Wenn das der Führer wüßte! von Otto Basil ist eines der ersten deutschsprachigen Alternativweltgeschichte-Bücher (zumindest ist mir kein älteres bekannt), das 1966 erschien und wohl auch in diesem Jahr spielt. Das Buch ist in neun Kapitel eingeteilt.
Die Handlung[]
Kurz zusammengefasst: Die Achsenmächte haben den Weltkrieg gewonnen (Details hören wir nur wenige, aber eine Atombombe ist im Frühjahr 1945 auf London gefallen) und beherrschen zusammen mit den Japanern die ganze Welt - sogar beide Amerikas. In den "Kriegsverbrecherprozessen" von Toledo wurden 34 alliierte Staatsmänner zum Tod durch Erwürgen verurteilt. Ein Italo Vinciguerra wurde Mussolinis Nachfolger. Adolf Hitler lebt noch, aber ist dem Tode nah. Auch Göring, Himmler und Rosenberg sind gestorben, Heß nach seiner Befreiung aus einem britischen Gefängnis "verschwunden".
Und auch Jahrzehnte nach dem Krieg sind die Nazis nicht besser geworden: Für die Raumfahrt-Experimente werden versklavte "Untermenschen" genommen, und wenn etwas schiefläuft und sie im All sterben, werden ihre Todesschreie in den Medien übertragen - und wer als Deutscher dabei nicht am Radio zuhört, macht sich gleich wegen Mitleid verdächtig. Auch der Esoterik-Schwachsinn der Nazis lebt mehr denn je - der Hauptcharakter, durch den wir die Nazi-Welt kennenlernen, heißt Albin Totila Höllriegl, lebt in der Stadt Heydrich (früher: Bad Frankenhausen - mittlerweile wurde jede zweite Stadt umbenannt, z.B. Linz zu Göringstadt) im Kyffhäusergebirge, und arbeitet als "Pendler", d.h. er testet mit seinem Pendel, ob Wohnungen "erdstrahlenverseucht" wären. Selbst das Christentum ist vom Nationalsozialismus manipuliert worden, so gibt es Gegenpäpste, und viele Charaktere nennen Jesus nur noch "Frauja" (sein gotischer Name). Und wer in diesem Deutschland kein Psychopath oder Esoterik-Spinner ist, ist ein saufender, obszöner Prolet.
Eine Szene hat allerdings irritiert: Höllriegl kommt an das Sterbebett eines alten Mannes - der dann nicht nur behauptet, er wäre Jude (obwohl eigentlich davon ausgegangen wird, dass die Nazis schon alle getötet haben), sondern auch, dass er der Hauptverantwortliche für den Aufstieg der Nazis und ihre Welteroberung wäre - indem er ihre Bewegung mit viel Geld unterstützte, Heydrichs rechte Hand wurde, und dem "Führer" sogar zur Atombombe verhalf. Es klingt schier unglaublich - wenn er damit die Wahrheit sagen würde, wäre er wohl eine "böse Mary Sue" - es würde mehr Sinn ergeben, wenn er einfach im Alter verrückt geworden wäre und sich nun für einen selbsthassenden Juden hält.
Eine andere Idee des Autors war zumindest verwunderlich: "Mutterdeutsch", ein Deutsch, das von allen ausländischen Einflüssen "gereinigt" ist, nur auf wenigen Seiten zu lesen, aber sehr verwirrend. "Fernmund" für "Telefon" ist eins der verständlicheren Wörter darin.
Ebenfalls erwähnenswert sind die Auftritte einiger realer "Intellektueller" (wenn auch unter anderem Namen), die vor 1945 Hitler und die Nazis gefeiert haben, so wie Heidegger oder Doderer. Das ist Otto Basils typische Art von Seitenhieb - so wie er auch die Kleinststadt Stadl-Paura zur neuen Hauptstadt des ehemaligen Österreichs macht.
Danach wird es nur schlimmer: Als Hitler stirbt, stellt sich heraus, dass sein System ohne ihn auch nicht überleben kann. Der neue Herrscher Ivo Köpfler (von dem gemunkelt wird, er hätte während dem Röhm-Putsch eigentlich geköpft werden sollen, und dass er Hitler vergiftet hätte) stößt die Nachfolger von Göring und Himmler kurzerhand aus der Partei aus, besetzt alle wichtigen Posten mit seinen "Werwölfen". In den USA brechen Aufstände aus, die Freien Korps Abe Lincoln und George Washington kämpfen gegen die Minutemen. Köpfler bricht mit den Japanern (wie in dem Witz mit der Pointe "Tokio will heim ins Reich!"), und bald darauf fallen die ersten Atombomben. Heißt es zumindest, die Nachrichten sind nicht gerade zuverlässig, und Höllriegl ist nur ein kleiner PG, der das große Bild nicht sieht. (Am Anfang erhält er von einem gewissen Hirnchristl einen sehr wichtigen Auftrag, alles bleibt sehr geheimnisvoll, dann verschwindet Hirnchristl, und niemand will ihn je gekannt haben.) Angeblich soll das Reich auch über Antimateriewaffen verfügen... Der Bürgerkrieg bricht aus, der Bauernverband "Bundschuh" kämpft mit der SA und Teilen der Wehrmacht gegen "Werwölfe" und SS, unter dem Motto "Bundschuh erwache, Werwolf verrecke" - und umgekehrt. Mitten in dem Chaos wird der "Führer" im Kyffhäuser (wo Höllriegl lebt, wir erinnern uns) bestattet. Höllriegl, bereits verseucht, flieht mit der geistesgestörten Schauspielerin Ulla Frigg von Eycke (geborene Ulrike Mlakar, auch "Bernsteinhexe" genannt, und ehemalige KZ-Kommandantin von Dora!) in die Arktis.
Kommentar[]
Diese Handlung gibt zwar einen groben Überblick, aber wird Basils Werk eigentlich nicht gerecht. Dessen Stärken sind eindeutig: Erstens die Beschreibung einer zusammenbrechenden Welt aus der Froschperspektive eines kleinen, letzten Endes auch tausendfach belogenen kleinen Nazis; zweitens die schwer zu beschreibende Stimmung, die er erschafft - z.B. mit einer Liste von Nazi-Kollaborateuren aus den USA: "General Fazlollah, William Washington Wagonner (genannt 'Double-U, Double-U, Double-U'), Roy 'Tarzan' Stuvengen, Bart M. Prefabber, Georgie Hank Squire, (Eisenbahntycoon) Jay Gould Hogg, Mackie Macbeth Hueffer, Harry S. Gnome, Ted Akimbo, John Adolf McKinley, Lewis 'Hi Fi' Colorado, Dr. Sheldon Pryce, Franklin 'Bayard' Skindiver, Virgil O'Peewee, Gene 'Fatso' Donohue, Lloyd F. Kindelberger, Irwin Jimmy Guiffre, Clarence A. Bugaboo, Father Rhyne, Reverend Hiram C. Susskind, Hughie 'Popcorn' Stelle, Harold P. Updegruff, General William Salem Schwob, Astronauten S. Ranger Nitribit, Dwight Hal Shuster, S. A. Yevdokimov; Duncan Hee Highfalutin, Gouverneur E. Neville Stronghold, John Ford O'Maille, Jim Buck Clewes, Gus 'Boaster' Andrews, Richter T. Himmler Parnell..."; drittens die Beschreibung des Wahnsinns und der Orgien, weil die Nazis das Leben anders nicht mehr auszuhalten scheinen.
Man kann sehen: Dieses Buch ist mit Sicherheit nicht naziverdächtig.--Max Sinister (💬Diskussion)
Sonstiges[]
Der Autor Otto Basil (1901-1983) hatte selbst Probleme mit der Gestapo, als er 1938 den "Führer" verspottete.
Es existiert eine englische Übersetzung von Thomas Weyr, die 1968 unter dem Titel The Twilight Men erschien; außerdem eine polnische von Ryszard Wojnakowski, als Brunatna rapsodia (Braune Rhapsodie).
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