrer Hitlers und Architekt des Personenkultes um ihn, aber weder ein Machtmensch aus eigenem Antrieb noch eine treibende Kraft der Reichspolitik. Heß hätte sehr wohl über längere Zeit die zeremonielle Rolle des Parteichefs weiterspielen können, ohne dadurch zu einer ernsten Gefahr für Göring zu werden. Heß hätte sich vielmehr voll und ganz auf die Pflege von Hitlers Nachruhm konzentrieren können. Das hätte Göring wiederum bis zu einem gewissen Grad von der Notwendigkeit entbunden, dies selbst zu tun. Demgegenüber war Martin Bormann ein hervorragender Organisator, den Göring gut hätte gebrauchen können, um einen Fuß in die Partei zu bekommen. Bormann seinerseits hätte durch ein Zweckbündnis mit Hitlers Nachfolger seine eigene Macht ausbauen können. Mit der Zeit wäre Rudolf Heß jedenfalls mehr und mehr als eigenständiger Fakor ausgefallen. Sein sich verschlechternder Geisteszustand hätte mittelfristig die Machtbalance gefährdet.

Doch in der Breite der Partei hätte Göring enorme Probleme gehabt, sich durchzusetzen. Die alten NSDAP-Kader betrachteten seinen Aufstieg mit großem Misstrauen. Für sie war er kein echter Nationalsozialist, sondern ein opportunistischer, ausgedienter Offizier, der die Partei vornehmlich als Sprungbrett nutzen wolle, um gegenüber der Generalität an Macht und Einfluss zu gewinnen. Im Herzen sei er aber vor allem sich selbst und seinem persönlichen Ruhm verpflichtet, nicht den Idealen Hitlers und der Partei, die er geformt hatte. In diesen Tenor stimmten auch viele der inzwischen vollkommen dem Nationalsozialismus dienstbar gemachten Reichsministerien ein, die immer wieder davor warnten, Göring verfolge eine eigene Agenda mit abweichlerischer Zielsetzung, die Partei und Staat schaden könnten.

Ebenso wie die Partei Distanz zu Göring hielt, stand Göring seinerseits der Partei kritisch gegenüber. Görings Vorstellungen vom nationalsozialistischen Staat unterschieden sich wesentlich von denjenigen Hitlers und der NSDAP. Während für Hitler und den Großteil der Parteielite klar war, dass die nationale Revolution in irgendeiner Form zum Aufgehen des Staates in der Partei führen solle, hing Göring der Vorstellung eines ‚Staatsabsolutismus‘ an, der sich alle übrigen Strukturen unterzuordnen hatten. Hitler hatte 1934 auf dem Reichsparteitag verkündet, dass nicht der Staat der Partei, sondern die Partei dem Staat zu befehlen habe. Göring seinerseits erklärte 1933 bei der Eröffnung des Preußischen Staatsrates, nach der Machtergreifung und der „Vernichtung der Parteien“ habe die NSDAP als Massenorganisation ihren Daseinszweck erfüllt. Stattdessen solle sie zu einem kleinen Orden mit dem Ziel der Auslese des zukünftigen Führungspersonals zurückgebildet werden. Nicht die Partei, sondern der Staat als „militantes Wesen“, als Hobbes’scher Leviathan, war für ihn Ziel und Inbegriff allen politischen Strebens. Die Partei verstand er als ausführendes Organ, während Hitler den Staat mehr als ausführendes Organ der Partei betrachtete. Dies führte dazu, dass Göring in allen seinen Ämtern den ideologisch motivierten Angriffen der Partei auf staatliche Strukturen entschieden entgegentrat. Görings Kritik richtete sich dabei häufig nicht allein gegen die „Münchner Partei-Spießer“, sondern bisweilen auch gegen Hitler selbst. Besonders vehement bekämpfte Göring Ausschreitungen der Ordnungstruppen der Partei, SA und SS. Immer wieder hatte Göring Heß und Hitler in den vergangenen Jahren schriftlich aufgefordert, nicht nur SA und SS, sondern alle Gliederungen und angeschlossenen Organisationen der Partei mitsamt ihrem Parteiapparat in einer systematischen Säuberungsaktion stalinistischer Art „von Elementen, an denen das Volk mit Recht Anstoß nimmt", zu befreien. Diese Äußerungen müssten für Heß nun, da Göring Nachfolger des Führers war, existenzbedrohend klingen.

Verhältnis zu Heinrich Himmler und der SS[]

Heinrich Himmler

Heinrich Himmler, Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei

Görings schärfster Konkurrent war seit jeher Heinrich Himmler, der Reichsführer-SS, der mit der Schutzstaffel nicht nur den paramilitärischen Arm der Partei kontrollierte, sondern zudem seit 1936 auch Chef der Deutschen Polizei war und somit den gesamten Apparat der inneren Sicherheit im Griff hielt. Zudem verfügte er über Zugriff auf die Geheimdienste und ein ausgedehntes Spitzelnetzwerk. Himmler hatte in den Jahren unter Hitler massiv an Macht gewonnen und dabei unter anderem auch Göring selbst Pfründe gekostet. Bereits 1934 waren die beiden Granden aneinandergeraten, als Göring in seiner Funktion als preußischer Ministerpräsident gegen mehrere KZ-Kommandeure und Wachleute wegen der Misshandlung Gefangener ermitteln ließ. Freilich ging es ihm dabei nicht um deren Wohl, sondern darum, den Machtzuwachs der SS nach dem Röhm-Putsch bestmöglich einzudämmen. Strittig war mit Himmler vor allem die Kompetenzverteilung zwischen Innenminister und Chef der Polizei. Formal war Himmler im Range eines Staatssekretärs dem Innenminister unterstellt, in der Realität agierte der Reichsführer-SS jedoch weitgehend losgelöst von den staatlichen Strukturen des Ministeriums. Unter seinem Stellvertreter Reinhard Heydrich waren die formal eigenständigen Behörden der Sicherheitspolizei (Kripo und Gestapo) und des Sicherheitsdienstes der SS (SD) in Personalunion verbunden.

Um Himmler einzuhegen, wären grundsätzlich mehrere Strategien denkbar. Göring hätte ihn einfach aus allen Ämtern entfernen können. Himmler war seiner esoterischen Neigungen wegen in der SS keineswegs unumstritten. Allerdings hätte er dadurch im schlimmsten Fall eine offene Konfrontation mit der SS herausgefordert. Heydrich, dessen Aufstieg ohne seine enge Verbindung zu Himmler unmöglich gewesen wäre, hätte sicher alles darangesetzt, die ihm zur Verfügung stehenden Kräfte zu mobilisieren. Ein politisches Attentat wäre für ihn wohl der effektivste Weg gewesen, Görings Herrschaft zu beenden. Außerdem hätte Göring mit dem Versuch, Himmler einfach aus seinen Ämtern zu entfernen, einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen, der auch andere Fraktionen der NS-Führung gegen ihn aufgebracht hätte. Ein so massiver Frontalangriff entsprach darüber hinaus auch nicht Görings Stil.

Stattdessen hätte Göring auf eine Taktik zurückgreifen können, die er auch im Luftfahrtministerium schon erprobt hatte, und zwar Kompetenzbereiche neu zuzuschneiden und Sonderinstanzen zu schaffen, um die Macht bestehender Strukturen zu verringern. Mit solchen Methoden hatte er vor allem die Macht seines Staatssekretärs Erhard Milch beschneiden wollen. Ähnliches ließe sich auch für Himmler denken. Ohnehin hätte es nach dem erfolgreichen Attentat auf Hitler einer neuen Aufsicht für die gescheiterten Geheimdienste bedurft, die es nicht vermocht hatten, den Anschlag rechtzeitig aufzudecken und zu verhindern. Unter die Geheimdienste zählten zu dieser Zeit im Dritten Reich der Sicherheitsdienst, der 1938 von Innenminister Frick von einer Einrichtung der SS zu einer staatlichen Organisation erhoben worden war, die Abwehr, der militärische Nachrichtendienst, und Görings Forschungsamt. Eine Koordinierung und Verzahnung der Geheimdienste wäre auch vor dem Hintergrund einer Erklärung des Verteidigungszustandes und der Ausrichtung der gesamten Politik auf die Reichsverteidigung sinnvoll gewesen. Darüber hinaus musste Göring zuallererst selbst ein Interesse daran haben, dass keine Instanz mehr in der Lage sein würde, die nachrichtendienstlichen Mittel gegen ihn zu wenden. Er wusste schließlich aus erster Hand, welche ungeheure Macht ein privater Geheimdienst seinem Besitzer verlieh.

Görings Staatssekretär Paul Körner oblag ohnehin schon die organisatorische Leitung der Vierjahresplanbehörde und der Forschungsabteilung. Beide hätten in einem neuen ‚Reichsministerium für Angelegenheiten des Reichsverteidigungsrates‘ aufgehen können. Erweitert worden wären diese Kompetenzen um die Aufsicht über Sicherheitsdienst und Abwehr. Mit einem solchen Ministerium hätte Göring mehrere Probleme auf einmal gelöst. Er hätte einen loyalen Gefolgsmann, dem er bedingungslos vertrauen konnte und der dazu noch in der Lage war, effektiv zu organisieren und sich schnell auf neue Herausforderungen einzustellen, in den engsten Führungskreis des Reiches eingebracht, die wirtschaftliche Planung mit der militärischen direkt verzahnt, alle Geheimdienste des Reiches in vertrauenswürdigen Händen zusammengefasst und sich so einen neuen, mächtigen Apparat zur Absicherung seiner Position erschaffen. Er hätte Himmler dessen privaten Geheimdienst aus der Hand genommen und die Machtbasis seines Stellvertreters Heydrich zweigeteilt. Einer noch engeren Verzahnung von SS, Sicherheitspolizei und SD wäre somit ein Riegel vorgeschoben worden. Angesichts des unmittelbar herstellbaren Zusammenhangs zwischen der Neustrukturierung der Sicherheitsbehörden und dem Attentat auf Hitler hätten Himmler die Argumente gefehlt, dem nennenswerten Widerstand entgegenzusetzen. Für die Position eines solchen "Reichsverteidigungsministers" wären nur zwei Personen realistisch infrage gekommen: Seine beiden Duzfreunde Paul Körner und Karl Bodenschatz. Da Körner bereits die operative Leitung mehrerer Behörden oblag, wäre Bodenschatz wohl die naheliegendere Wahl gewesen.

In der Bundesrepublik wurde in den 1960er Jahren ein ‚Bundesministerium für Aufgaben des Bundesverteidigungsrates‘ geschaffen, dem einerseits die Leitung des Verteidigungsrates selbst oblag, der alle verteidigungspolitischen Grundsatzfragen zu beraten hatte, zum anderen aber auch die Koordinierung der Arbeit von Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischem Abschirmdienst. Eine vergleichbare Konstruktion wäre auch 1939 möglich und grundsätzlich denkbar gewesen.

Göring-Himmler-Heydrich

Himmler mit seinem Stellvertreter Reinhard Heydrich und Hermann Göring

Andererseits hätte Göring den grundlegenden Dualismus mit Himmler und der SS dadurch nicht beseitigt, sondern den ohnehin bestehenden Graben noch vertieft. Zusätzlich hätte Göring die Gelegenheit aber nutzen können, Heydrich noch enger an sich zu binden. Bereits seit einiger Zeit versorgte Göring Himmlers Stellvertreter bereits mit Spezialaufträgen, so z.B. dem Aufbau der ‚Reichszentrale für jüdische Auswanderung‘. Diese Beziehung hätte er zum beiderseitigen Vorteil noch vertiefen können, um dem Reichsführer perspektivisch seinen engsten Mitarbeiter abspenstig zu machen. Göring war davon überzeugt, dass Himmler vor allem durch Heydrich groß geworden sei. Bekannt ist sein Ausspruch „Himmlers Hirn heißt Heydrich“. Den Reichsführer hielt er demgegenüber für „strunzdumm“.

Als dritte Möglichkeit bliebe ferner eine Verständigung der beiden Granden auf einen für beide Seiten akzeptablen Modus Vivendi. Ein solcher hätte allerdings bedeutet, den Konflikt mit der Wehrmachtsführung in Kauf zu nehmen, der das Drängen der SS auf eigene, militärisch ausgerüstete Kräfte Sorgen bereitete, und Himmler weiterhin das Machtmittel eines eigenständigen, nur seiner persönlichen Kontrolle unterliegenden Geheimdienstes zu belassen. Ausgehend von Görings Antipathie gegen den mächtigen Rivalen sowie auch aufgrund seiner eigenen Staatsdoktrin erscheint ein solches Arrangement, das einen ‚Staat im Staate‘ hätte weiterhin unkontrolliert wachsen lassen, unwahrscheinlich.

Gänzlich unwahrscheinlich ist hingegen Gavriel Rosenfelds Szenario eines 'Staatstreichs von Oben' gegen die SS, zumal innerhalb der ersten Monate nach Görings Amtsantritt. Göring konnte nicht daran gelegen sein, das Machtgefüge des Reiches so schnell derart radikal umzugestalten. Gerade die Möglichkeit, SS und Militär gegeneinander auszuspielen, war ja eine der Stärken des bestehenden Systems. Diesen Trumpf hätte Göring wohl kaum so leichtfertig aus der Hand gegeben. Es darf auch mit guten Gründen bezweifelt werden, dass die Wehrmacht sich wie beschrieben für ein solches Unternehmen willfährig zur Verfügung gestellt hätte.

Verhältnis zu Joseph Goebbels und dem Propaganda-Apparat[]

Joseph Goebbels

Joseph Goebbels, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda

Ein angespanntes Verhältnis verband Göring auch mit dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels. Goebbels gehörte in der Frühzeit der NSDAP zum linken, norddeutschen Flügel um Gregor Strasser und war einer der entschiedensten Befürworter eines "Nationalkommunismus", also gewissermaßen einer "Diktatur des deutschen Proletariats". Eine schwärmerische Romantik brachte er in dieser Zeit Sowjetrussland entgegen. In dieser Phase war er auch ein entschiedener Kritiker Hitlers, dessen wirtschaftsfreundliche Haltung er nicht teilte. Schnell ließ er sich jedoch von Hitlers Auftreten faszinieren und wurde bald zu einem seiner glühendsten Verehrer. Schnell wurde Goebbels das Aushängeschild der Partei und reiste unermüdlich durch das Land, um das Volk für den Führer einzunehmen.

Mit Hermann Göring war Goebbels dabei selten einer Meinung. Außer der Loyalität zu Hitler verband die beiden Paladine wenig. Goebbels der Einpeitscher, der schnell und radikal zum Angriff blies, Göring der Taktiker, der im Hintergrund zunächst alles in die richtigen Bahnen lenkte. Goebbels ein Emporkömmling aus ärmlichen Verhältnissen, Göring in den feinen Kreisen verwurzelt. Goebbels der Revolutionär, Göring der Konservative. Dennoch fanden sich die beiden Granden immer wieder auch zu Zweckbündnissen zusammen. 1931 versuchten sie gemeinsam gegen Heinrich Himmler vorzugehen, der Goebbels' Dienstwohnung hatte verwanzen lassen ("Dieses hinterlistige Vieh muss verschwinden! Auch Göring stimmt darin mit mir überein."). 1938 orchestrierten sie gemeinsam die Reichskristallnacht, obgleich Göring die systematischen Zerstörungen zu weit gingen. Goebbels gegenüber äußerte er im Anschluss: "Mir wäre es lieber gewesen, ihr hättet 200 Juden erschlagen und hättet nicht solche Werte vernichtet." In den folgenden Jahren wechselten sich Phasen inniger Abneigung und beinahe freundschaftlicher Verbundenheit ab.

1933 machte Hitler Joseph Goebbels zum Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda. In dieser Funktion übernahm er die vollständige Kontrolle über das gesamte Pressewesen des Reiches. Er kontrollierte, welche Nachrichten gedruckt wurden, und welche Version der Geschehnisse berichtet werden sollte. Er instruierte die inländische Presse durch regelmäßige Rundschreiben und fütterte die ausländische Presse in einer Pressekonferenz mit ausgewählten Meldungen. Besonders energisch machte Goebbels sich an den Ausbau der neuen Massenmedien, des Radios und des Kinos. Unter seiner Anleitung wurde jeder Haushalt mit einem Radiogerät versorgt, um den Großdeutschen Rundfunk, das offizielle Programm des Propagandaministeriums, empfangen zu können und immer aktuell informiert zu sein. Die Filmstudios in Babelsberg produzierten im Akkord Propaganda-Filme und -Dokumentationen. Hier fand Goebbels, wie er meinte, seine wahre Berufung.

1937 Lida Baarova im Film Patrioten gemeinfrei opt

Lida Baarová, Geliebte des Propagandaministers Joseph Goebbels

Diese Berufung galt aber vor allem dem weiblichen Geschlecht. Der Propagandaminister war für seine Affären berüchtigt. Dutzenden Schauspielerinnen soll er nachgestiegen sein. Seine Frau Magda versuchte lange, die sexuellen Ausschweifungen ihres Ehemannes zu dulden. Familie Goebbels war in der Propaganda zum Aushängeschild des Dritten Reiches stilisiert worden. Magda füllte, da Hitler selbst nicht verheiratet war, die Rolle einer "First Lady" des Reiches aus. Eine offene Ehekrise wäre also propagandistisch eine Katastrophe gewesen.

Als Goebbels jedoch eine Affäre mit der tschechischen Schauspielerin Lida Baarová begann, eskalierte die Situation. Nachdem Goebbels seine Frau zur Führung einer Dreiecksbeziehung aufgefordert hatte, war diese auf Hitler zugekommen, mit dem sie eine innige persönliche Freundschaft verband. Goebbels plante da bereits das Ende seiner politischen Karriere und bat Magda Goebbels um die Scheidung. Magda Goebbels nahm diese Entwicklung mit Wut zur Kenntnis und revanchierte sich ihrerseits mit einem Verhältnis mit Karl Hanke, dem Staatssekretär ihres Ehemanns. Göring war es, der auf Hitlers Anweisung schließlich Baarovas Telefon überwachte und die Liebesbezeugungen des Propagandaministers mitschnitt. Hitler geriet in Rage und verlangte ultimativ das Ende der Affäre. Goebbels knickte erst nach fortgesetzten Schimpftiraden des Führers ein und trennte sich in einem von Göring kontrollierten Telefonat von ihr. Lida Baarova kehrte derweil nach Prag zurück, nachdem sie im Großdeutschen Reich Opfer einer Hetz- und Boykottkampagne geworden war. Es sollte Magda Goebbels allein obliegen, bis Ende 1939 zu entscheiden, ob sie die Ehe fortsetzen oder die Scheidung verlangen wolle. Goebbels seinerseits suchte sich in den folgenden Monaten genau den Mann als Seelentröster aus, der ihn durch seine Telefonüberwachung ans Messer geliefert hatte: Hermann Göring.

Nach dem Tod Hitlers hätte Göring nun die Chance gehabt, Goebbels durch eine Neuauflage dieser deutsch-tschechischen Liebesgeschichte oder eine andere Tändelei ins Abseits zu drängen. Goebbels wäre wohl nach dem Tod Hitlers in eine tiefe Depression verfallen. Schließlich hatte er sie wie kaum ein Zweiter von Wohl und Wehe des Diktators abhängig gemacht. Dass er sich mit neuen Frauengeschichten über diesen Verlust hinwegtrösten würde, darf angenommen werden (In UZL war es schließlich der Ausbruch des Krieges, der ihn so in Beschlag nahm, dass für neue Bettgeschichten keine Zeit und Energie mehr blieb).

Magda Goebbels hätte ihrerseits im Winter 1939 schließlich, auch angestachelt von Hanke, von der Möglichkeit zur Scheidung Gebrauch machen können. Göring hätte dafür gesorgt, dass der Sex-Skandal in den ausländischen Medien zum Top-Thema und sich in der gesamten westlichen Welt das Maul über den Propagandaminister und seine Lüsternheit zerrissen würde. Der Propagandaminister, von dieser Schmutzkampagne und dem öffentlich ausgetragenen Scheidungskrieg mit Magda gekränkt und erschüttert, hätte Göring daraufhin um seine Entlassung gebeten. Göring hätte sich in dieser Lage erneut als verständnisvoller Freund geben und Goebbels seinen Wunsch erfüllen können, ihn als Konsul nach Tokio zu schicken, was ihn vor einer Gefängnisstrafe wegen schuldhafter Scheidung bewahrt hätte. Mit der Ausschaltung von Joseph Goebbels hätte Göring den entscheidenden Meinungsmacher aus dem Verkehr gezogen, der ihm irgendwann einmal hätte gefährlich werden können.

Verhältnis zu Wilhelm Frick und der Reichstagsfraktion[]

Wilhelm Frick

Wilhelm Frick, Reichsinnenminister und Chef der NSDAP-Reichstagsfraktion

Entscheidend wäre für Göring außerdem gewesen, einen Ausgleich mit Reichsinnenminister Wilhelm Frick herzustellen, der neben seinem Posten als Innenminister auch Führer der Reichstagsfraktion war und damit ein nicht unerhebliches Macht- und Druckmittel an der Hand hatte. Eine regelrechte 'Hausmacht', wie sie Heß oder Himmler besaßen, war die Reichstagsfraktion freilich nicht.

Frick war ein versierter Verwalter, der die etablierten Strukturen des Reiches maßgeblich mitgeprägt und mitgestaltet hatte. Obgleich beide sich über die Reichsreform im Streit befunden hatten, gab es doch gemeinsame Anknüpfungspunkte. Dies war zuallererst das Bemühen um eine gut geschulte Beamtenschaft und eine klar strukturierte Verwaltung, die effektiv funktionierte. Hinzu trat das gemeinschaftliche Bemühen um eine Eindämmung Himmlers und der SS. Himmler war als Chef der Deutschen Polizei zwar als Staatssekretär formal Frick und dem Innenministerium unterstellt, de facto hatte er aber die Sicherheitsorgane des Reiches aus den staatlichen Strukturen weitgehend herausgelöst und sie zu einem nur seinem persönlichen Zugriff unterstehenden, unkontrollierbaren ‚Staat im Staate‘ ausgeweitet. Wilhelm Frick hatte in den zurückliegenden Jahren auch darüber hinaus stark an Einfluss verloren. Viele Kompetenzen des Innenministeriums waren mit der Zeit in eigenständige Ministerien ausgelagert worden. Frick befand sich auf dem absteigenden Ast.

Eine Aufwertung Fricks durch die Ernennung zum ‚Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung‘, wie er im Reichsverteidigungsgesetz vorgesehen war, hätte einerseits seine Stellung im NS-Machtapparat stabilisiert und sicherlich dafür gesorgt, dass er sich Göring gegenüber erkenntlich gezeigt hätte, andererseits hätte Göring sich damit einen fähigen und unverzichtbaren Verwalter ins Boot geholt, der wusste, wie ein Staat zu machen war. Im weiteren Verlauf wäre eine Fortsetzung der von Frick angestrebten Reichsreform unter den veränderten Bedingungen einer Herrschaft Görings über das Reich sicherlich in den Bereich des Möglichen gerückt. Eine Fortsetzung der Hitler'schen Polykratie hätte Göring sich auf Dauer nicht leisten können.

Ein weiteres Problem hätte die Regierungsarbeit Görings zusätzlich belasten belasten können: Das Auslaufen des Ermächtigungsgesetzes durch den Tod des Führers und deren Folge, dass "die gegenwärtige Reichsregierung durch eine andere abgelöst" wurde. Dadurch wäre die Reichsregierung wieder auf das reguläre Gesetzgebungsverfahren durch den Reichstag zurückgeworfen gewesen, was nicht nur die Zeit bis zum Beschluss eines Gesetzentwurfs massiv verlängert, sondern auch erstmalig Kompromisse zwischen Reichsregierung und NSDAP-Reichstagsfraktion notwendig gemacht hätte, deren Chef Wilhelm Frick war. Ob diese rechtliche Feinheit allerdings unmittelbar ernsthafte Veränderungen für die Reichsregierung bedeutet hätte, darf mit Recht bezweifelt werden.

Dass dieser Zustand sich unter einer Herrschaft Görings, der von den Parteikadern als opportunistischer Militär betrachtet wurde, der im Windschatten Hitlers und der Partei seine eigene Macht in Teilen auch offen gegen diese ausgebaut hatte, aber dauerhaft gehalten hätte, ist höchst zweifelhaft. Ganz im Gegenteil hielte ich eine Äußerung des Grundkonflikts zwischen Göring und der Partei in einer Weigerung des Reichstags, das Ermächtigungsgesetz erneut beschließen zu lassen, für deutlich wahrscheinlicher. Die Reichstagsabgeordneten hätten wohl mehrheitlich kein Interesse daran gehabt, einem so linienfernen Protagonisten wie Göring - er war innerhalb der Partei als Opportunist verschrien - ein solches Machtmittel einfach an die Hand zu geben. Dass dies per se die Regierungsarbeit gelähmt hätte wie in der Weimarer Republik, halte ich wiederum zumindest in der ersten Zeit für unrealistisch. Göring hätte ja prinzipiell durch das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten nach wie vor die Möglichkeit gehabt, per "Führererlass" zu regieren. In den ersten Monaten nach dem Amtsantritt Görings hätte dieses Instrument wohl noch relativ zuverlässig funktioniert, doch mit der Zeit wären die entstehenden Fraktionen im Reichstag sicherlich immer selbstbewusster geworden. Der Reichstag als Organ wiederum hätte Selbstbewusstsein zurückgewinnen können, wäre es ihm gelungen, zu einem wirklichen Forum des Austausches und der Verhandlungen zwischen den verschiedenen Interessengruppen innerhalb der NSDAP zu werden. Auf Dauer hätte Göring die Interessen der Partei schwerlich ignorieren können. Ob er sich darauf eingelassen hätte, hängt neben seiner Persönlichkeit vor allem von weichen Faktoren wie der tatsächlichen Handlungsfähigkeit des Parlaments ab, also insbesondere von der Frage, ob Göring die Sitzungen des Reichstags weiterhin persönlich als Präsident geleitet oder die Leitung an einen engen Vertrauten – sein Vertrauter Hanns Kerrl war bereits Vizepräsident – abgegeben, aber auf persönliche Anwesenheit Wert gelegt hätte. In einem solchen Fall hätte der Reichstag zum zentralen Forum der Kommunikation mit dem amtierenden Staatsoberhaupt werden können, in dem jede Interessengruppe ihre Forderungen ohne den Umweg über die Ministerialbürokratie hätte artikulieren können. Auf zu großen Druck vonseiten der Reichstagfraktion hätte Göring dann allerdings auch jederzeit mit einem Auflösungsdekret reagieren können. Der politische Austausch war also in Gänze von seinem Wohlwollen gegenüber dem Verfahren abhängig, nicht von den rechtlichen Rahmenbedingungen. Grundsätzlich lassen aber die Erfahrungen aus seiner vormaligen Regierungstätigkeit in Preußen, wo er auch innerhalb der Landesregierung zum Zwecke des Interessenausgleichs dem Kollegialprinzip den Vorzug gab, ein solches Szenario denkbar erscheinen.

Verhältnis zum Militär[]

Milch-Keitel-von Brauchitsch-Raeder

Die Chefs der Oberkommandos der Teilstreitkräfte und der Wehrmacht

Ein weiterer entscheidender Punkt auf Görings Agenda müsste eine Klärung des Verhältnisses zur Wehrmachtsführung sein. Für die Generalität war er nicht der Weltkriegsflieger und der hochdekorierte Kriegsheld, sondern der ausrangierte Hauptmann, dessen Ziel es sei, die Führungsspitze des Militärs zu beseitigen, um die Wehrmacht Hitlers Willen und dessen politischen und ideologischen Vorgaben zu unterwerfen. Der Emporkömmling, der 1933 vom Hauptmann a.D. direkt zum General befördert und zum Chef der Luftwaffe, eines neuen dritten Truppenteils, ernannt worden war, wurde nicht als gleichwertig anerkannt. Bis 1936 verweigerten ihm die Generäle kollektiv die militärische Anrede und titulierten ihn stattdessen als "Herr Ministerpräsident". Auch misstrauten viele Generäle Göring und hielten ihn für einen unberechenbaren Intriganten - seine Rolle in der Blomberg-Fritsch-Krise war vielen noch in böser Erinnerung.

Allerdings fürchteten auch viele, innerhalb der SS könne eine bewaffnete Gegenkraft zu den Streitkräften erwachsen, ein Ziel, das Heinrich Himmler seinerseits mit außerordentlicher Vehemenz verfolgte. Göring hätte hier durch eine konsequente Linie gegen Himmler und die SS an Boden gewinnen können, in dem er der Wehrmachtsführung das unbedingte Monopol auf die Landesverteidigung zusichern und einen weiteren Ausbau der SS-Verfügungstruppe untersagen konnte. Er hätte sich hier also als das "geringere Übel" präsentieren können. Durch Beförderungen der Oberkommandierenden oder Begünstigungen bei der Rohstoffverteilung für die Kriegsrüstung, vor allem aber durch seine realistische, mit derjenigen der Generalität deckungsgleiche Einschätzung der militärischen Kräfte des Reiches hätte er ebenfalls dazu beitragen können, neues Vertrauenskapital aufzubauen. Denkbar wäre auch die Schaffung eines Heeres- und eines Marineministeriums analog zum Luftfahrtministerium Görings, sodass also Walther von Brauchitsch und Erich Raeder Kabinettsrang erhalten hätten.

Vergleichbare Ministerien für die einzelnen Teilstreitkräfte bestanden auch in anderen Ländern, z.B. in Italien oder Japan. Eine solche Einrichtung wäre also kein Anachronismus gewesen. Vielmehr hätte der Luftwaffenchef sie als Zugeständnis verkaufen können, um Heer und Marine die Ranggleichheit zu bewahren. Durch die Erhebung der Oberkommandierenden von Heer und Marine in Kabinettsrang hätte Göring außerdem auch die Machtbalance innerhalb des Kabinetts zugunsten einer unideologischeren Ausrichtung verschieben können. Ein solches Vorgehen erscheint also auch vor dem Hintergrund von Görings Wissenshorizont und Handlungsspielraum plausibel.

Herausforderungen und Chancen nach 1939[]

Das Großdeutsche Reich hätte sich unter der Regentschaft seines neuen Staatsoberhaupts in den kommenden Monaten und Jahren mit mehreren großen Krisen und politischen Umwälzungen auseinandersetzen müssen. Zugleich hätten sich mit fortschreitender Amtsdauer Görings Risse im vermeintlich monolithischen Gefüge des NS-Staates gezeigt. Die NSDAP war keineswegs ein ideologisch geschlossenes System. In der Vergangenheit hatten sich zahlreiche Flügel zu allen Seiten des politischen Spektrums gebildet, die selbst Hitler nur mit Zwang und Gewalt unter Kontrolle bekommen hatte. Auf die Länge hätte Göring es wohl mit Fraktionsbildung und ideologischer Zersplitterung zu tun bekommen, immer weiter auseinanderdriftenden Vorstellungen davon, wie der Nationalsozialismus zu funktionieren habe. Auch die einzelnen Reichsminister wären immer selbstbewusster geworden und hätten ihre Verordnungskompetenz genutzt, um direkt in ihrem Sinne auf die Reichsverwaltung einzuwirken. Wo ein Sachthema mehrere Ministerien berührte, wäre es nicht selten zu inhaltlichen Konfrontationen zwischen den Ministerien gekommen, die sich widersprechende Anweisungen an die ihnen unterstellten Behörden weitergaben. Göring wäre es, auch aufgrund seines Gesundheitszustandes immer schwerer gefallen, einen Ausgleich zwischen den auseinanderdriftenden Vorstellungen herzustellen, wie der Nationalsozialismus zu funktionieren habe. Stattdessen hätte er sich ein Beispiel an Franco nehmen können, der es über viele Jahrzehnte erfolgreich vermocht hatte, die einzelnen Flügel der Falange gegeneinander auszuspielen und in fortwährende interne Streitereien zu verwickeln. Allerdings hätte Göring dabei in Kauf nehmen müssen, dass einer seiner Kontrahenten, vermutlich am ehesten Heß, Himmler oder Goebbels, über kurz oder lang Görings gestörtes Verhältnis zur Partei ausnutzen würde.

Außenpolitische Lage[]

Das wichtigste Betätigungsfeld Görings nach dem Attentat auf Hitler musste natürlicherweise zunächst die Außenpolitik sein. Traditionell gab es vier Richtungen, nach denen die deutsche Außenpolitik sich historisch orientiert hatte. Der Norden war seit der Reformation natürlicher Anschlusspunkt für protestantisch geprägte Regierungen. Zuletzt hatte Schweden bei der Befreiung der deutschen Staaten von Napoleon entscheidenden Einfluss ausgeübt. Darüber hinaus reichten die wirtschaftlichen und militärischen Kapazitäten Skandinaviens aber nicht aus, um als primärer Bündnispartner für das Großdeutsche Reich in Betracht zu kommen. Eine Orientierung nach Süden war vor allem für katholisch dominierte Herrschaften die natürliche Wahl gewesen. Die Ausdehnung der Habsburger-Herrschaft über Italien und Spanien folgte dieser Logik. Seit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches und der italienischen Einigung war jedoch auch diese Option immer uninteressanter geworden.

Es blieben also der Westen, allen voran Frankreich und Großbritannien, und der Osten, also Russland bzw. die Sowjetunion. Hitler hatte in seiner Programmschrift "Mein Kampf" beide Optionen offen gelassen und prognostiziert, dass das Reich, sollte es seinen Fokus auf die Industrie setzen, einen Ausgleich mit den landwirtschaftlichen Kapazitäten der UdSSR finden müsse. Sollte es hingegen der Landwirtschaft zuneigen, wäre ein Bündnis mit England zwingend. Versuche, ein Bündnis mit Stalin auszuhandeln, hatte es in Ansätzen bereits gegeben. Joachim von Ribbentrop hatte mit seinem Kollegen Litwinow, der allerdings persönlich eher dem Westen als den Nazis zuneigte, bereits Tuchfühlung diesbezüglich aufgenommen. Allerdings hätten solche Bemühungen unter dem überzeugten und militanten Antikommunisten Göring wohl ein jähes Ende gefunden. Es wäre also nur noch die Möglichkeit geblieben, sich nach Westen zu orientieren oder ein nur mäßig potentes Bündnis mit dem Süden, also v.a. Italien und Spanien, zu forcieren.

Wie bereits Kaiser Wilhelm II. 1901 vor Beginn des Weltkrieges gegenüber dem englischen Kriegsminister Lord Middleton prophezeit hatte, sollte die Welt mittelfristig auf eine Konfrontation zwischen dem Westen (dabei vor allem Amerika als neuer Großmacht) und Russland zusteuern, in der das Großdeutsche Reich unter Göring entscheiden musste, ob es sich gegen alle Widerstände von beiden Seiten dem Westen annähern oder langfristig riskieren wollte, als die vom Monarchen erträumte "Mittelmacht" vielleicht am Ende doch zwischen Ost und West zerrieben zu werden, statt wie angedacht die drohende Aufteilung der Welt zwischen Amerika und Russland zu verhindern. Diese typisch deutsche Form des "Nationalneutralismus" sollte mit fortwährender Isolation des Reiches in der innerdeutschen Debatte mehr und mehr an Boden gewinnen.

In UZL sollte der Nationalneutralismus im Zuge der Diskussion um die Stalin-Noten zu Beginn der 1950er Jahre eine letzte Hochphase erleben, bevor er endgültig im Zuge der Westanbindung der Bundesrepublik verdrängt wurde.

Außenpolitische Leitlinien Görings[]

Goering 2

Hermann Göring auf dem Reichsparteitag 1939

Auf dem "Reichsparteitag des Friedens" vom 2. bis 11. September 1939, auf dem vor allem dem Ausland der anhaltende Friedenswille Großdeutschlands demonstriert werden sollte, wäre Göring als neuer starker Mann des Großdeutschen Reiches und als Garant der Stabilität in Mitteleuropa in Szene gesetzt worden. In seiner Eröffnungsrede, in der Göring zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit die Grundzüge seines Regierungsprogramms vorstellte, hätte Hermann Göring offen und unmissverständlich deutlich gemacht, dass allein eine Stellung innerhalb der Weltpolitik des Großdeutschen Reiches würdig sei: Die einer Weltmacht! Dieses Ziel hätte er durch ein enges Zusammenstehen der mitteleuropäischen Staaten gegen die Sowjetunion im Osten ebenso wie gegen die ständigen Einmischungen Großbritanniens in kontinentaleuropäische Angelegenheiten im Westen erreichen wollen. Entgegen der Linie Hitlers, der die deutsche Kolonialbewegung bewusst kleingehalten hatte, hätte Göring auch die Forderung nach einer bedingungslosen Rückgabe der deutschen Kolonien als Vorbedingung für eine Rückkehr Großdeutschlands in den Völkerbund erneuert.

Grundsätzlich hätte er sich aber nach vielen Seiten dialogbereit gezeigt. Er betonte immer wieder, dass ein zweiter europäischer Krieg nicht im Interesse des Reiches liegen könne, man aber auch nicht vor der Selbstverteidigung zurückschrecken werde. In diesem Zusammenhang hätte er besonders auf seine Verdienste um das Zustandekommen des Münchner Abkommens hinweisen können, das 1938 einen eben solchen Krieg im letzten Moment vermieden hatte.

In den allgemeinen Leitlinien der Außenpolitik hätte sich Göring darüber hinaus vermutlich in einer Weise an Spanien und Italien gebunden, die Hitler niemals in den Sinn gekommen wäre. Der Führer hatte für seinen Verbündeten kaum etwas anderes als Verachtung übrig. Mussolini und Franco waren für ihn ein notwendiges Übel, aber niemals ebenbürtig. Das hätte sich unter Göring vollkommen geändert. Er war mit beiden Diktatoren persönlich befreundet und darüber hinaus stand er ihnen ideologisch deutlich näher als Hitler. So hätte Göring viel Energie darauf verwendet, ein enges Bündnis der faschistischen Staaten in Europa und darüber hinaus zu schmieden, um, wie es bereits das Kaiserreich versucht hatte, einen "Block der Mittelmächte" gegen West und Ost gleichermaßen zu bilden. Diese Konzeption wäre spätestens mit dem Abbruch der deutsch-britischen Verhandlungen im Spätherbst 1939 unausweichlich geworden. Unter den Großmächten war das Großdeutsche Reich weitgehend isoliert und die Bündnisoptionen entsprechend begrenzt.

Dafür hätte das Reich auch seine Beziehungen nach Südamerika intensivieren können, wo unter anderem in Brasilien, Chile und Argentinien faschistisch-militaristische Regimes bestanden. Großdeutschland wäre dort allerdings schon bald in einen Interessenskonflikt mit den Vereinigten Staaten geraten, die gemäß der Monroe-Doktrin eine Schutzmachtstellung gegenüber den südamerikanischen Staaten und ein Interventionsrecht beanspruchten. Die südamerikanischen Staaten hätten demgegenüber im eigenen Interesse versucht, Deutschland als Gegengewicht zu den USA ins Spiel zu bringen. Der Aufbau deutscher Stützpunkte hätte ziemlich sicher zu einer militärischen Intervention der Vereinigten Staaten geführt. Für Brasilien war ein solches Szenario ernsthaft befürchtet worden. Es gab sogar bereits konkrete Pläne für eine Invasion und Besetzung der Nordküste des Landes.

Auch im Nahen Osten hätte das Reich potente Partner gewinnen können. Dies trifft zuallererst auf den Iran zu. Das "Land der Arier" war trotz verschiedener Einflussversuche der europäischen Kolonialmächte stets selbstständig geblieben und verfolgte unter Reza Shah Pahlavi, der die alte Kadscharen-Dynastie gestürzt hatte, einen strammen Modernisierungskurs. In der Region suchte er engen Kontakt zur Republik Türkei unter Mustafa Kemal Atatürk, bis dieser 1938 starb. Doch für den Aufbau von Infrastruktur, Bildungssystem, Militär und Industrie benötigte es einen starken Partner. Als solcher kamen weder Großbritannien, das durch ungleiche Verträge die gesamte Ölindustrie des Iran im Griff hielt, noch die Sowjetunion infrage. Stattdessen wurde die Kooperation mit dem Großdeutschen Reich intensiviert und deutsche Ingenieure, Ausbilder, Militärberater und Investoren ins Land geholt. Diese Zusammenarbeit hätte zum beiderseitigen Vorteil noch intensiviert werden können. Insbesondere ein Zugriff auf das iranische Öl wäre für Göring ein wichtiger Trumpf gewesen, während der Shah sich davon militärische Absicherung gegenüber Großbritannien und der Sowjetunion versprach. Dass dieser deutsche Einfluss langfristig hingenommen worden wäre, ist allerdings höchst zweifelhaft. Spätestens im Zuge des Britisch-Sowjetischen Krieges wäre wohl auch der westliche Iran zum Kriegsschauplatz geworden, da er die Hauptkontrahenten im Kaukasus und im Irak voneinander trennte.

Zuguterletzt kommt als möglicher zukünftiger Bündnispartner noch Südafrika hinzu, das spätestens seit 1948 mit der offiziellen Einführung der Apartheid einer ebenso starken internationalen Isolation ausgesetzt war wie Großdeutschland. Ein solches Zusammengehen wäre ganz klar ein Zweckbündnis gewesen und keines, das auf gegenseitiger Zuneigung aufbaute, doch wäre in diesem Fall ein militärisches Eingreifen deutlich unwahrscheinlicher als in den oben genannten Konstellationen.

So war das Zusammengehen mit vielen möglichen Partnern in anderen Teilen der Welt ein Risikospiel mit unklaren Erfolgsaussichten. Militärisch eingreifen können hätte das Reich weder in Brasilien noch im Iran. Dazu war die Entfernung zu groß und der mögliche Vorteil zu gering. Abgehalten hätte dies ein händeringend nach Partnern suchendes Großdeutsches Reich aber vermutlich nicht.

Janusköpfigkeit der deutschen Außenpolitik[]

Konkordat

Unter Hitler entbrannte ein außenpolitischer Wettstreit in der Reichsleitung, auch Hermann Göring (hier beim Abschluss des Reichskonkordats, das eigentlich Vizekanzler Franz von Papen allein verhandeln sollte) beteiligte sich daran

Ein grundlegendes Probem der Außenpolitik des Dritten Reiches war ihre Vielgesichtigkeit. Neben dem Auswärtigen Amt, das eigentlich für diese Aufgabe zuständig sein sollte, führte Hitler die Außenpolitik des Reiches zu einem guten Teil persönlich. Zusätzlich beauftragte er immer wieder Sondergesandte, die über den Kopf von Außenminister von Neurath hinweg Geheimverhandlungen im Ausland führten. Auch die Partei und die SS betrieben jeweils eine eigenständige Außenpolitik. Das Außenpolitische Amt der NSDAP unter Joachim von Ribbentrop, die Auslandsorganisation der NSDAP unter Ernst Wilhelm Bohle, die SS unter Heinrich Himmler, aber auch Hermann Göring mit seinen Luftfahrtattachés verfolgten in ihren eigenständigen Kontakten ins Ausland ihre je eigenen Ziele. Dieser Umstand hatte sich durch die Ernennung Ribbentrops zum Außenminister zwar verschoben, aber nicht aufgelöst. Bei Hitler hatte diese diplomatische Kakophonie Methode und diente seinen Zwecken, indem sie ein weiteres Feld eröffnete, auf dem seine Satrapen untereinander konkurrieren und sich gegenseitig behindern konnten. Letztendlich wurde die Einheitlichkeit der deutschen Außenpolitik an einer Stelle - und nur an einer! - sichergestellt: bei ihm selbst.

Subhash Chandra Bose bei Heinrich Himmler

Die SS verhandelte mit ausländischen Führern und stattete deren Armeen aus; hier zu sehen der indische Nationalistenführer Subhash Chandra Bose im Gespräch mit Heinrich Himmler

Auch unter Göring wäre dieses Schattenspiel sicherlich weitergegangen und hätte sich womöglich noch verstärkt. Für Göring wäre das allerdings katastrophal gewesen. Außenminister Ribbentrop hätte der Reichsmarschall ebenso durch Sondergesandte umgangen wie Hitler von Neurath. Allerdings hätte er selbst nach einer möglichen Ablösung als Außenminister als Leiter des Außenpolitischen Amtes der Partei weiterhin Einfluss üben können. Auch Himmler wäre weiterhin in eigener Mission unterwegs gewesen. Parteiapparat und SS verfolgten vielfach eine eigenständige und teilweise zu den staatlichen Stellen konträre Agenda.

So hätte es vorkommen können, dass die NSDAP eine Schwesterpartei bei Putschvorbereitungen gegen eine Regierung unterstützte, mit der das Großdeutsche Reich eng verbunden war. Besonders eklatante Beispiele aus UZL sind hier die Unterstützung der Pfeilkreuzler in Ungarn, der Ustascha in Kroatien oder der Eisernen Garde in Rumänien. Statt einen Bürgerkrieg innerhalb Deutschlands zu riskieren, hätten Heß und Himmler sich auf Stellvertreterkriege im Ausland gegen die Reichsregierung und deren Außenminister verlegen können.

Militärdoktrin des Reiches unter Göring[]

Die militärische Planung kennt traditionell zwei mögliche Hintergründe für eine Aufrüstung des MIlitärs: Entweder um einen Angriffskrieg zu führen oder andere von einem solchen abzuschrecken. Während Hitler von frühester Zeit an keinen Hehl aus seinen Eroberungsplänen gemacht hatte, neigte die Wehrmachtsführung zum allergrößten Teil der letzteren Linie zu, was sich z.B. 1937 in der weit verbreiteten Empörung innerhalb der Generalität über die sogenannte Hoßbach-Niederschrift äußerte. Die Aufrüstung sollte in ihren Augen das Prestige und die Ehre Deutschlands wiederherstellen und dafür sorgen, dass das Reich als gleichrangige Weltmacht anerkannt wurde. Seit seiner Gründung hatte das Deutsche Reich diesbezüglich einen chronischen Minderwertigkeitskomplex ("verspätete Nation").

Wehrmacht Parade

Eine Frage der Ehre: Die Aufrüstung der Wehrmacht sollte Deutschland endgültig zur ebenbürtigen Weltmacht werden lassen

Mit den Mitteln, mit denen Großdeutschland sich im Zuge der Aufrüstungsbemühungen bis 1940 versorgt hatte, wäre ein erneuter Weltkrieg nicht langfristig zu führen gewesen. Das Dritte Reich konnte ihn in UZL nur deswegen überhaupt führen, weil es die Länder, die es besetzte, umfassend ausplünderte. An die unweigerliche Vorbedingung dafür, nämlich einen Erfolg der Blitzkrieg-Strategie, mochte in der Generalität allerdings niemand recht glauben. Wie schon vor dem Ersten basierten auch vor dem Zweiten Weltkrieg die Militärdoktrinen der beteiligten Mächte auf den Erfahrungen des vorherigen Krieges, die längst überholt waren. Vor dem Ersten Weltkrieg rechnete man mit offenen Feldschlachten und einer tragenden Rolle der Kavallerie, nicht mit Grabenkämpfen und Luftschlachten. Vor dem Zweiten Weltkrieg rechnete man dann mit endlosen Grabenkämpfen, die Deutschland - einer erneuten Seeblockade der Westmächte ohne ebenbürtige Flotte hilflos ausgeliefert - nur hätte verlieren können. Das wollte man um (fast) jeden Preis verhindern. Noch im November 1939 wollten Brauchitsch und Halder gegen Hitler putschen, wenn er zu diesem Zeitpunkt den Angriffsbefehl im Westen gegeben hätte.

Insofern ging die militärische Planung der Wehrmachtsführung tatsächlich eher von lokal und zeitlich begrenzten Einsätzen aus. Göring teilte diese Einschätzung im Wesentlichen und war, was das Vertrauen in die tatsächlichen Möglichkeiten der deutschen Wehrmacht anbelangte, in der Regel deutlich pessimistischer und furchtsamer als das Gros der Generalität.

Um die Großmachtstellung des Reiches langfristig abzusichern, hätte es einer entscheidenden Komponente bedurft: Der Atombombe. Seit dem Februar 1939 war durch einen Vortrag des dänischen Physikers Niels Bohr die grundlegende Möglichkeit, eine Kernspaltungsreaktion als Waffe einzusetzen, bekannt. Bereits im Mai traf sich eine Forschungsgruppe, die das deutsche "Uranprojekt" in Angriff nahm. Begünstigt durch eine anhaltende Förderung von Wissenschaft und Forschung hätte in den '40er Jahren das deutsche Programm zur Erforschung und Nutzbarmachung der Kernenergie unter Otto Hahn und Werner Heisenberg große Fortschritte gemacht. 1944 oder 1945 hätte das Reich wohl seinen ersten Versuchsreaktor in Betrieb nehmen können.

Mjoellnir Detonation

Test einer deutschen Kernwaffe

Einige Jahre später, vermutlich erst 1948 oder 1949, hätte das Großdeutsche Reich dann seine erste Atomwaffe testen können. Doch erst nachdem verschiedene Versuche auch die Einsatzfähigkeit der Atombombe in einer ballistischen Rakete (Aggregat 4) bewiesen hätten, wäre Hermann Göring mit dieser Neuigkeit vor die Weltöffentlichkeit getreten. Die übrigen Weltmächte hätten panisch reagiert. Göring hätte gekontert, dass der Atombombe als Garantin für die Weltmachtstellung des Großdeutschen Reiches gebührender Respekt zu zollen sei und ihre Abschreckungswirkung völlig ausreichend sei, um die Überlegenheit des deutschen Erfindergeistes vor den Augen der Welt zu beweisen. Das Großdeutsche Reich hätte sich somit, da alle Beteiligten sich über die Folgen eines atomaren Schlagabtausches im Klaren waren, de facto unangreifbar gemacht. Die Sowjetunion wäre wenig später als dritte Atommacht nachgezogen, vor Großbritannien und Frankreich.

Die Nutzbarmachung der Kernenergie hätte jedoch weit über ihr militärisches Abschreckungspotential hinaus praktischen Nutzen gehabt, hätten doch Atomkraftwerke eine spürbare Verbesserung der Elektrizitätsversorgung und ein Ende der fast ausschließlichen Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas erreichen können.

Bedeutende Konfliktherde der 1940er Jahre[]

Zu Beginn der 1940er Jahre gab es vielerorts schwelende Konflikte und ungelöste Streitpunkte, die jederzeit eskalieren konnten und auf die die Außenpolitik des Großdeutschen Reiches reagieren musste. Verschiedene Großmächte versuchten weiterhin, mit aggressiven Methoden ihren Einfluss und ihr Territorium zu vergrößern. Insbesondere die Sowjetunion hielt die Zeit für gekommen, verlorene Gebiete, die ehemals zum russischen Zarenreich gehört hatten, zurückzugewinnen und ihre strategische Ausgangslage zu verbessern. Viele Nachbarstaaten trieb die Sorge vor einem sowjetischen Angriff um. Doch auch andere Staaten gerieten aneinander.

Danzig- und Korridorfrage[]
Polish-Corridor-Propaganda-Postcard

Englischsprachige Propaganda-Postkarte: "Was wäre, wenn man einen Kanal durch England gegraben hätte, um Irland einen Zugang zur Nordsee zu schaffen? Würde England eine solche Grenze hinnehmen?"

Seit dem Ende des Weltkrieges und der Abtrennung Westpreußens vom Deutschen Reich war die Landverbindung zwischen Ostpreußen und dem restlichen Reichsgebiet unterbrochen. Zusätzlich war der bedeutendste Hafen der Region als Freie Stadt Danzig vom Reich abgetrennt und der Verwaltung des Völkerbundes unterstellt worden. Schon die Weimarer Republik hatte daher versucht, eine Lösung für dieses Problem zu finden und eine Revision der Nachkriegsgrenzen angestrebt. Diese Versuche waren von der Republik Polen allerdings stets entschieden abgewehrt worden. Mit Hitler schien eine Kehrtwende der deutschen Ostpolitik zu erfolgen. Er schloss einen Nichtangriffspakt mit den östlichen Nachbarn und garantierte den Bestand der Grenze. Doch diese Phase der deutsch-polnischen Annäherung währte nur kurz. Ab 1938 erneuerte auch Hitler die Forderung nach einer Landverbindung nach Ostpreußen. Dies war einer der wesentlichen Gründe für die britische Garantieerklärung für Polen. Grundsätzlich stand die Forderung nach Rückgliederung der Ostgebiete also nie infrage. Unterschiedliche Ansichten gab es im Wesentlichen über den Weg, auf dem diese Rückgliederung erfolgen und welche Gebiete sie konkret umfassen sollte. Als Minimalforderung wurden der Anschluss Danzigs, in dem seit 1933 ebenfalls die NSDAP regierte, und eine exterritoriale Landverbindung durch polnisches Gebiet betrachtet. Beiden Forderungen widersetzte sich die polnische Führung eisern. Der Konflikt hätte spätestens in dem Moment eskalieren müssen, in dem Danzig einseitig seinen Anschluss an das Großdeutsche Reich erklärt hätte. Aufgrund der gespannten Lage und vermehrter polnischer Eingriffe in die Danziger Souveränität in den vorangegangenen Jahren wäre ein solcher Schritt folgerichtig gewesen. Ob Göring allerdings gewillt gewesen wäre, darüber einen Krieg zu beginnen, ist fraglich. In jedem Fall hätte eine solche Danziger Annexionskrise aber die Spannungen mit Großbritannien massiv verschärft.

Konflikt um Siebenbürgen[]
Nordtranssilvanien

Ungarn erhob seit 1919 Anspruch auf Siebenbürgen

Seit Ungarn 1919 Siebenbürgen an Rumänien hatte abtreten müssen, gab es stete Spannungen zwischen beiden Ländern. Insbesondere die Lage der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen (Szekler) war immer wieder Grund für ungarische Beschwerden und Drohgebärden. Die ungarischen Maximalforderungen umfassten die Rückgabe aller ehemals ungarischen Gebiete, inklusive solcher, die mehrheitlich oder ausschließlich von Rumänen bewohnt waren. Rumänien war demgegenüber zu keinerlei Gebietsabtretungen bereit und schlug im Gegenzug einen Bevölkerungstransfer vor, um die Nationalitätenfrage solcherart zu lösen. Da eine solche Umsiedlung aber fast ausschließlich die ungarische Seite betroffen hätte, musste dieser Gegenvorschlag wie ein offener Affront wirken. 1940 drohte ein ausgewachsener Waffengang zwischen beiden Nationen. Ungarn hatte sich in den Jahren zuvor eng an das Großdeutsche Reich angelehnt, Rumänien an Großbritannien, das auch eine Garantieerklärung für das Land abgegeben hatte. Dem Großdeutschen Reich konnte an einem solchen Krieg nicht gelegen sein, brauchte es doch sowohl das rumänische Erdöl als auch die Freundschaft des südöstlichen Nachbarn, der die Balkanflanke absicherte. Noch dazu wären mehrere volksdeutsche Siedlungszentren (v.a. Bessarabiendeutsche und Siebenbürger Sachsen) zwischen die Fronten geraten.

Zweiter Chinesisch- Japanischer Krieg[]
Japan Advance 1939

Vordringen der Japaner in China bis 1939

Seit 1937 tobte in Ostasien der Zweite Chinesisch-Japanische Krieg. Japan hatte zunächst 1932 die Mandschurei besetzt und dort den Marionettenstaat Mandschukuo errichtet. Fünf Jahre später fielen die Japaner schließlich in das chinesische Kernland ein und besetzten den größten Teil der Küste. Einen entscheidenden Sieg konnten sie aber nicht erringen, sodass sich der Kampf zu einem Abnutzungskrieg ohne nennenswerte Geländegewinne entwickelte. Das Großdeutsche Reich hatte sich seit 1936 auf Japan als Bündnispartner festgelegt, wobei der überwiegende Teil der Wehrmachtsführung als auch der Industrie eher einer Allianz mit China zuneigten, das darüber hinaus als Absatzmarkt für deutsche Produkte interessanter schien. Das Bündnis mit Japan war vor allem das Werk von Hitler und Ribbentrop. Hier hätte sich unter Göring eine Veränderung ergeben können. Eventuell hätte das Reich seine guten Kontakte zu beiden Seiten (bis 1941 waren in UZL immer noch Militärausbilder und anderes Personal in China stationiert) auch nutzen können, um einen Waffenstillstand durchzusetzen. Erste Versuche dazu hatte es schon 1938, damals noch unter Federführung von Konstantin von Neurath, gegeben.

Neben dem Hauptkonflikt auf dem chinesischen Festland schwelten zwei weitere Konflikte in unmittelbarem Zusammenhang damit. Im Norden eskalierte immer wieder der Japanisch-Sowjetische Grenzstreit. Nominell ging es dabei um die Grenzziehung in Bezug auf einige kleine Flussinseln, doch de facto versuchte die Imperiale Japanische Armee, auszuloten, wie es um die Verteidigungskapazitäten der Roten Armee in Fernost bestellt war. Seit dem Ende des Russisch-Japanischen Krieges 1905 hielt man die Russen für schwach, unmotiviert und unorganisiert. Daher versprach man sich mit den Sowjets ein leichtes Spiel. Insbesondere an der Grenze zwischen den Klientelstaaten Mongolei und Mandschukuo sollte es in der Folge immer wieder zu Scharmützeln kommen, die sich ggf. zu einem ernsthaften Waffengang auswachsen könnten.

Japanische Blockade von Tientsin 1939

Britische Soldaten hinter der Blockadelinie in Tientsin, 1939

Ein weiterer Punkt war die bereits seit vielen Jahren in Gang befindliche antikolonialistische Propaganda der Japaner, deren erklärtes Ziel es war, den Einfluss der europäischen Kolonialmächte in Ost- und vor allem Südostasien zu beenden. Es existierten bereits detailierte Planungen für eine Besetzung der rohstoffreichen Kolonie Niederländisch-Indien, die man für ein leichtes Ziel hielt. Auch Invasionspläne für die Philippinen und Malaysia waren im Marineministerium in Vorbereitung. Besonders gefährdet waren aber die europäischen Konzessionen in China. In der Stadt Tientsin war am 9. April ein ranghoher Vertreter der chinesischen Kollaborationsregierung ermordet worden. Obwohl die britischen Behörden die Attentäter schnell aufgegriffen und ausgeliefert hatten, wollte der Generalstabschef der Truppen in Nordchina, Tomoyuki Yamashita, den Zwischenfall ausnutzen, um die britische Präsenz zu beenden, und umgab die gesamte Stadt mit elektrifiziertem Stacheldraht. Jeder Grenzübertritt war mit hohen Hürden verbunden. Es mehrten sich Berichte über Schikanen und Demütigungen vonseiten der japanischen Soldaten, die so weit gingen, dass sich Frauen für eine Leibesvisitation angeblich vollständig entkleiden mussten. Dies führte zu einer weiteren dramatischen Verschlechterung der britisch-japanischen Beziehungen. Ein Britisch-Japanischer Krieg schien nicht mehr völlig ausgeschlossen.

In UZL wurde der britischen Regierung unter Chamberlain von ihren Beratern bedeutet, dass nur die Entsendung eines Großteils der Royal Navy imstande sein könnte, ausreichend militärischen Druck aufzubauen, um Japan zum Einlenken zu bewegen. Dagegen sprach vor allem die Bedrohung durch die agressive Expansionspolitik Deutschlands und Italiens. Insbesondere der französische Premierminister Édouard Daladier protestierte entschieden gegen Planungen, die britische Flotte aus dem Mittelmeer abzuziehen. Ob diese oder ähnliche Voraussetzungen in der AZL ebenfalls bestanden und eine Verlegung der Schiffe verhindert hätten, hinge vor allem vom Zustand der deutsch-britischen Beziehungen zum August des Jahres hin ab.

Serbisch-Kroatischer Gegensatz[]
Yugoslavia Ethnic 1940

Bevölkerungskarte Jugoslawiens. Eingezeichnet ist die Grenze der Banschaft Kroatien ab 1939.

Der jugoslawische Zentralstaat stand schon seit seiner Gründung auf tönernen Füßen. Obwohl als Allianz der südslawischen Völker gedacht, war Jugoslawien eher ein Groß-Serbien denn ein gleichberechtigtes Miteinander der Serben und der Kroaten. Entsprechend drängten die Kroaten zur Unabhängigkeit. Die meisten Regierungen Jugoslawiens scheiterten an diesem Dualismus der Staatsvölker. 1939 wurde ein neuer Vertrag zwischen der Zentralregierung in Belgrad und den Kroaten geschlossen (Sporazum). Darin wurde die Gründung einer teilautonomen Region der Kroaten beschlossen. Die kroatische Banschaft konnte die Erwartungen der kroatischen Seite allerdings nicht erfüllen, sodass weiterhin der Ruf nach Unabhängigkeit ertönte. Dieser Konflikt hätte sehr wohl noch in den 40er Jahren oder spätestens in den 50ern zu einem Bürgerkrieg eskalieren können, in dem die Kroaten versucht hätten, ihre Unabhängigkeit gewaltsam durchzusetzen. Wie das Großdeutsche Reich auf einen solchen Konflikt reagiert hätte, ist schwer zu sagen. Die jugoslawische Führung neigte den faschistischen Nachbarn zu, ein Teil des Militärs aber eher den Briten. Auf kroatischer Seite hätte mit der Ustascha unter Ante Pavelic eine faschistische Organisation eine wichtige Rolle gespielt. Denkbar ist daher auch, dass das Reich janusköpfig reagiert hätte, indem die Reichsregierung und die Wehrmacht offiziell Belgrad, Partei und SS hinter deren Rücken aber die Ustascha unterstützen.

Forderungen der Sowjetunion gegenüber Finnland[]
Finnische abgetretene Gebiete 1944

Karte der von der Sowjetunion beanspruchten finnischen Gebiete

Ende 1939 erreichten die Spannungen zwischen der Sowjetunion und Finnland, die vor allem darin bestanden, dass Moskau militärischen Zugang und Stützpunkte im Nachbarland forderte, ihren Höhepunkt. Am 30. November 1939 fiel die Rote Armee nach einem verstrichenen Ultimatum in Finnland ein und erlitt in den ersten Wochen des Krieges katastrophale Verluste. In Großbritannien diskutierte man bald über die Entsendung eines Expeditionskorps zur Unterstützung der Finnen, die den sowjetischen Vormarsch trotz ihrer massiven Unterlegenheit an Menschen und Material zum Stillstand gebracht hatten. Die nach ursprünglichem Plan für den Februar 1940 versprochene Verstärkung hätte unweigerlich einen Britisch-Sowjetischen Krieg zur Folge gehabt.

Forderungen der Sowjetunion gegenüber der Türkei[]
Straits Map

Karte der Meerengen zwischen dem Schwarzen Meer und der Ägäis

Auch auf die Türkei hatte Stalin schon seit längerem ein Auge geworfen. Seit dem 18. Jahrhundert hatte Russland verschiedentlich versucht, die Kontrolle über die Meerengen am Bosporus und den Dardanellen zu erlangen, um sich einen ungehinderten Zugang zum Mittelmeer zu sichern. Seit Abschluss des Vertrags von Montreux 1936 hatte die Sowjetunion mehrfach von der Türkei gefordert, militärische Stützpunkte einrichten und die Meerengen selbst kontrollieren zu dürfen. Solche Forderungen hatte die Türkei verständlicherweise stets weit von sich gewesen.

Sowjetische Ansprüche Türkei

Karte der von der Sowjetunion beanspruchten türkischen Gebiete

Auch in Ostanatolien war man um eine Revision der Nachkriegsgrenzen bemüht. Ehemals georgische und armenische Gebiete, die bis 1918 zum Russischen Reich gehört hatten, sollten den Sowjet-Republiken wieder angegliedert und mit Exil-Armeniern und Exil-Georgiern neu besiedelt werden, nachdem die christliche Bevölkerung dieser Landstriche 1915 einem Völkermord zum Opfer gefallen war. Auch dieser Konflikt hätte leicht eskalieren können, geht man von den strategischen Planungen der Briten und Franzosen für eine mögliche Offensive gegen die sowjetischen Ölfelder am Kaspischen Meer aus. Diese hätte nämlich Luftschläge von Syrien aus über türkischen Luftraum hinweg beinhaltet. Hätte die Türkei den Überflug gewährt, hätte dies vom Kreml leicht als kriegerischer Akt gedeutet werden können.

Richtungsentscheidung in Großbritannien[]

Für den 14. November 1939 war eine Unterhauswahl im Vereinigten Königreich angesetzt worden. Der Urnengang hätte unter dem Eindruck verstärkter deutsch-britischer Verhandlungen im Verlaufe des Herbstes 1939 gestanden, nachdem über verschiedene Mittelsmänner wie den deutschen Gesandten beim Heiligen Stuhl Ulrich von Hassell, den deutschen Botschafter in der Türkei Franz von Papen, den schwedischen Geschäftsmann Birger Dahlerus sowie den Ministerialdirektor Helmuth Wohlthat zunächst inoffizielle Kontakte geknüpft worden waren.

Die Verhandlungen wären wohl trotz der angespannten Ausgangssituation durch das Attentat auf Adolf Hitler vom 20. April 1939 vielversprechend verlaufen, wurden jedoch auch in UZL immer wieder durch Indiskretionen aus den Kreisen des Foreign Office torpediert, die nicht zuletzt auch die öffentliche Kritik an der Linie von Premier Chamberlain anheizten. Ähnliche Vorgänge sind auch hier wahrscheinlich. Seit der deutschen Besetzung Prags im März des Jahres war die nur kurzzeitig ausgesetzte Appeasement-Politik der Regierung nicht mehr mehrheitsfähig.

Clement Attlee Wahlsieg

Der designierte Premierminister Clement Attlee nach der gewonnenen Unterhauswahl am 14. November 1939

Das Wahlvolk hätte Neville Chamberlain mit Sicherheit für seine versöhnliche Haltung gegenüber dem Großdeutschen Reich unter Göring abgestraft und dadurch der Labour Party unter Clement Attlee einen klaren Sieg und eine komfortable absolute Mehrheit ermöglicht. Einen solchen Wahlsieg konnte Labour nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs tatsächlich einfahren.

In der Folge wären die Beziehungen zwischen Großbritannien und Großdeutschland wieder massiv abgekühlt. Doch schon wenige Wochen später hätte sich die neue britische Regierung vor ganz andere Herausforderungen gestellt gesehen: Den sowjetischen Überfall auf Finnland. Die prosowjetische Grundhaltung des außenpolitisch unerfahrenen Attlee hätte dem strikten Antikommunismus seines Außenministers Ernest Bevin weichen müssen, der durchgesetzt hätte, dass ein britisches Expeditionskorps zur Unterstützung der Finnen entsandt würde. Diese Entscheidung wäre unmittelbarer Auslöser eines Britisch-Sowjetischen Krieges geworden.

Ein solcher Krieg hätte unvermittelt eine neue Chance zur deutsch-britischen Wiederannäherung mit sich gebracht. Für den direkten Zugang nach Finnland wäre jedenfalls die Nutzung des Kaiser-Wilhelm-Kanals, der Nord- und Ostsee verband, von unschätzbarem Wert gewesen. Als Alternativen blieben die Durchquerung der Hoheitsgewässer des neutralen Dänemark oder der Landweg über Norwegen und Schweden. Auch sonst hätte der überzeugte Antikommunist Göring sich diese Chance, im Bunde mit den Westmächten gegen die Sowjetunion aktiv zu werden, wohl schwerlich entgehen lassen. Die Entsendung einer deutschen Eingreiftruppe oder auch die Drohung mit einem offiziellen Kriegseintritt des Großdeutschen Reiches aufseiten der Westalliierten wären sicherlich im Bereich des Möglichen. Wenn also je eine ernsthafte Chance zu einem deutsch-britischen Bündnis bestanden hätte, dann im Zuge einer militärischen Konfrontation zwischen England/Frankreich und Russland, insbesondere angesichts der unleugbaren Tatsache, dass weder die Briten noch die Franzosen darauf vorbereitet waren, einen Krieg gegen die Sowjets sowohl zu führen als auch zu gewinnen bzw. zu einem für die Sowjets unhaltbaren Patt auszubauen. Auf lange Sicht hätte allein die zahlenmäßige Überlegenheit der Roten Armee den Ausschlag gegeben. Eine deutsche Kriegsdrohung (der sich ggf. auch Italien, Spanien und Japan angeschlossen hätten) hätte also im Zweifel dazu führen können, Stalin an den Verhandlungstisch zu holen und einen für den Westen vorteilhaften Friedensschluss zu erwirken.

Auch in den Angelegenheiten des Empire hätte die Amtsübernahme Attlees auch in dieser Zeitlinie eine Zäsur bedeutet, da seine Labour-Regierung daranging, die Dekolonisation voranzutreiben und sich insbesondere mit der Situation in Palästina und Indien zu befassen. Palästina sollte mittelfristig aufgegeben werden, während Indien in den Status eines Dominions aufrücken sollte, also eines im Wesentlichen unabhängigen und selbstverwalteten Staates, der durch die gemeinsame Krone mit Großbritannien verbunden bliebe.

Dieser Plan ließ sich aber weder gegenüber dem Indischen Nationalkongress noch gegenüber der Muslim-Liga durchsetzen. Einzig Mahatma Gandhi sprach sich öffentlich für eine solche Lösung aus, da sie die drohende Spaltung Indiens entlang der Religionsgrenzen verhindert hätte.

Auch die Planungen für die Unabhängigkeit Palästinas wurden in UZL - und sicher auch in dieser AZL - überstürzt. Die Ungewissheit mündete in einen Bürgerkrieg zwischen Juden und Arabern, der sich in dieser Zeitlinie ebenfalls zugetragen hätte, wenn auch mit anderem Ausgang. An die Gründung eines Staates Israel war jedenfalls zu Beginn der 1940er Jahre noch nicht zu denken.

Die Vereinigten Staaten zwischen Isolationismus und Interventionismus[]

Roosevelt Quarantäne-Rede

US-Präsident Franklin D. Roosevelt bei seiner berühmten außenpolitischen Grundsatzrede, der Quarantäne-Rede

Die militärische Eskalation in Europa vonseiten der Sowjetunion hätte jedenfalls mittelfristig ab dem Ende der 1940er Jahre dazu führen müssen, dass die Vereinigten Staaten mehr und mehr von ihrer isolationistischen Außenpolitik abgerückt wären. Die Bekämpfung des Faschismus hatte das nicht vermocht - sehr zum Leidwesen des damaligen Präsidenten, der noch bis zum Ende seiner zweiten Amtszeit vergeblich versucht hatte, eine logistische Unterstützung Chinas gegen den Kongress durchzusetzen. Angesichts der drohenden Eskalation in Europa hatte Roosevelt sich lange die Option offengehalten, sich traditionswidrig (George Washington hatte seinen Nachfolgern empfohlen, nie länger als zwei Wahlperioden im Amt zu bleiben) ein drittes Mal zur Wahl zu stellen. Dafür hätte er von der Demokratischen Partei aber nach dem Tod Hitlers nicht die notwendige Rückendeckung erhalten. In den Vorwahlen 1940 hätte er nach eigenem Bekunden seinen Außenminister Cordell Hull unterstützt, der wie er für den New Deal und eine interventionistische Außenpolitik stand. Seine stärksten Konkurrenten wären John Nance Garner, zuletzt Roosevelts Vizepräsident, und James Farley, Roosevelts Postminister, gewesen. Am Ende hätten sich entweder Hull oder Farley auf dem Parteitag gegen Garner durchgesetzt, der es Zeit seiner politischen Tätigkeit nicht vermocht hatte, die Ostküstendemokraten für sich zu gewinnen und zu sehr in den Südstaaten verwurzelt war.

Wahlsieg Dewey Zeitung

Er wurde 1941 der bislang jüngste Präsident der Vereinigten Staaten: Thomas E. Dewey

Hull oder Farley wäre bei der Wahl jedoch jeweils ihre interventionistische Außenpolitik zum Verhängnis geworden, sodass sie gegen den Republikaner Thomas E. Dewey verloren hätten, der zwar dem New Deal gegenüber positiv eingestellt war, aber außenpolitisch streng dem Isolationismus anhing. Unter Dewey hätten die Vereinigten Staaten sämtliche militärischen Hilfen für China eingestellt und sich im weiteren Verlauf aus den pazifischen Angelegenheiten herausgehalten. Ebenso wäre wohl eine Abkehr von Roosevelts Quarantäne-Politik gegenüber den Achsenmächten in Europa zu erwarten gewesen. Zu sehr hatte sich in den 150 Jahren der Monroe-Doktrin die Vorstellung verfestigt, die Angelegenheiten der Alten und der Neuen Welt voneinander trennen und sich auf dem amerikanischen Doppelkontinent von der Entwicklung in der übrigen Welt abschirmen zu können.

Diese Grundüberzeugung erlitt in UZL erst durch den Zusammenbruch Frankreichs durch Hitlers Blitzkrieg einen merklichen Dämpfer, allerdings reichte auch dies nicht aus, um die amerikanische Öffentlichkeit von einem Waffengang gegen Deutschland zu überzeugen. Erst der japanische Angriff auf Pearl Harbor führte dort zu einem grundlegenden Mentalitätswandel.

Ausbreitung des Kommunismus[]

Mao Tiananmen

Mao Zedong ruft nach dem Sieg der Kommunisten im Chinesischen Bürgerkrieg auf dem Tiananmen-Platz die Volksrepublik China aus

Hätte zu irgendeinem Zeitpunkt allerdings Japan einen Krieg gegen die Sowjetunion geführt (1939 war dies eine reale Möglichkeit), wäre das Ergebnis mit ziemlicher Sicherheit eine vernichtende Niederlage der Japaner gewesen. Die Mandschurei wäre wie in UZL von den Sowjets besetzt und den chinesischen Kommunisten unter Mao Zedong als Operationsbasis überlassen worden. Eine Niederlage der Kuomintang wäre dann nur noch eine Frage der Zeit gewesen. Auch Korea wäre vermutlich dem kommunistischen Machtblock hinzugefügt worden. Mit Kim Il-sung stand bereits ein in Moskau ausgebildeter Parteisoldat bereit, die Führung der japanischen Kolonie zu übernehmen.

Nachdem das bevölkerungsreichste Land der Welt an den Kommunismus verloren gegangen wäre, hätte eine weitere Ausbreitung des sowjetischen Machtblocks in Südostasien gedroht, wo v.a. in Vietnam kommunistische Partisanen unter Ho Chi Minh sehr erfolgreich gegen die französischen Kolonialtruppen kämpften. Doch auch in anderen Weltgegenden hätten kommunistische Gruppen Auftrieb bekommen. Viele nationale Befreiungsbewegungen wurden mit der Zeit von Kommunisten dominiert, so etwa der albanische Widerstand gegen die italienische Besatzung. In Spanien machten noch viele Jahre lang kommunistische Partisanen Franco das Leben schwer. Und auch in Südamerika formierte sich sozialistisch eingestellter Widerstand gegen faschistische Regimes und Militärstaaten.

Erst in dieser Situation wäre in der amerikanischen Öffentlichkeit die Forderung nach einem direkten Eingreifen im erforderlichen Ausmaß gewachsen, um eine weitere Ausbreitung des Kommunismus zu verhindern. Einen vergleichbaren, wenn auch nicht annäherend so starken Effekt hatte in UZL bereits der sowjetische Überfall auf Finnland hervorgerufen.

Spätestens im Laufe der '50er Jahre hätten die Vereinigten Staaten versucht, sämtliche potenziellen Partner in Europa für ein antikommunistisches Bündnis zu umgarnen. Das Großdeutsche Reich hätte in diesen Überlegungen als "Herz Europas" eine zentrale Rolle gespielt, zumal es bereits seit den '30er Jahren sein eigenes antikommunistisches Bündnis betrieb. Mit Präsident Joseph Kennedy Jr. hätte nach 1957 ein gegenseitiger Beistandspakt für den Fall eines sowjetischen Angriffs in Europa oder Asien geschlossen werden können.

Langfristig wären mit der Ausbreitung des Kommunismus und der Rückkehr der USA auf die Weltbühne die wesentlichen Parameter der kommenden Jahrzehnte abgesteckt gewesen.

Innenpolitische Lage[]

Die ersten Jahre der Göring-Herrschaft wären auch innenpolitisch eine turbulente Zeit geworden. Obwohl die NS-Führung alle Schaltstellen der Macht besetzt hielt und den Staat nach ihren eigenen Vorstellungen völlig umgebaut hatte, existierten nach wie vor Reste einer Zivilgesellschaft, die in der Lage war, sich zu Wort zu melden. Auch gab es noch viele ungelöste Probleme, die die Arbeit der Reichsregierung belasteten und ihr das Regieren erschwerten. Göring und seine Reichsminister wären nun energisch daran gegangen, diese offenen Punkte, die vielfach auf Hitlers Unwillen zurückzuführen waren, eindeutige Entscheidungen zu treffen oder getroffenen Entscheidungen eine feste, juristisch greifbare Form zu geben, anzupacken.

Jüdische Frage[]

Ghetto

Eingangstor eines jüdischen Ghettos im Großdeutschen Reich, 1943

In der Judenpolitik hätte die neue Reichsleitung den Kurs Hitlers wohl in weiten Teilen ungebrochen fortgesetzt. Auch nach 1939 wären weitere Maßnahmen gegen die im Reich verbliebenen Juden erfolgt, wie die Aushöhlung des Rechtsschutzes, die fortschreitende Ghettoisierung und die Enteignung von Privatvermögen. Mehr und mehr wären die Juden auf Betreiben Görings in eigenen Stadtvierteln (Ghettos) angesiedelt und so vollends von der übrigen Bevölkerung separiert worden. Die Volkszählung am 17. Mai 1939 hätte personenbezogene Daten zur Auswertung und anschließenden Erstellung einer "Judenkartei" geliefert (eine Nutzung dieser Daten unterblieb in UZL durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs). Mit der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" wäre auch in der AZL eine staatlich kontrollierte jüdische Einheitsgemeinde öffentlichen Rechts geschaffen worden, die der von Göring am 11. Februar 1939 geschaffenen "Reichszentrale für die jüdische Auswanderung" unter Reinhard Heydrich in ihren Bestrebungen zur Verdrängung des Judentums aus dem Reichsgebiet assistieren sollte.

Havaara

Ha'avara-Zertifikat über die geleisteten Transferzahlungen aus Palästina an die deutsche Reichsbank

Das Regime hätte weiterhin die Auswanderung der jüdischen Bevölkerung forciert. Durch das Ha'avara-Abkommen mit den jüdischen Behörden in Palästina konnten diese Bevölkerungstransfers beiderseitig abgesichert und die zur Ausreise notwedige Reichsfluchtsteuer aufgebracht werden, obgleich das Abkommen innerjüdisch massiver Kritik ausgesetzt war und die Verantwortlichen um David Ben-Gurion sich den Vorwurf des "Verrats am Weltjudentum" gefallen lassen mussten. Die ungleiche Allianz zwischen Nazis und Zionisten war eine Zweckgemeinschaft, die mit beiderseitigen Vorteilen rechnete. Für die NS-Führung war das zionistische Engagement für Übersiedlung der europäischen Juden nach Palästina respektabel, da beide sich darin einig waren, dass Juden und Deutsche getrennte Wege gehen sollten und die jüdische Heimstätte nicht in Europa, sondern in Palästina zu suchen war. Für die zionistische Seite bedeutete der Austausch mit dem Großdeutschen Reich einen beträchtlichen Zufluss von Waren nach Palästina, die dort zum Aufbau der Siedlungen genutzt werden konnten. Das Reich wiederum erwirtschaftete auf diesem Wege dringend benötigte Devisen. Mit fortschreitender Zeit wären diese Bemühungen des Regimes wohl von Erfolg gekrönt gewesen. Palästina war auch davor schon das einzig realistische Ziel für die jüdische Auswanderung, auch wenn die britische Mandatsmacht seit dem Ende des Arabischen Aufstands versuchte, den Zionismus zugunsten eines Ausgleichs mit der muslimischen Mehrheitsbevölkerung einzudämmen. Mit der Konferenz von London und dem anschließend vorgelegten MacDonald-Weißbuch gaben die Briten den Plan einer Teilung Palästinas zugunsten einer Einstaatenlösung, die einen mehrheitlich arabische Staat mit einer jüdischen MInderheit, deren Zahl 30% der Gesamtbevölkerung nicht übersteigen dürfe, vorsah, auf. Diese Lösung mobilisierte Wiederum die Zionisten, die ankündigten, das Weißbuch mit allen Mitteln zu bekämpfen. Terroristische Aktivitäten vonseiten der Irgun nahmen daraufhin massiv zu.

Die Führung der Irgun unter Zeev Jabotinsky plante für den Oktober 1939 einen koordinierten Aufstand, der in der Gründung eines Staates Israel münden sollte. Spätestens in diesem Zuge hätte die jüdische Auswanderung nach Palästina wohl noch einmal enormen Auftrieb erfahren, sodass das Ziel, das Großdeutsche Reich füe "judenfrei" zu erklären, nicht völlig unrealistisch gewesen wäre.

Das Judentum wäre in der Folge im Großdeutschen Reich endgültig ein Fall für die Geschichtsbücher geworden. Von einem lebendigen, gelebten Judentum hätten die Deutschen nichts erfahren. Sie hätten keine Berührungspunkte mehr in ihrem Alltag gehabt. Vereinzelt wären wohl in aufgegebenen Synagogen Museen eingerichtet worden.

Die deutsche Erinnerungskultur bezüglich ihrer eigenen jüdischen Bevölkerung wäre wohl vergleichbar gewesen mit Ländern wie Marokko, von wo die Juden nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg vertrieben worden waren. Nur mehr Ruinen und Museen erinnern dort heute an die einst größte Diasporagemeinde Nordafrikas.

Reichsreform[]

Das größte Projekt, das in den folgenden Monaten maßgeblich von Innenminister Frick vorangebracht worden wäre, war eine umfassende Neuordnung der unter Hitler absichtlich chaotisch gehaltenen Verwaltung im Reichsgebiet. Neben den Ländern, die durch die Gleichschaltung de facto keine eigene Macht mehr besaßen, und die bereits von ernannten Reichsstatthaltern geleitet wurden, existierten die Parteigaue, die gegenüber den staatlichen Stellen an Einfluss gewannen, und eine Reihe von Beauftragten, Anstalten, Körperschaften und Behörden, deren Kompetenzen sich in vielen Fällen überschnitten. Dieses Geflecht war bislang durch die gemeinsame bedingungslose Gefolgschaft gegenüber Hitler zusammengehalten worden, der bei Streitigkeiten im Einzelfall entschied, ohne eine permanente Regelung zu schaffen. Diesen Wirrwarr hätte sich die neue Reichsregierung unter Göring nicht mehr länger leisten können. Die Verwaltung musste effektiv funktionieren.

Mit den am 14. April 1939 beschlossenen und am 1. Mai in Kraft getretenen Gesetzen über die Verwaltung der Ostmark (Österreich) und des Sudetenlandes waren erstmalig sogenannte Reichsgaue als neue staatliche Mittelbehörden und Selbstverwaltungskörperschaften gebildet worden. Hitler hatte - vor allem angesichts des Widerstands vonseiten des preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring, der sogar mit seinem Rücktritt gedroht hatte - noch gezögert, dieses neue Verwaltungsmodell direkt auch im "Altreich" einzuführen und die Länder endgültig abzuschaffen. Für Göring war ein Verzicht auf seine wichtigste Bastion zu diesem Zeitpunkt nicht verhandelbar. Nicht zuletzt, weil er sich in Preußen auf einen intakten und effektiven Beamtenapparat verlassen konnte, der ihm zuarbeitete. Im Preußischen Staatsministerium, seiner Schaltzentrale, war unter anderem das Forschungsamt angesiedelt. Alle Aktivitäten liefen dort bei Staatssekretär Paul Körner und Amtsleiter Erich Gritzbach zusammen. Auf diesen Apparat konnte und wollte Göring nicht verzichten.

Mit seinem Aufstieg zum Führer und Reichskanzler hätten sich allerdings die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Reichsreform massiv verschoben. Er war nun nicht mehr davon abhängig, seinen Posten als preußischer Landeschef zu behaupten. Inhaltlich schwebte Göring - anders als Frick, der mit den Reichsgauen einen Verwaltungskörper völlig neuen Typs schaffen wollte - eine Übertragung des preußischen Verwaltungsmodells auf das gesamte Reich vor, sozusagen eine "Verpreußung". Die übrigen Länder sollten auf den Status preußischer Provinzen herabsinken und Göring alleiniger Chef aller Landesverwaltungen werden. Dafür bot sich nun die Möglichkeit.

Dass er sich mit diesem Plan allerdings durchgesetzt hätte, ist unwahrscheinlich. In dieser Frage wäre es zwingend darauf angekommen, ein Einvernehmen mit der Reichsregierung und dem Reichstag, dabei vor allem Innenminister Wilhelm Frick, zu erreichen. Frick war der entschiedenste Verfechter einer Neugliederung des Reiches in Reichsgaue, wie sie außerhalb des Altreiches bereits per Gesetz geschaffen worden waren. Davon wäre er kaum abgerückt. Auch viele andere Protagonisten des Regimes sympathisierten mit diesem Vorhaben. Es ist daher anzunehmen, dass Göring sich letztlich darauf eingelassen hätte, die Länder zugunsten neuer Reichsgaue aufzulösen.

Er hätte sich dieses Zugeständnis, die Auflösung des Landes Preußen, aber sicher teuer bezahlen lassen. Zuallererst hätte er notwendigerweise irgendeine Form finden müssen, das Preußische Staatsministerium auf Reichsebene zu übernehmen und sich somit seinen Mitarbeiterstab zu erhalten, auf den es zuallererst ankam. Eine Angliederung an bestehende Institutionen wie die Reichskanzlei wäre wohl grundsätzlich möglich, aber mit nicht unerheblichen Problemen behaftet gewesen. Eine Angliederung an das Luftfahrtministerium hingegen hätte Görings Verwaltungapparat (mitsamt dem Forschungsamt, Görings persönlichem Geheimdienst) in der Hände eines Unschärfefaktors - Staatssekretär Erhard Milch - gegeben. Geblieben wäre noch, das Staatsministerium der Vierjahresplanbehörde anzugliedern - beide wurden bereits von Paul Körner in Personalunion geführt - oder sie zu einem neuen Ministerium umzubilden. Das Preußische Staatsministerium hätte somit auch den Grundstock eines - ohnehin zu bildenden - Reichsministeriums für Angelegenheiten des Reichsverteidigungsrates bilden können.

Darüber hinaus hätte er wohl auch darauf gedrungen, das Konzept des Preußischen Staatsrates - eines Gremiums, in das er nach eigenem Gusto verdiente Weggefährten und Honoratioren berufen konnte - auf die Reichsebene zu verlagern. Der Staatsrat hätte somit unter dem Titel "Großdeutscher Reichsrat" und ergänzt um Mitglieder aus dem übrigen Reichsgebiet weiterexistieren können. Eine solche Einrichtung hatte der Ministerialdirigent Franz Albrecht Medicus bereits zuvor in die Diskussion gebracht. Der Reichsrat als Beratungsgremium des Führers war also weder eine neue noch eine sonderlich revolutionäre Idee. Göring hätte jedenfalls auf dieses bewährte Instrument zur Verbreiterung seiner Machtbasis nicht verzichten wollen. Eine zusätzliche Funktion des Reichsrates, und zwar die Wahl eines Nachfolgers für Göring, hätte dieser aber vermutlich zu verhindern gewusst, denn sein Misstrauen gegen die Partei und ihre Funktionäre hätte wohl dafür gesorgt, dass Göring das Nachfolgegesetz, das Hitler die völlig freie Ernennung seines Nachfolgers ohne Rücksprache mit irgendeiner Institution ermöglichte, der Wahl vorgezogen hätte. Dieser Weg war viel sicherer und bequemer. So hätte aber im Gegengzug zu einer abgeschlossenen "Nationalsozialistischen Verfassung" immer noch ein wichtiges Puzzlestück gefehlt.

Reichsgaue 1963

Verwaltungsgliederung des Großdeutschen Reiches 1963, in Schraffur dargestellt ist das Protektorat Böhmen und Mähren

Mit einem "Gesetz über den Aufbau der Verwaltung im Großdeutschen Reich" ("Reichsverwaltungsgesetz"), das in seinen Bestimmungen höchstwahrscheinlich identisch mit den zuvor beschlossenen Gesetzen für Österreich und das Sudetenland gewesen wäre, wäre schließlich die rechtliche Grundlage für die Reichsreform geschaffen worden. Die Reichsregierung hätte dieses Gesetz ohne Zustimmung des Reichstages beschließen können, da ihr durch das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches, das nach wie vor in Kraft war, die Möglichkeit zur Verfassungsänderung geblieben war ("Die Reichsregierung kann neues Verfassungsrecht setzen."). Durch das Gesetz wären neue Reichsgaue geschaffen worden, die in ihrem Gebietsstand mit den Parteigauen der NSDAP identisch wären. Trotz einiger Startschwierigkeiten (so wäre vielfach um den Neuzuschnitt der Gaugrenzen oder die Besetzung einzelner Posten gestritten worden) hätte das Reich doch schon kurze Zeit nach der Amtsübernahme Görings wieder eine einheitliche - und vor allem effektiv arbeitende - Verwaltung haben, die die Konkurrenz verschiedener Instanzen bereinigt und die Einhegung der Partei in staatliche Strukturen durch die Angleichung der Reichsverwaltung an die Struktur der NSDAP und die mit fortschreitender Zeit obligatorisch entstehende Personalunion zwischen Gauhauptmann des Reichsgaus und Gauleiter des Parteigaus unterhalb eines von Göring ernannten und nur ihm persönlich verpflichteten Reichsstatthalters noch zusätzlich verstärkt hätte. Die Reichsstatthalter hätte Göring nämlich sicher nicht aus dem Personalpool der NSDAP rekrutiert, sondern aus den Länderverwaltungen. In Norddeutschland wären das wohl in erster Linie die Oberpräsidenten der preußischen Provinzen gewesen. Vergleichbare Verwaltungseinheiten gab es aber auch in vielen anderen Ländern. So hätten die Reichsstatthalter ein Instrument werden können, um die Gauleiter der Partei einzuhegen und zu kontrollieren. Görings Staatsverständnis hätte es jedenfalls in vollem Umfang entsprochen.

Der Unterstützung des Reichsministeriums des Innern und des Reichsministers Frick hätte er sich dabei sicher sein können, denn auch dort neigte man entschieden dazu, Qualifikation vor Gesinnung zu stellen. So sah in UZL ein vom Innenministerium erstellter Gesetzentwurf für die Schaffung eines "Reichssenats", der auch die Führerwahl regeln sollte, eine Besetzung vor, die der NSDAP und ihren angeschlossenen Organisationen keine eigenständige Mehrheit zugestand. Stattdessen sollten hohe Staatsbeamte, ständische Berufsvertretungen, Kirchen und Universitäten, also Vertreter eines klassischen staatlichen Ordnungsprinzips, dort dominieren. Eine Parteimitgliedschaft war keine Voraussetzung für die Wählbarkeit. Vielmehr sollte "der Beste aller Deutschen" gekürt werden. Außerdem war eine Vereidigung der gesamten Partei auf die Person des neuen Führers vorgesehen, ein ungeheurer Vorgang, legt man Hitlers Verständnis der Beziehung der Partei zum Staat zugrunde. In der Vollendung der Reichsreform hätte sich also die Möglichkeit zu einer fruchtbaren Allianz zwischen Feldmarschall Göring und Innenminister Frick und deren jeweiligen Machtbasen ergeben. Eine solche hätte Görings Position massiv gestärkt.

Verstaatlichung der Partei[]

Triumvirat Goebbels Goering Hess

Die Reihen fest geschlossen nach außen, hinter verschlossenen Türen aber ärgste Rivalen: Goebbels, Göring und Heß

Allmählich hätten sich in den Jahren nach dem Amtsantritt Hermann Görings die Kräfteverhältnisse innerhalb des Dritten Reiches verschoben. Göring selbst besaß nicht annäherend das Charisma, das Hitler besessen hatte. Da in den Verfassungsgesetzen des Dritten Reiches in der Regel nicht der Führer selbst, sondern die Reichsregierung als Kollektiv mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet war, bedurfte Göring zu seiner Amtsführung der Mitarbeit der Reichsminister, die vielfach eigene Interessen verfolgten und miteinander um Macht und Einfluss konkurrierten. Zwar hätte Göring leicht jeden einzelnen Minister austauschen können, doch wäre mit jedem Mal, das er diese Karte ausspielte, eine weitere Säule seiner Macht ins Wanken geraten. Viele der Minister hatten sich selbst einen persönlichen Machtapparat geschaffen, den sie im Ernstfall auch gegen den Reichsmarschall hätten richten können. So musste Göring notgedrungen taktieren und Zugeständnisse machen, um sich die Loyalität des engsten Zirkels zu erhalten. Daher kann in den späteren Jahren der Ära Göring kaum mehr von einer zusammenhängenden Ideologie des Nationalsozialismus gesprochen werden. Vielmehr hätte jeder seine ganz eigenen Vorstellungen davon gehabt, was "der Nationalsozialismus" zu sein habe. Dem Reichsmarschall hingegen hätten diese dogmatischen Differenzen genützt, da er so mehr und mehr in die Lage versetzt worden wäre, verschiedene Strömungen und Fraktionen innerhalb der NSDAP gegeneinander auszuspielen. Er war zwar formal Parteivorsitzender, setzte persönlich aber wenig Vertrauen in politische Ideologien. Hinter vorgehaltener Hand munkelte man, ihn sagen gehört zu haben, seiner Meinung nach brauche es überhaupt keine Partei. Der faktische Parteiführer Rudolf Heß hätte in Abwesenheit Hitlers orientierungslos gewirkt und die Zügel schleifen lassen, sodass die ideologische Geschlossenheit der Partei auch intern zunehmend zu bröckeln begonnen hätte. Während sich um Alfred Rosenberg und Heinrich Himmler ein völkisch-expansionistischer Flügel gebildet hätte, wäre um Joseph Goebbels wohl ein national-kommunistischer, linker Flügel entstanden. Dazwischen hätte Göring einen national-konservativen Block um sich gesammelt, zu dem u.a. Innenminister Frick, Justizminister Gürtner, Wirtschaftsminister Funk, Finanzminister Lutz von Krosigk, Ex-Wirtschaftsminister Schacht und Ex-Außenminister von Neurath gehört hätten. Zusätzlich gestärkt worden wäre diese "gemäßigte Fraktion" von der Wehrmachtsführung, der sowohl der aggressive Expansionismus der rechten als auch der Sozialismus der linken Opposition zuwider sein mussten. Demandt erwartet folgerichtig, dass "über eine Bildung von Splittergruppen dann doch eine Opposition, ja ein Mehrparteiensystem, eine Demokratie wiedererstanden wäre, wenn auch vielleicht erst in den fünfziger oder sechziger Jahren".

Während die Partei sich in internen Machtkämpfen aufgerieben hätte, hätte Göring darangehen können, seine Vorstellungen für die Zukunft des Staates und der Staatspartei umzusetzen. Wie bereits gegenüber Hitler mehrfach angemahnt, hätte Göring auch jetzt die Notwendigkeit gesehen, "die Partei von Elementen zu säubern, an denen das Volk mit Recht Anstoß nimmt". Darunter wäre sicherlich keine Säuberungswelle stalinistischer Art zu verstehen gewesen, doch hätten einige der radikaleren Protagonisten der unteren Ebenen, die sich durch Willkür, Korruption und Übergriffigkeiten einen Namen gemacht hatten, nun wohl die harte Hand der Justiz zu spüren bekommen. Göring hatte bereits in der Vergangenheit aus taktischen Gründen Strafverfahren gegen KZ-Aufseher und -Kommandanten einleiten lassen. Nun wäre der Zeitpunkt gekommen gewesen, diese Linie allgemein durchzusetzen. Justizminister Gürtner, der sich schon seit Jahren fortwährend über die Zustände in den Konzentrationslagern sowie die systematische Anwendung von Folter und Mord beklagte, hätte diese Gelegenheit mit Freuden ergriffen.

Neben solchen Säuberungsaktionen hätte zu einer Umsetzung von Görings Agenda auch gehören müssen, die Doppelstrukturen zu beseitigen, die es der Partei erlaubten, eine Parallelgesellschaft aufzubauen, die völlig unabhängig von allen staatlichen Einflussmöglichkeiten existierte. Dabei hätten die Massenorganisationen eine zentrale Rolle gespielt. Über Verbände wie die Hitlerjugend, die Berufsvereinigungen oder die Deutsche Arbeitsfront war die NSDAP im Alltag der Menschen omnipräsent und verfügte über nahezu unbegrenzte Ressourcen an Mensch und Material. Die Berufsverbände hätten den zuständigen Fachministerien unterstellt, die Deutsche Arbeitsfront z.B. ausführendes Organ des Arbeitsministeriums werden können. Die Reichsleiter der NSDAP hätten als Staatssekretäre in die Ministerien wechseln können und Rudolf Heß, der Stellvertreter des Führers, hätte durch eine Ernennung zum Reichsminister für Angelegenheiten der Partei die Schnittstelle zwischen staatlicher Autorität und Parteiorganisation bilden können. Auf diesem Wege hätte es Göring gelingen können, die NSDAP schrittweise zu entkernen, sodass außer den eigentlichen Parteiuntergliederungen nur noch wenige Bereiche übrig geblieben wären, in denen der Staat nicht die unmittelbare Aufsicht übernommen hätte. Ein solches Vorgehen hätte allerdings leicht auch eine Gegenbewegung auslösen können, einen Putschversuch der Partei gegen ihren selbsterklärten Totengräber.

Heimholung der Volksdeutschen[]

Einen wesentlicher Faktor für die fortwährende Instabilität in Europa war, dass Staats- und Siedlungsgrenzen trotz der hehren Rede vom "Selbstbestimmungsrecht der Völker" besonders im Osten des Kontinents nur selten zusammenpassten. Zahlreiche Staaten hatten bereits Versuche zur ethnischen Homogenisierung ihrer Gebiete unternommen. Göring hätte sich vermutlich gesamteuropäischen Verhandlungen über die Bereinigung solcher Zustände gegenüber offen gezeigt. Auch in Deutschland lebten ja einige Minderheiten, z.B. die Polen in Schlesien. In anderen Staaten lebten hingegen größere deutsche Minderheiten, so z.B. im Baltikum oder in Rumänien. Erfahrungen mit einem größeren Bevölkerungsaustausch hatten bereits Griechenland und die Türkei gemacht. Auf diesen Erfahrungen hätte man auch entsprechende Abkommen in Osteuropa aufbauen können.

Erstaufnahmelager

Spruchband am Eingang eines Erstaufnahmelagers für Aussiedler aus Osteuropa, 1941

Da Göring damit implizit Bevölkerungsverschiebungen den Vorzug vor Gebietsveränderungen gegeben hätte - obwohl dies vor allem den Polen keinesfalls so eindeutig schien - wäre die medial vielbeachtete Initiative von den übrigen europäischen Staaten wohl größtenteils wohlwollend aufgenommen worden. Eine gesamteuropäische Konferenz wäre indes wohl nicht zustande gekommen, sodass Göring sich darauf hätte verlegen müssen, Umsiedlungsverträge mit einzelnen Ländern abzuschließen. Theoretisch hätten diese Optionsverträge - im Volksmund nach dem Leitspruch der zugehörigen Propaganda-Kampagen auch "Heim-ins-Reich-Verträge" genannt - den Angehörigen nationaler Minderheiten in den jeweiligen Staaten die freie Entscheidung darüber ermöglichen sollen, ob sie die ihrer Volkszugehörigkeit entsprechende Staatsangehörigkeit annehmen und übersiedeln, oder ob sie an ihren angestammten Wohnorten verbleiben wollten.

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Die Realität der Durchgangslager unterschied sich deutlich von dem in der Propaganda gezeichneten Bild, Juni 1944

In der Realität ginge mit dem Abschluss dieser Verträge jedoch auch das stillschweigende Einverständnis der Vertragsparteien zu einer entsprechenden Homogenisierungspolitik einher, die diskriminierende Maßnahmen gegen die Sprachen der Minderheiten und deren Kultureinrichtungen ebenso umfasst hätte wie Benachteiligungen im öffentlichen und beruflichen Leben, sodass der Verbleib mehr und mehr zu einer fiktiven Wahlmöglichkeit geworden wäre. Im Gegenzug wären den Umsiedlern im Großdeutschen Reich ein Begrüßungsgeld, finanzielle Vergünstigungen sowie geschlossene Siedlungsgebiete im Reichsgebiet und im Protektorat Böhmen und Mähren in Aussicht gestellt worden. Konfliktreich hätte sich wohl die Integration der Zugezogenen im Reich selbst sowie die Zuweisung geeigneter Siedungsgebiete und Bauplätze dargestellt. Viele Umsiedler hätten teils jahrelang in Erstaufnahmelagern ausharren müssen. Auch vonseiten der angestammten Bewohner wäre der Zuzug wohl auf wenig Gegenliebe gestoßen (vergleichbare Reaktionen gab es ja auch auf die Ost-Flüchtlinge nach 1945).

Besatzung im Reichsprotektorat[]

Am 15. März 1939 waren deutschen Truppen über die tschechische Grenze vorgerückt. Hitler erklärte im Anschluss, die "böhmisch-mährischen Länder" seien wieder in ihre "alte historische Umgebung" eingefügt worden. Ein gleichzeitig veröffentlichter Erlass proklamierte das nun unter deutscher Gebietshoheit stehende und einem Reichsprotektor unterstellte Protektorat Böhmen und Mähren. Seine inneren Angelegenheiten sollte es selbst verwalten dürfen. Nichtsdestotrotz handelte es sich bei dieser Konstruktion klar um ein Besatzungsregime. Teile der tschechoslowakischen Armee gingen in den Untergrund und versuchten dort, eine Partisanenbewegung aufzubauen. Immer wieder erhielten sie dabei auch Unterstützung aus Kreisen der autochthonen Protektoratsverwaltung. Die Bevölkerung reagierte mit einer Mischung aus Angst, Verbitterung und Resignation auf das Ende der Eigenstaatlichkeit. Für viele setzte sich mit dem Protektorat einfach eine tausendjährige Tradition der Fremdherrschaft fort, die sie selbst noch vor zwei Jahrzehnten erlebt hatten. Stattdessen war es insbesondere die Jugend - und dabei vor allem die Studenten - die sich der Germanisierung ihrer Heimat widersetzte.

Deutsche Siedlung Böhmen 2

Leben mit Stacheldraht und Wachtürmen: Alltag für deutsche Siedler im Reichsprotektorat

Die Regierung Göring hätte in der AZL in Ermangelung anderer Siedlungsgebiete die Germanisierung des Reichsprotektorats vorangetrieben. Es wären in großer Zahl deutsche Siedlungen entstanden, die dem Zugriff der Protektoratsverwaltung entzogen geblieben wären (sie wären stattdessen administrativ den umliegenden Reichsgauen Sudetenland, Ober- und Niederdonau unterstellt worden) und wie befestigte Enklaven die böhmischen Lande durchsiebt hätten. Dafür wären in großer Zahl tschechische Bauern enteignet worden. Viele dieser Siedlungen wären von hohen Mauern mit Stacheldraht und Wachtürmen umgeben gewesen; die SS hätte ihren Schutz gegen die aufgebrachten tschechischen Nachbarn übernommen. Die Siedlungspolitik hätte ein erster Schritt zur vollständigen Germanisierung der böhmisch-mährischen Lande sein sollen, die eine Ausschaltung der autochthonen tschechischen Kultur und eine Integration der "germanisierungswürdigen" Bewohner des Protektorats (unter anderem durch die Entführung tschechischer Kinder und deren Erziehung durch gesinnungstreue deutsche Eltern) einschloss. Jeder Hinweis auf ein vom Großdeutschen Reich getrenntes Staatsgebilde oder gar ein eigenes Nationalbewusstsein sollte restlos getilgt werden. "Germanisierungswürdigen" Frauen wären zahlreiche Vergünstigungen in Aussicht gestellt worden, wenn sie deutsche Männer heirateten.

Innenstadt Prag brennt

Das zerstörte Burgviertel mit dem Veitsdom nach einem Aufstand in Prag

Gegen diese Maßnahmen hätte sich allerdings erbitterter Widerstand der Tschechen geregt, der sich immer wieder in Massendemonstrationen, Streiks und zivilem Ungehorsam, später auch immer wieder in bewaffneten Aufständen, geäußert hätte. Immer wieder hätte es auch nachgiebige Phasen der deutschen Siedlungspolitik gegeben, die dem Protektorat mehr Freiheiten in der Gestaltung seiner Innenpolitik zugestanden hätten, die sich regelmäßig mit Phasen brutaler Unterdrückung abgewechselt hätten. Auch nach dem Tod Görings und dem Übergang zur Demokratie in Großdeutschland hätte keine deutsche Regierung das Protektorat preisgegeben. Innerhalb der zwei Jahrzehnte seit seiner Begründung wäre auch die Lage so unübersichtlich geworden, dass eine Entflechtung deutscher und tschechischer Siedlungsgebiete kaum noch möglich gewesen wäre. Die Siedlungspolitik in Böhmen und Mähren hätte die internationalen Beziehungen und das Ansehen des Großdeutschen Reiches also bis weit über das Ende der NS-Herrschaft hinaus belastet.

Ein erstes Mal entlud sich in UZL tschechischer Widerstand gegen das Protektorat am 28. Oktober 1939, dem 20. Jahrestag der tschechoslowakischen Unabhängigkeitserklärung. Bei Massendemonstrationen und Streiks wurden ein Arbeiter und ein Student erschossen sowie hunderte Menschen festgenommen. Nach weiteren Studentenunruhen mit neun Toten wurden schließlich in der Sonderaktion Prag alle tschechischen Hochschulen im Protektorat geschlossen und über 1200 tschechische Studenten im KZ Sachsenhausen interniert. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass diese Ereignisse in der AZL nicht stattgefunden hätten.

Ein naheliegendes Vergleichsbeispiel für die Entwicklung der Germanisierung des Protektorats aus UZL bildet hier die israelische Siedlungspolitk im Westjordanland. Auch dort ist nach Jahrzehnten der Zersiedlung kein zusammenhängendes Gebiet mehr übrig, das als palästinensischer Staat sinnvoll und mit arrondierten Außengrenzen unabhängig werden könnte. Gleiches gilt für das chinesisch besetzte Tibet und Ost-Turkestan, die mittlerweile eine han-chinesische Bevölkerungsmehrheit aufweisen.

Zivilgesellschaft und Opposition in der Göring-Ära[]

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Der Bischof von Münster Clemens August Graf von Galen im Kardinalsornat, 1946

Obgleich das Dritte Reich eine totalitäre Diktatur war, gab es doch immer wieder einzelne Fälle offenen Protests, die in den meisten Fällen tatsächlich ein Nachgeben der Führung zur Folge hatten, statt in Gewalt zu enden. In UZL sind die eindrücklichsten Beispiele sicher die öffentliche Anprangerung der Krankenmorde durch den Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen 1941 sowie der Rosenstraße-Protest der Frauen aus "privilegierten Mischehen", die durch eine Demonstration die Freilassung ihrer jüdischen Männer erwirken konnten. Auch Proteste gegen ausfälliges Verhalten einzelner Parteivertreter hatten in UZL Tradition. Im Januar führte eine Rede des sturzbetrunkenen Gauleiters Paul Giesler in der Ludwig-Maximilians-Universität München zu tagelangen Studentenunruhen. In diesen und anderen Fällen zeigte sich, dass das NS-Regime Angst hatte, den "Volkszorn" zu wecken. Selbst die Vernichtungslager wurden bewusst im besetzen Polen gegründet, weil man die Wirkung dieser Einrichtungen auf die Bevölkerung im Reichsgebiet fürchtete.

Diese Angst vor dem eigenen Volk war innerhalb der NS-Führung auf allen Ebenen verbreitet und kein Phänomen, das von Hitler abhängig gewesen wäre. So steht zu vermuten, dass eine Reichsregierung unter Görings Führung, der sich bewusst jovial und volksnah inszenierte und sehr viel Wert auf seine Beliebtheit in der Bevölkerung legte, ebenso zaghaft auf aufkeimenden Protest reagiert hätte - zumindest eine Weile lang. Für Proteste standen den Menschen verschiedene Wege offen, wie Vergleichsbeispiele zeigen. So wäre sicherlich auch in der AZL wegen der Aktion T4 ein Sturm der Entrüstung über das Regime hereingebrochen. Dass sie so oder ähnlich stattgefunden hätte, ist wahrscheinlich; dass Göring sie aktiv forciert und damit seine Reputation auf Spiel gesetzt hätte, eher nicht. Es wäre also davon auszugehen, dass die Krankenmorde auch hier aufgrund des öffentlichen Unmuts gestoppt bzw. wenn überhaupt ausschließlich im Geheimen und mit verschiedenen Tarnsystemen weitergeführt worden wäre.

Proteste gegen einzelne Parteivertreter hätten sich unter Görings Herrschaft sogar zu einem weiter verbreiteten Phänomen auswachsen können, da dieser ja selbst angekündigt hatte, die Partei "säubern" zu wollen. Zu diesem Zwecke hätte er entsprechende Hinweise sicher dankbar aufgenommen. Es hätte sich hier also in gewisser Weise ein direkter Kommunikationskanal zwischen den Reichsbürgern und dem Reichsmarschall eröffnet, der mittelfristig auch für andere Anliegen nutzbar gewesen wäre.

Anti-Atom-Demo

Protest gegen die atomare Bewaffnung der Wehrmacht

So hätte sich z.B. gegen die atomare Aufrüstung des Großdeutschen Reiches in der Bevölkerung Widerstand geregt, der nicht nur von der einfachen Bevölkerung oder pazifistisch orientierten Gruppen ausgegangen wäre, sondern darüber hinaus auch von Wissenschaftlern wie dem Kernphysiker Otto Hahn, der zuvor selbst maßgeblich am deutschen Kernwaffenprogramm beteiligt gewesen war. Auch Wernher von Braun, der Schöpfer des deutschen Raketenprogramms, hätte sich vermutlich gegen eine Verwendung seiner Raketen für die Beförderung atomarer Sprengköpfe ausgesprochen. Die Zahl der Kriegsdienstverweigerungen wäre angesichts der Aussicht, in einen apokalyptischen Atomkrieg verwickelt zu werden, in die Höhe geschnellt, sodass die Gerichte alle Hände voll zu tun gehabt hätten, die entsprechenden Strafverfahren zu führen. Letztlich hätten sich diese Stimmen aber nicht gegen die Protagonisten des Antikommunismus durchsetzen können, denen es galt, die Sowjets mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln in die Schranken zu weisen und aus Europa fernzuhalten.

Demo Freie Wahlen

Am Rande der Eskalation: Irgendwann wäre unweigerlich die Forderung nach freien Wahlen erhoben worden

Doch auch politisch hätte sich das Volk mittelbar Gehör verschaffen können. Dafür sorgte eine Besonderheit des Wahlrechts, das im Kern immer noch das Wahlgesetz der alten Republik war. Dieses sah vor, dass für je 60.000 Stimmen, die eine Partei erhielt, ein Abgeordneter in den Reichstag einzog. Das bedeutete, dass die Größe des Reichstags von der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen abhing. Bei einer geringeren Wahlbeteiligung schrumpfte das Parlament. Mit der Zeit wäre sicherlich auch den Wählern das Protestpotenzial der Reichstagswahlen klar geworden. So hätten die nach wie vor regelmäßig stattfindenden Wahlen trotz des Einparteiensystems zu einem Stimmungsbarometer für die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit der Bevölkerung werden können.

Ebenfalls vom Gesetz her grundsätzlich möglich gewesen wäre die Aufstellung alternativer Wahlvorschläge. Die Einrechung einer Wahlliste war nicht davon abhängig, dass eine Partei hinter ihr stand. Zwar hatte Innenminister Wilhelm Frick bereits im Vorfeld der Reichstagswahl 1933 die Hürden für die Anmeldung einer Wahlkreisliste massiv erhöht und 50.000 Unterschriften dafür eingefordert, doch verboten worden waren sie nie. So hätten im Prinzip Namenslisten (wie es sie z.B. in Österreich häufig gibt) mit der NSDAP um Reichstagsmandate konkurrieren können.Allerdings wäre eine solche Entwicklung erst zu einem sehr späten Zeitpunkt denkbar, zu dem die Einheit der NSDAP bereits zerbrochen gewesen wäre und sich verschiedene Flügel auch innerhalb des Parlaments bekämpft hätten.

Gestapo

Agenten des SD sichten Ausweispapiere, 1943

Einen Zustand ständiger Proteste, die durchaus auch irgendwann offen freie Wahlen hätten fordern können, hätte sich das Regime allerdings - gerade in Zeiten außenpolitischer Unsicherheit und einer schweren wirtschaftlichen Krise nicht leisten können. Irgendwann hätte das Regime durchgreifen müssen, um die Kontrolle über die Situation nicht völlig zu verlieren. Das hätte bedeutet, die Repressionsmaßnahmen wieder anzuziehen und die Sicherheitsorgane neu aufzustellen. Dazu wäre durch eine Zusammenlegung von Sicherheitsdienst, Abwehr und Forschungsamt die Weichen bereits gestellt gewesen. Das Forschungsamt (mit seinen ausführenden Organen Gestapo und SD) wäre zum zentralen Macht- und Kontrollinstrument Görings aufgestiegen. Mit der technischen Entwicklung und dem zunehmenden Ausbau der Behörde hätte es sich (wie die Stasi in UZL) zum omnipräsenten Begleiter der Deutschen in ihrem Alltag entwickelt. Systematische Telefonüberwachung, Postkontrollen und die Dienste sogenannter "geheimer Zuträger" hätten die Super-Behörde nahezu allwissend erscheinen lassen. Auf dem Höhepunkt seiner Tätigkeit hätte das Forschungsamt (gemessen an den Vergleichszahlen der Stasi) wohl auf ein Netzwerk von beinahe einer Million Spitzeln zugreifen können, die der Gestapo und dem SD zuarbeiteten. Niemand hätte sich sicher sein können, dass seine im Vertrauen getätigten Aussagen nicht durch einen engen Freund oder gar den eigenen Ehepartner in die Hände der Gestapo gelangten. Es wäre ein Zustand des permanenten gegenseitigen Misstrauens entstanden, der jede subversive Betätigung schon im Keim erstickt hätte.

Trotz der prekären wirtschaftlichen Lage hätte sich also kein organisierter Widerstand gegen das NS-Regime formieren können. Alle Ansätze hierzu wären von Gestapo und SD zerschlagen worden, die Beteiligten verhaftet, unter Hausarrest gestellt, gefoltert oder in die Konzentrationslager eingewiesen. Das herrschende Elend, verbunden mit sich ausbreitender Korruption und einem unüberschaubaren Gestrüpp von Erlassen und Gesetzen, hätte fast jeden aus physischer Überlebensnotwendigkeit in die Illegalität gezwungen. Dadurch wären die Menschen erpressbar geworden. Solidarität gegen die nationalsozialistische Diktatur hätte so nicht entstehen können. Ein Ausbrechen aus dem NS-System wäre kaum noch möglich gewesen.

Reichsgrenze 1952

Überall an den deutschen Außengrenzen wurden Wachtürme, Mauern, Stacheldraht und später auch Selbstschussanlagen installiert, um unbefugte Grenzübertritte von beiden Seiten aus zu unterbinden

Die Verschärfung der Situation hätte viele Deutsche zur Flucht ins Ausland getrieben. Göring hätte dagegen wohl (wie die DDR in UZL) eine Art "Reichsgrenzschutz" aufgestellt, der - anders als von der Propaganda, die vor allem die Sicherung der Grenzen vor ausländischen Agenten als Grund angegegeben hätte, verkündet - in erster Linie Fluchtversuche von Reichsbürgern aus dem eigenen Land hätte verhindern sollen. An der gesamten deutschen Außengrenze hätten Posten der Grenztruppen gestanden, die im Fall von drohenden Grenzdurchbrüchen auch Gebrauch von der Schusswaffe machen konnten (Schießbefehl); auch wären im vorgelagerten Gebiet, dem sogenannten "Todesstreifen", Minen und in späterer Zeit auch Selbstschussanlagen installiert worden.

Spätestens im Verlaufe der 50er Jahre hätte sich die Zensur allmählich wieder gelockert, sodass in begrenztem Rahmen eine freie Berichterstattung hätte stattfinden können. Zwar wären negative Berichte, von denen nach Ansicht der Reichsregierung ein Schaden für Ansehen oder Wirtschaft des Reiches ausgehen konnte, nach wie vor juristisch verfolgt worden, doch hätten sich zahlreiche Zeitungen nach und nach des aufgezwungenen ideologischen NS-Vokabulars entledigt und auch über Aktivitäten der Opposition berichtet. Im Ganzen hätte der Staat seinen Zugriff auf das Privatleben der Bürger entscheidend zurückgefahren, sodass einem erwartbaren wirtschaftlichen Aufschwung allmählich auch ein - wenn auch von Teilen der Reichsregierung und der Partei kritisch beäugter - Zuwachs an individueller Freiheit gefolgt wäre. Diese Entwicklung ist auch bei einem langanhaltenden Bestand des NS-Staates zwingend, denn auf Dauer lässt sich kein Volk durch Gewalt und Repression ruhigstellen. Alexander Demandt argumentiert, dass "Organisation, Propaganda und Polizei ... ein substanzielles Defizit an Humanität zwar unter dem Ausnahmezustand eines äußeren Krieges eine Weile kaschieren, aber auf die Länge nicht ersetzen" könnten. Das Großdeutsche Reich hätte "einer Demokratisierung von Außen nicht bedurft", denn "der europäische oder europäisch geprägte Industriestaat" werde "vom Bürgertum getragen, das Mitsprache einfordert". Daher hätten auch die "Militärstaaten in Europa ... nirgends eine Zukunft" gehabt und seien "aus inneren oder äußeren Gründen überall zusammengebrochen".

Wirtschaftspolitische Lage[]

Reichswerke Salzgitter

Die "Reichswerke Hermann Göring" in Salzgitter, gegründet zur Verhüttung minderwertigen Eisenerzes

Von Beginn an hätte die bedrohlich fragile Situation der deutschen Volkswirtschaft wie ein Damoklesschwert über Görings Herrschaft gehangen. Adolf Hitler hatte im Jahr 1936 ein großangelegtes Programm, den sogenannten Vierjahresplan, auf den Weg gebracht, um gleichermaßen Deutschlands Kampfbereitschaft wie auch einen möglichst hohen Grad an Autarkie für die deutsche Wirtschaft zu erreichen. Bis 1939 hatten diese Pläne nicht nur eine beispiellose Aufrüstung erlaubt, sondern auch tatsächlich in einigen Bereichen wie z.B. Erzen und Legierungen, Nahrungsmitteln und Baustoffen einen hohen Grad an Autarkie tatsächlich herstellen können. In anderen Feldern, so vor allem bei der Versorgung mit Öl und Gas, blieb das Großdeutsche Reich aber weiterhin massiv von Importen abhängig. Die Forschung auf dem Gebiet der synthetischen Ersatzkraftstoffe erwies sich als unzureichend.

Gemessen an den tatsächlichen Fortschritten in der Forschung während des Krieges wäre das Großdeutsche Reich zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, sich auch nur annähernd selbst zu versorgen.

Zusammenbruch des Devisenhandels[]

Die Autarkiepolitik hätte sich in dem Moment als fatal erweisen, in dem die letzten - nur durch die Annexion Österreichs und der Tschechei noch einmal kurzfristig gestreckten - Devisenreserven des Reiches aufgebraucht waren. Schon seit Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft gab das Reich deutlich mehr Geld aus, als es einnahm. Die staatlich regulierte Preisfestlegung für inländische Produkte verschleierte allerdings über lange Strecken weitgehend effektiv den Zustand der innerdeutschen Finanzwirtschaft. Zum Ende der 30er Jahre hin wurde die finanzielle Situation des Reiches trotz aller Bemühungen der Reichsregierung immer bedrohlicher. Die Ausfuhren gingen durch internationale Boykotte stetig zurück, die Versorgung mit für die Wirtschaft dringend benötigten Rohstoffen stockte, und neue Devisenreserven waren praktisch nicht mehr zu erhalten. Dem Reich stand der finanzielle Kollaps bevor. Das hätte wiederum den Zusammenbruch der Volkswirtschaft, eine Hyperinflation und eine Versorgungskrise zur Folge gehabt. Den größten Anteil an der Krise hatte jedoch die weitgehende Abkoppelung der deutschen Inlandswirtschaft vom Weltmarkt durch Preisfestlegungen und eine "verdeckte Staatsverschuldung", die sich aus Papieren einer Strohfirma ohne Gegenwert generierte und damit den unvermeidlichen Kollaps der Reichsmark immer weiter hinauszögerte. Als Wirtschaftsminister Walther Funk schließlich Anfang 1939 erklärte, die Rückzahlung dieser Wertpapier-Anleihen zu verweigern und Hitler die Reichsbank zur unbegrenzten Kreditvergabe an das Reich zwang, wurde die Rückkehr an den Weltmarkt ohne zeitgleichen Zusammenbruch der Reichsmark völlig unmöglich.

Schlange

Wer Geld hatte, hätte nichts dafür kaufen können. Seit 1940 wären lange Schlangen vor den Geschäften, die neue Ware geliefert bekamen, ein häufiger Anblick geworden.

Gemessen an den nachträglich erfolgten Berechnungen und Prognosen von Albrecht Ritschl hätten die Devisenreserven des Reiches ohne Ausbruch des Zweiten Weltkrieges das Jahr 1939 noch vollständig abdecken können. Irgendwann im Laufe des Folgejahres hätte das Großdeutsche Reich aber doch unweigerlich vor der internationalen Zahlungsunfähigkeit gestanden. Sofern nicht, wie in den Wohlthat-Gesprächen im Sommer 1939 angedacht, ein umfangreicher Kredit aus dem Ausland die Reichsfinanzen stabilisiert hätte, wären die Folgen katastrophal gewesen. Ausgehend von einem wahrscheinlichen Labour-Sieg bei der britischen Unterhauswahl im November 1939 dürfte davon auszugehen sein, dass zumindest von britischer Seite keine solchen Angebote mehr erfolgt wären. Realistische Alternativen gab es nicht.

Für das unweigerliche Ergebnis eines finanziellen Kollaps gibt es in der jüngeren Geschichte zahlreiche Beispiele. Die eindrücklichsten Beispiele dürften für unsere Zwecke wohl Francos Spanien und Ceaușescus Rumänien sein. Beide Länder verfolgten ähnlich wie das Dritte Reich eine eiserne Autarkiepolitik und waren international isoliert. Beiden gelang es nicht, rechtzeitig gegenzusteuern. Das Ergebnis war in beiden Fällen eine schwere Versorgungskrise, die auch zumindest in Teilen der Bevölkerung Ansätze einer Hungersnot zeigte. Güter des täglichen Bedarfs mussten streng rationiert werden und die Polizei ging extrem hart gegen Verstöße vor. Hamstern konnte mit mehrjährigen Gefängnisstrafen geahndet werden.

Rohstoffmangel und Versorgungskrise[]

Die Versorgungslage hätte sich schlagartig verschlechtert, da Güter und Rohstoffe nicht mehr hätten importiert werden können. Das hätte sicher zur Folge gehabt, dass spätestens zum Winter 1940/41 wieder Bezugsscheine für zahlreiche Güter des täglichen Bedarfs (z.B. Kleiderkarten) hätten ausgegeben werden müssen. In den vorangegangenen Monaten wären die verfügbaren Gütermengen kontinuierlich zurückgegangen. Leere Regale und lange Warteschlangen vor den Geschäften wären ein vertrauter Anblick geworden. Die Lebensmittelrationierung hätte endlich auch den Letzten klargemacht, dass das Reich sich in einer schweren Krise befand. Dagegen hätte die Reichsregierung vermutlich ab 1941 verstärkt eine Form der „Wissenschaftlichen Ernährung“ propagiert.

Dies war in UZL ein Konzept der Regierung des kommunistischen Rumänien, das zum Ziel hatte, die Bevölkerung zu einer normierten Ernährung „in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht, physischer Anstrengung und physischem Zustand“ zu erziehen. Hierzu wurde eine genaue Aufschlüsselung formuliert, wie viel Nahrungsenergie, Proteine und Mineralien für welches Alter „wissenschaftlich“ notwendig seien. Mit diesem Propaganda-Kunstgriff sollte der Makel in eine Tugend umgedeutet werden. Ein ähnliches Vorgehen erscheint auch im Dritten Reich plausibel, zumal es keine Möglichkeit gegeben hätte, die Lebensmittelrationierung als Folge eines Krieges auszugeben.

Hungerwinter Düsseldorf

Protest gegen die Lebensmittelrationierungen im Düsseldorfer Hofgarten, Dezember 1941

Die Reichsregierung hätte als Reaktion auf die wachsende Unruhe im Volk wohl den heroischen Kampf der Volksgemeinschaft gegen den ihr von auswärtigen Mächten aufgezwungenen Hungerkrieg ausgerufen. Die Propaganda hätte wohl vor allem Großbritannien und die Vereinigten Staaten angegriffen, die durch Boykottkampagnen und Lügenpropaganda dem internationalen Ansehen des Großdeutschen Reiches schweren Schaden zugefügt und "dem deutschen Arbeiter das Werkzeug aus der Hand geschlagen" hätten. Die Versorgungskrise sei also im Wesentlichen das Ergebnis der internationalen Isolation Großdeutschlands und nicht auf Misswirtschaft des Regimes zurückzuführen.

Ob durch solche Manöver tatsächlich eine nationale oder gar antibritische Stimmung hätte erzeugt werden können, ist äußerst fraglich. Vielen Arbeitern wäre - wie auch den Vertretern der Großindustrie - klar gewesen, dass der Rohstoffmangel und der Devisenbankrott maßgeblich durch die hohen Rüstungsausgaben verursacht wurden. Was in der Bevölkerung allerdings kaum Berücksichtigung gefunden hätte, wäre die Tatsache gewesen, dass die Krise nicht etwa durch eine Unfähigkeit der neuen Reichsregierung verursacht würde, sondern ein direktes Ergebnis der Wirtschaftspolitik war, die Hitler selbst diktiert hatte. Göring als Verantwortlicher für den Vierjahresplan galt als Architekt der gescheiterten Autarkiepolitik, war jedoch selbst vor allem Befehlsempfänger gewesen. So erscheint es durchaus denkbar, dass der Unmut im Volk zwar zu einer Distanzierung von der Reichsregierung geführt hätte, dieser aber keine Distanzierung von Kerninhalten des Nationalsozialismus oder dem Personenkult um den "Erzmärtyrer des Deutschen Volkes" Adolf Hitler gefolgt wäre. Im Gegenteil hätte der Satz "Wenn das der Führer wüsste..." bzw. "Wenn das der Führer hätte erleben müssen..." eine neue Hochkonjunktur erleben können.

Kurzarbeit und Produktionsstillstände[]

Verhaftung

Verhaftung streikender Arbeiter, Februar 1941

Ab dem Herbst 1940 dürfte der chronische Rohstoffmangel in der Privatwirtschaft immer wieder zu Produktionsstillständen in den Fabriken geführt haben. Um Entlassungen zu vermeiden, hätte die Reichsregierung den exzessiven Einsatz von Kurzarbeit befördert, also einer außerordentlichen Reduzierung der regelmäßigen Arbeitszeit unter Beihilfe des Staates. Das von der Reichsregierung ausgezahlte Kurzarbeitergeld, das den Lohnverlust der Arbeiter ersetzt hätte, würde den finanziellen Schaden jedoch nicht ansatzweise auffangen können. In der Anfangszeit wären die Einsätze von Kurzarbeit noch punktuell erfolgt, hätten sich bis 1941 jedoch immer mehr zum Dauerzustand entwickelt, der de facto eine existenzbedrohende Lohnkürzung für die Arbeiter bedeutet hätte. Mit zunehmender Häufigkeit würden die Arbeiter in den Betrieben daher die Arbeit niedergelegt und gestreikt haben.

Die Reichsregierung, die seit der Machtergreifung keine Demonstrationen oder Streiks mehr erlebt hatte, hätte vermutlich zunächst gezögert, selbst Maßnahmen gegen die Streikenden zu ergreifen, und sie zunächst gewähren lassen. Auch bei den Behörden vor Ort dürfte Ratlosigkeit geherrscht haben. Gestapo und SD allerdings wären hart gegen die Streikenden vorgegangen.

Für ein solcherart zögerliches Verhalten der Behörden gibt es zahlreiche Präzedenzfälle in UZL. Davon ist der Rosenstraße-Protest gegen die Deportation von Juden aus sogenannten "privilegierten Mischehen" wohl der bekannteste. Aber auch andere Demonstrationen und Protestaktionen der Kriegsjahre blieben bemerkenswert folgenlos.

Ausweitung der Proteste auf die Rüstungspolitik[]

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Demonstration gegen die Rüstungspolitik des Reiches, März 1942

Je länger die Arbeiterproteste angedauert hätten, desto mehr hätte sich wohl ihr Fokus verschoben. Nicht nur im Planungsstab der Vierjahresplanbehörde, auch in der breiten Bevölkerung musste jedem klar sein, dass der Grund für die desolate wirtschaftliche Lage des Reiches in dessen horrenden Rüstungsausgaben zu suchen war. In den folgenden Monaten bis Ende 1941 hätten die Proteste also allmählich begonnen, sich auf breitere Schichten des Volkes auszuweiten und sich verstärkt auch gegen die Bündelung wirtschaftlicher Ressourcen in den Händen der Wehrmacht zu richten. Diesen Effekt hätte Göring noch durch eine weitere Begünstigung des Militärs bei der Rohstoffzuteilung, die das Oberkommando bereits seit Jahren vergeblich von Hitler gefordert hatte, verstärkt. Unter Leitsprüchen wie "Butter statt Kanonen! Mehr Lohn statt Divisionen!" hätte das Volk nun zunehmend für eine Umverteilung von Geldern und Rohstoffen zugunsten der Privatwirtschaft demonstriert. Immer öfter hätten sich jetzt auch andere Gruppen wie die Kirchen und Teile des Beamtenapparates oder der Polizei mit den Demonstranten solidarisieren können. Je mehr die Proteste sich ausgeweitet hätten, desto weniger wären die unteren Staatsorgane gewillt gewesen, drastische Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um nicht unwillentlich zu einer Eskalation beizutragen. Dies wiederum hätte zunehmend die Demonstranten ermutigt.

Die Reichsregierung hätte in dieser explosiven Lage entweder das Steuer herumreißen und die Rüstungsausgaben drastisch reduzieren müssen, oder aber in Kauf nehmen, dass sich aus den Protesten so etwas wie ein Volksaufstand entwickeln könnte. Ersteres Szenario wäre allerdings davon abhängig gewesen, ob es Göring gelungen wäre, die außenpolitischen Voraussetzungen für eine Abrüstung zu schaffen.

Langfristige Auswirkungen[]

Der Tod Adolf Hitlers fiel in eine Zeit epochaler Umbrüche in der Welt, von denen die rasant fortschreitende Technisierung sicherlich eine der augenfälligsten war. Auch sozial, politisch, gesellschaftlich und kulturell hinterließen die 1930er Jahre und mit ihnen die Persönlichkeit des Führers und Reichskanzlers einen nachhaltigen Eindruck.

Hitlers Nachruhm[]

Postkarte Hitler

Gedenk-Postkarte für Adolf Hitler

Im Rahmen dieses Szenarios ist eine Frage kulturgeschichtlich unumgänglich: Wie wäre Adolf Hitler in Erinnerung geblieben? Dazu gehen die Meinungen in der Fachwelt weit auseinander. Joachim Fest schreibt in seiner Hitler-Biografie: "Wenn Hitler Ende 1938 einem Attentat zum Opfer gefallen wäre, würden nur wenige zögern, ihn einen der größten Staatsmänner der Deutschen, vielleicht den Vollender ihrer Geschichte, zu nennen." Auch Alexander Demandt scheint sich dieser These anzuschließen und diese sogar noch weiter auszufeilen, wenn er davon ausgeht, dass Hitler "unter die großen Deutschen aufgenommen" worden wäre und "seine Büste in der Walhalla über der Donau" stünde. Hinzu käme zu dieser Ehrung seiner Meinung nach noch, dass "die Untaten der ersten Jahre ... dem Regime als 'Kinderkrankheiten' verziehen worden" wären. Johannes Dillinger hingegen nennt eine solche Hitler-Rezeption "krausen Unsinn". "Hätten die Deutschen", so fragt er, "wirklich übersehen können, dass schon vor 1938 das Reich in eine Diktatur gestürzt worden war, man die föderative Basis Deutschlands ausgehebelt hatte, es Konzentrationslager, willkürliche Verhaftungen, politische Morde und menschenverachtende Rassegesetze gab?" Gavriel Rosenfeld seinerseits kommt zu dem Ergebnis, dass erst nach dem Ende der Diktatur eine Aufarbeitung der Hitlerjahre stattgefunden und sich also erst viel später gezeigt hätte, dass der Welt durch seinen Tod möglicherweise unvorstellbares Leid erspart geblieben ist.

Rosenfelds Lösung hat den Vorteil, dass sie, im Gegensatz zu den vorgenannten, einen konkreten Zeitpunkt benennen kann, zu dem dieser Stand der Hitler-Rezeption im kollektiven Gedächtnis zu verorten wäre. Doch davon abgesehen differenziert auch keiner der Entwürfe zwischen der Sicht unterschiedlicher Gruppen auf Hitler. In der jüdischen Welt beispielsweise hätte wohl schon unmittelbar im Anschluss an das Attentat Erleichterung Einzug gehalten, während die deutsche Durchschnittsbevölkerung, wie oben beschrieben, wohl in Schockstarre und Zukunftsängste abgeglitten wären. Die Frage nach dem Nachruhm Hitlers ist also nicht sinnvoll zu beantworten, ohne diese Differenzierung mitzuleisten.

Hitler Büste

Hitler-Devotionalien hätten in den Göring-Jahren weiter Konjunktur gehabt

Nicht vergessen werden darf bei allen Überlegungen, dass das Großdeutsche Reich noch über viele Jahre als Diktatur weiterbestanden hätte, sodass also eine unmittelbare kritische Auseinandersetzung mit Hitler innerhalb des Nationalsozialismus nicht zu erwarten ist. Im Gegenteil hätte Hitler wohl auch in späterer Zeit unter den einzelnen Splittergruppen des Nationalsozialismus einen Status erlangt, wie ihn Karl Marx für den Kommunismus hat. Völlig unabhängig von der konkreten Ideologie, ob Marxismus-Leninismus, Stalinismus, Maoismus, Trotzkismus, etc., sie alle bezogen sich auf dieselbe Stiftergestalt, interpretierten ihre Worte aber in vielen Fällen sogar diametral entgegengesetzt zueinander. Einen grundlegenden Sockelsturz hätte Hitler also in diesen Kreisen vermutlich nie erlebt.

Noch lange nach dem Ende der NS-Diktatur würden nationalsozialistische Gruppierungen Argumente finden, um seine Politik zu rechtfertigen und gutzuheißen. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich z.B. auch bei Stalin, Castro oder Franco beobachten. Ihre Herrschaft gilt Anhängern und Sympathisanten als "Goldenes Zeitalter", die Zeit danach als unweigerlicher Absturz. Stalin, der große Kriegsheld, der halb Europa erobert und die Sowjetunion zur Supermacht aufgebaut hatte, erstrahlt heute in der russischen Geschichtsbetrachtung vielfach gegenüber seinen Nachfolgern, die die UdSSR in den Abgrund manövrierten. Ausgehend von einer massiven Wirtschaftskrise im Großdeutschen Reich nach Hitlers Tod - ungeachtet dessen, dass Hitler selbst sie durch seine Rüstungspolitik heraufbeschworen hatte - hätten wohl viele Göring als Konkursverwalter eines einst strahlenden Zeitalters in Erinnerung behalten. Einer Glorifizierung Hitlers wäre also durch die folgende Epoche quasi von selbst Vorschub geleistet worden.

Völlig anders hätte das Hitler-Bild unter deutschen Regimegegnern ausgesehen. Viele hatten in den 1930er Jahren ihre Heimat verlassen müssen, um dem Konzentrationslager zu entgehen. Besonders Kommunisten und Sozialdemokraten sammelten sich in den Nachbarstaaten und bildeten Exilgemeinden. Aber auch der linke Flügel der NSDAP hatte vor Hitlers Säuberungen zurückweichen müssen. Dort hätten möglicherweise Göring oder sein Nachfolger das deutlich höhere Ansehen gehabt, je nachdem, ob und wann es den Exilanten möglich gewesen wäre, gefahrlos in ihre Heimat zurückzukehren.

Phasen politischer Liberalisierung kennen die meisten langanhaltenden Diktaturen. Insbesondere nach dem unmittelbaren Machtwechsel hielten es in der Geschichte viele Herrscher für nötig, sich der Gunst des Volkes durch größere bürgerliche Freiheiten zu versichern. Dass solche Projekte immer wieder krachend scheiterten, wundert kaum, hinderte aber selten an der Wiederholung des Versuchs. Ein solcher Versuch wäre u.U. auch Göring zuzutrauen, insbesondere da er sich in der Rolle des Volksnahen gefiel und so auch ggf. ein Gegengewicht zu Partei und Militär hätte schaffen können.

Anti SS Demo

Forderungen nach einer juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen früherer Jahre und der Auflösung der SS als ausführendem Organ des Terrors wären über kurz oder lang in den späten Göring-Jahren immer deutlicher zu hören gewesen, ohne dabei aber Hitler selbst gänzlich vom Sockel zu stoßen

Eine intensive, kritische Auseinandersetzung mit den Hitler-Jahren und der NS-Diktatur insgesamt wäre allerdings trotz solcher kurzzeitigen Liberalisierungen nicht vor der Transitionsphase zwischen dem Ende der Göring-Ära und der Rückkehr zur Demokratie zu erwarten gewesen. Göring hatte zwar intern kein Blatt vor den Mund genommen, wenn es darum ging, auch Hitlers Politik kritisch zu beurteilen, doch hätte er diese niemals an die Öffentlichkeit dringen lassen. Hörbare Kritik hätte also stets nur Hitlers übrigem Gefolge gegolten. Insofern scheint es wenig glaubhaft, dass "die Untaten der ersten Jahre ... dem Regime als 'Kinderkrankheiten' verziehen worden" wären. Diese Verbrechen wären aber wohl Hitler persönlich nicht angelastet worden. Stattdessen hätten wohl NS-Größen wie Joseph Goebbels oder Heinrich Himmler in der Nachbetrachtung die Sünden des Führers stellvertretend zu sühnen gehabt.

So oder so wäre die Kritik am NS-Staat wohl halbherzig geblieben, eine systematische Abkehr von der NS-Vergangenheit nicht erfolgt. Die Situation war ja keinesfalls für alle schlecht. Vielen Deutschen ging es unter Hitler gut, solange sie ihre Meinung für sich behielten. Die Erfahrungen der zurückgekehrten Exilanten wären womöglich als Querulantentum verunglimpft, ja in vielen Fällen sogar offen als Vaterlandsverrat betrachtet worden. Der Faschismus wäre niemals vollständig diskreditiert worden, sondern langfristig als dritte Alternative zwischen Kapitalismus und Kommunismus erhalten geblieben. Es hätte nach wie vor eine sehr aktive nationalsozialistische Bewegung in Großdeutschland gegeben, die je nach politischem Klima und wirtschaftlicher Lage weiterhin starken Zuspruch erhalten, von den meisten anderen Parteien aber nur partiell als ernstzunehmender Koalitionspartner angesehen worden wäre. Bücher, Bilder und Filme mit nationalistischem oder antisemitischem Inhalt wären auch nach den '60er Jahren noch häufig in der gesellschaftlichen Debatte zu finden gewesen.

Selbst in UZL sind solche Reaktionen noch bis weit in die '60er Jahre hinein häufig anzutreffen gewesen. Im Bundestagswahlkampf 1966 wurde sogar offen damit Stimmung gegen den SPD-Kandidaten und Widerstandskämpfer Willy Brandt gemacht. Eine systematische Neubewertung der Rolle deutscher Widerstandskämpfer erfolgte erst unter der sozialliberalen Koalition. Einen vergleichbaren gesellschaftlichen Dissens gab es auch nach dem Ende der Franco-Diktatur in Spanien. Nur mühsam konnte sich das Narrativ der Verfolgten gegenüber der schweigenden Masse Gehör verschaffen. Ein Prozess, der bis heute andauert.

In UZL findet spätestens seit den 1960er Jahren eine intensive Auseinandersetzung mit der NS-Zeit und eine beispiellose und systematische Aufarbeitung der NS-Verbrechen statt. Der Nationalsozialismus ist im Schulunterricht, durch Mahnmale, Gedenkstätten, Literatur, Filme und Bücher im Deutschland der Nachkriegszeit omnipräsent - manchmal so omnipräsent, dass die deutsche Erinnerungskultur von einigen als Belastung empfunden wird. Faschistische Vorstellungen sind durch die NS-Diktatur vollständig diskreditiert und in der öffentlichen Debatte marginalisiert worden.

Philosophien und Ideologien[]

Bereits seit dem 19. Jahrhundert begann sich das Denkmodell des Nationalismus, das die Gründung von homogenen Staaten von gleicher Kultur, Sprache und Ethnie postulierte, weltweit durchzusetzen. Das Ende des Weltkrieges brachte mit dem von US-Präsident Woodrow Wilson geforderten und später zum internationalen Rechtsprinzip erhobenen Selbstbestimmungsrecht der Völker eine grundlegende Wende der Weltpolitik. Staatsgrenzen sollten sich von nun an primär an Siedlungsgrenzen ausrichten und Gebietsänderungen nur noch durch ausdrückliche Willensbekundung der betroffenen Bevölkerung möglich sein.

Umgesetzt wurde es allerdings in den Pariser Vorortverträgen nur unvollständig. So wurde dem deutschsprachigen Rest Österreichs der beiderseits gewünschte Zusammenschluss mit dem Deutschen Reich verweigert. Auch andere vorwiegend deutschsprachige Territorien gingen an andere Staaten, wie das Sudetenland an den Rändern Böhmens. Später kam durch den Briand-Kellogg-Pakt als weiterer Grundsatz der späteren Weltpolitik die Nichtanerkennung einseitiger Grenzveränderungen hinzu. Auf Grundlage dieser Vereinbarung wurde z.B. dem japanischen Vasallenstaat Mandschukuo die internationale Anerkennung verwehrt und das Gebiet weiterhin als Teil Chinas betrachtet.

Durch Hitlers Revisionspolitik in Europa wurde der Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker insofern weiter gestärkt, als dass mit dem Münchner Abkommen faktisch die Anerkennung der Möglichkeit verbunden war, dass durch internationale Vereinbarungen ein Staat gezwungen werden konnte, Gebiete aufgrund des Mehrheitswunsches seiner Bewohner an einen anderen Staat abzutreten. Das Münchner Abkommen schuf also einen Präzedenzfall der zukünftigen internationalen Krisendiplomatie. Ein internationales Eingreifen zugunsten eines unterdrückten Staatsvolkes erfuhr vor diesem Hintergrund ebenfalls eine grundlegende Rechtfertigung. Der Nationalismus und daran anschließend das Konzept der ethnischen Homogenität, also das Modell grundlegend getrennter nationaler Gesellschaften in den einzelnen Staaten, wäre dadurch langanhaltend zum Leitkonzept der europäischen Politik avanciert.

Der Völkerbund, ursprünglich als Weltmediator konzipiert, der Kriege bereits in der Vorbereitung verhindern sollte, hätte sein Gründungsversprechen auch langfristig nicht einhalten können. Spätestens mit dem Ausschluss der Sowjetunion aufgrund des Angriffskrieges gegen Finnland wäre der Völkerbund zu einer reinen Allianz der Westmächte verkommen. Ob er im Zuge der Dekolonisierung die afrikanischen Staaten einzubinden imstande gewesen wäre, ist schwer zu beantworten. Ziemlich sicher hätte er aber niemals zu der Stärke gefunden, die er dringend gebraucht hätte. Ständige Ein- und Austritte je nach politischer Ausrichtung wären an der Tagesordnung geblieben. Eigenständige Initiativen wären von einer solchen Organisation nicht zu erwarten gewesen.

In der AZL wäre folglich ein sehr geringes Maß an internationaler Kooperation zu erwarten, kaum verbindliche Abrüstungsinitiativen, keine Anstrengungen zur Kontrolle von Atomwaffen, kein internationales Recht und keine internationale Strafverfolgung von Kriegsverbrechern. Die Vorstellung einer persönlichen Haftbarkeit von Staatsmännern wäre so undenkbar. Bisherige Versuche in diese Richtung im Anschluss an den Völkermord an den Armeniern hatten sich nicht durchsetzen lassen.

In UZL wird das Münchner Abkommen nachträglich für null und nichtig erklärt und damit der Grundsatz der staatlichen Souveränität gestärkt. Grenzveränderungen werden ausschließlich durch vertragliche Vereinbarung der beteiligten Parteien und niemals auf kriegerischem Wege anerkannt. Die internationale Gemeinschaft hat kein Recht, in die territoriale Souveränität eines einzelnen Staates einzugreifen.

Durch den Zweiten Weltkrieg und die durch ihn verursachten Verwerfungen und Verwüstungen - nicht zuletzt in ethischer Hinsicht - erhält das Prinzip der internationalen Zusammenarbeit eine neue Dimension. In Europa gründen sich verschiedene Organisationen für die Zusammenarbeit der Staaten. Der Europäischen Union gelingt es schließlich, einen Großteil des Kontinents in einen gemeinsamen wirtschaftlichen und politischen Sphäre zu vereinen.

Durch die Verbrechen des Nazi-Regimes aufgerüttelt, wird die persönliche Verantwortlichkeit von Staatsführern für unter ihrer Herrschaft und in ihrem Namen verübte Verbrechen im Londoner Protokoll für die Nürnberger Prozesse international festgeschrieben. Später beginnt eine Diskussion, die 1948 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte mündet. Der Schutz der Menschenrechte wird Leitgrundsatz einer neuen internationalen Organisation, der Vereinten Nationen. Trotz gewisser Mängel waren die Vereinten Nationen doch grundsätzlich in der Lage, viele Konflikte zu lösen, zu vermitteln und im Notfall auch militärisch einzugreifen, sodass die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts als die bislang friedlichste Epoche der Menschheitsgeschichte gelten muss.

Weitere Artikel dieser Zeitlinie[]

Zeitstrahl[]

Zeitlinie (EUWR)

1939 | 1940 | 1941 | 1942 | 1943 | 1944 | 1945 | 1946 | 1947 | 1948 | 1949 | 1950 | 1951 | 1952 | 1953 | 1954 | 1955 | 1956 | 1957 | 1958 | 1959 | 1960 | 1961 | 1962 | 1963 | 1964 | 1965 | 1966 | 1967 | 1968 | 1969 | Nach 1969 (?)


Ereignisse[]

Ereignisse (EUWR)

Kalter Krieg (1936-...) | Diadochenkämpfe im Großdeutschen Reich (1939-1943) | Britische Unterhauswahl (1939) | Britisch-Sowjetischer Krieg (1939-1943) | Zweiter Ungarisch-Rumänischer Krieg (1940) | Operation Josua (1941) | Volksaufstand im Großdeutschen Reich (1942) | Himmlerputsch (1943) | Palästinischer Bürgerkrieg (1944-1946) | Jugoslawienkrieg (1951-1955) | Leipziger Revolte (1963)


Personen[]

Personen (EUWR)

Hermann Göring | Adolf Heusinger | Heinrich Himmler | Joseph Goebbels | Rudolf Heß | Martin Bormann | Reinhard Heydrich | Wilhelm Frick | Walther von Brauchitsch | Erich Raeder | Erhard Milch | Karl Bodenschatz | Paul Körner | Erich Gritzbach | Hans Heinrich Lammers | Erich Neumann | Helmuth Wohlthat | Thomas E. Dewey | Joseph P. Kennedy Jr. | Noel Mason-MacFarlane | Benito Mussolini | Galeazzo Ciano | Miklós Horthy | István Horthy | Francisco Franco | Getúlio Vargas | David Ben-Gurion | Hassan Israilow


Organisationen[]

Organisationen (EUWR)

Völkerbund | Deutsche Reichspartei (DRP) | Sozialistische Reichspartei (SRP) | Reichsjugend (RJ) | Schutzstaffel (SS) | Sicherheitsorgane des Reiches


Staaten[]

Nationen (EUWR)

Flag of German Reich (1935–1945) Großdeutschland | 1920px-Flag of the Protectorate of Bohemia and Moravia.svg Böhmen und Mähren | FlagIUKO Großbritannien | 150px-Flag of Romania.svg Rumänien | 180px-Flag of Hungary (1867-1918).svg Ungarn | 150px-Flag of Poland.svg Polen | 150px-Flag of the Soviet Union.svg Sowjetunion | FlagIsrael Israel | USA 48 Stars Vereinigte Staaten


Bündnisse und Verträge[]

Bündnis/Vertrag (EUWR)

Kontinentalblock | Afrikanisches Dreieck


Quellen[]

Die wesentlichen Primärtexte finden sich in Abschrift hier.

  • U. Bachnick, Die Verfassungsreformvorstellungen im nationalsozialistischen Deutschen Reich und ihre Verwirklichung, Berlin 1995.
  • W. Baum, Die Reichsreform im "Dritten Reich", in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1/1955, S. 36-56.
  • A. Demandt, Es hätte auch anders kommen können. Wendepunkte deutscher Geschichte, Berlin 2010.
  • A. Demandt, Ungeschehene Geschichte. Ein Traktat über die Frage: Was wäre geschehen, wenn ...?, Göttingen 42011.
  • J. Dillinger, Uchronie. Ungeschehene Geschichte von der Antike bis zum Steampunk, Paderborn 2015.
  • N. Ferguson, Virtual History. Alternatives and Counterfactuals, New York 1999.
  • H. Göring, Aufbau einer Nation, Berlin 1934.
  • E. Gritzbach (Hrsg.), Hermann Göring. Reden und Aufsätze, München 21938.
  • E. Gritzbach, Hermann Göring. Werk und Mensch, München 21938.
  • J. Gurock, What if the Holocaust had been averted?, in: G. Rosenfeld (Ed.) What Ifs of Jewish History. From Abraham to Zionism, Cambridge 2016, S. 332-354.
  • H. Haupt, Der Senats- und Ordensgedanke im Dritten Reich. Planungen zum Partei- bzw. Reichssenat und zur Führernachfolge, Graz 2018.
  • P. Hubert, Uniformierter Reichstag. Die Geschichte der Pseudo-Volksvertretung 1933-1945, Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 97, Düsseldorf 1992.
  • A. Kube, Pour le mérite und Hakenkreuz. Hermann Göring im Dritten Reich, München 21987.
  • B. Martin, Britisch-deutsche Friedenskontakte in den ersten Monaten des Zweiten Weltkrieges. Eine Dokumentation über die Vermittlungsversuche von Birger Dahlerus, in: Zeitschrift für Politik 19 (1972), S. 206-221.
  • H. Metzmacher, Deutsch-englische Ausgleichsbemühungen im Sommer 1939, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 4/1966, S. 369-412.
  • T. Moritz/R. Neubauer, Die Rechtmäßigkeit der "Regierung Dönitz" oder: Wie rechtsstaatlich war das "Dritte Reich"?, in: Kritische Justiz 22 (1989), S. 475-481.
  • G. Morsch, Streik im "Dritten Reich", in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 4/1988, S. 649-689.
  • D. Nolte, Das Problem der Rechtmäßigkeit der Nachfolge Hitlers durch die "Regierung Dönitz", in: JuS 1989, S. 440-443.
  • A. Ritschl, Die deutsche Zahlungsbilanz 1936-1941 und das Problem des Devisenmangels vor Kriegsbeginn, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1/1991, S. 103-123.
  • G. Rosenfeld, What if Adolf Hitler had been assassinated in 1939?, in: G. Rosenfeld (Ed.) What Ifs of Jewish History. From Abraham to Zionism, Cambridge 2016, S. 275-297.
  • Statistisches Reichsamt (Hrsg.), Wirtschaft und Statistik 13/19 (1939), S. 497-535.
  • W. Ziegler, Hitler und Bayern. Beobachtungen zu ihrem Verhältnis, in: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Philologische und Historische Klasse, 4/2004.


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